Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 26.05.2020:
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68. Wiener Gemeinderat (6)

Dringlicher Antrag der ÖVP an Bürgermeister Ludwig sowie Gesundheitsstadtrat Hacker

Die Wiener ÖVP hatte im Zuge der Gemeinderatssitzung einen „Dringlichen Antrag“ an Bürgermeister Michael Ludwig und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) eingebracht zum Thema: „COVID-19-Pandemie – Zusammenarbeit Stadt Wien mit der Bundesregierung zur Unterstützung des Wiener Gesundheitssystems“.

GRin Ingrid Korosec (ÖVP) meinte, dass man sich trotz einer „neuen Normalität“ weiterhin in einer „weltweiten Pandemie“ befinde, die „Gesundheit, Arbeitsplätze, Wirtschaftsstandort und das Leben wie wir es vor der Pandemie gewohnt waren“ gefährde. Der „Kampf“ müsse „gegen das Virus“ geführt werden, dafür brauche es eine „gute Zusammenarbeit auf allen Verwaltungsebenen“. Darauf ziele dieser „Dringliche Antrag“ ab. Korosec zeigte sich ob der aktuellen Situation in Wien besorgt: „In Wien leben 20 Prozent der Einwohner Österreichs, seit 1. Mai sind aber 60 Prozent der Neuinfektionen und mehr als die Hälfte der aktiven Fälle in Wien“. Das liege auch an Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), der die Krise „nicht immer vollends ernst genommen hat“. Angesichts der Infektionscluster in Postverteilungszentren oder Flüchtlingsunterkünften, sei es für Korosec unverständlich, dass Hacker keine Hilfe vom Innenministerium annehme. Das BMI, unter der Leitung von ÖVP-Minister Karl Nehammer, könne Hilfe beim Kontrollieren von Quarantänebestimmungen oder dem Erhöhen von Testkapazitäten leisten, sagte Korosec. 

StR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM (ÖVP) erinnerte daran, dass die Pandemie nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Arbeitsplätze und die bisherige Lebensweise der Bevölkerung bedrohe. Der Antrag sei eingebracht worden, „weil es keine Einbindung in die Erstellung der Maßnahmen von Seiten der Stadt gegeben hatte“. Mit dem Beschluss des gestern präsentierten Gemeindepakets in der Höhe von einer Milliarde würden 238 Millionen Euro, arbeite die Bundesregierung auch für Wien: „Obwohl es mit Transparenz hapert, haben wir dem Paket zugestimmt“, so Wölbitsch. „Besorgniserregend“ sei aber, dass bei einer Bevölkerung von 20 Prozent 60 Prozent der Neuinfektionen in Wien stattfänden. Die Stadt Wien solle gemeinsam mit Bundesregierung an einem Strang ziehen, Gesundheitsstadtrat Peter Hacker vermittle jedoch durch verschiedene Aussagen den Eindruck, die Krise „nicht ernst zu nehmen und herunter zu spielen“. „Seine Taktik ist es, jede Kritik als Fake-News zu bezeichnen“, sagte Wölbitsch. Das sei nicht nur in der Coronakrise das „Problem“, sondern auch in der Flüchtlingspolitik und im Gesundheitssystem. „Kritik an der SPÖ ist nicht automatisch Kritik an Wien, denn die Stadt gehört allen Wienerinnen und Wienern“, so Wölbitsch. „Die wichtigste Forderung bleibt weiterhin, dass alle gemeinsam diese einmalige Herausforderung bewältigen“. 

GR Dietrich Kops (HC) fand es von der ÖVP „moralisch dreist“, diesen Antrag einzubringen. Denn Partei-Obmann und Bundeskanzler Kurz verbreite seit Monaten „Angst und Panik wegen einer Grippe, die als Pandemie dargestellt wird und eigentlich keine Pandemie ist“. Es seien nicht – wie von Kanzler Kurz angekündigt – 100.000 Todesfälle in Österreich zu beklagen, „sondern dass tausende Unternehmen bereits in Insolvenz sind oder kurz vor dem Aus stehen“. Positiv sei, dass die Koalition in Wien keine Panik verbreitet habe. Dem Resolutionsantrag von Rot-Grün werde seine Fraktion nicht zustimmen, weil dieser „eine Beweihräucherung des Gesundheitsministers ist, der eigentlich zurücktreten müsste“, so Kops. Dank gehe alleine an die österreichische und speziell an die Wiener Bevölkerung. 

GR Christoph Wiederkehr, MA (NEOS) fand den eingebrachten Antrag „etwas skurril“, weil es in seinen Augen um einen Konflikt zwischen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ginge. „Dieses verantwortungslose Vorgehen bringt den Wienerinnen und Wienern in Krisenzeiten überhaupt nichts und ist sogar verantwortungslos, es handelt sich um ein reines Parteien-Hick-Hack“, sagte Wiederkehr. Vielmehr sei eine Zusammenarbeit von Bund und Stadt vor allem bei Testungen nötig, aber hier werde „das Ländliche gegen das Urbane“ ausgespielt. „Das ist eine missbräuchliche Verwendung eines Ministeramts durch Nehammer, der wie ein ÖVP-Generalsekretär agiert“. Aber auch das Krisenmanagement der Stadt sei fehlerhaft, das zeige etwa „das Chaos im Großlazarett Messe“, wo ein Kritiker, der sich nicht hinter der Anonymität versteckt hatte, prompt versetzt worden sei. Abschließend appellierte Wiederkehr, „nicht rechtsstaatliche Strafen, die während der Krisenzeit für das Sitzen auf einer Parkbank ausgesprochen wurden, zurück zu erstatten. Die Aufhebung solcher „unverhältnismäßigen Strafen wäre verantwortungsvolle Politik“, so Wiederkehr. 

GRin Dr. Jennifer Kickert (Grüne) betonte, „dass der Kampf gegen das Virus ein gemeinsames Vorgehen über die Parteigrenzen sein sollte“. Doch „die ausgestreckte Hand der ÖVP“ zur Zusammenarbeit könne nur ernstgenommen werden, wenn dieses Angebot „in den zuständigen Stellen und Gremien und nicht öffentlich über Pressekonferenzen“ erfolge. Der Wiener Gesundheitsstadtrat, zuständige Bundesstellen und die Gremien der Bundesländer würden im Gegensatz zur Behauptung der ÖVP sehr wohl zusammenarbeiten, sagte Kickert. Zu den zuvor genannten Zahlen von 60 Prozent der Corona-Neufälle bei nur 20 Prozent der Bevölkerung müsse bei der Bewertung auch „die Enge des Zusammenlebens“ in Betracht gezogen werden. Diese sei in der Großstadt Wien natürlich eine andere als am Land. Das „Hick-Hack“ zwischen Teilen der Bundesregierung und der Stadt Wien solle zugunsten des „gemeinsamen Ziels der Bewältigung der Corona-Krise“ ad acta gelegt werden, verlangte Kickert. 

GR Wolfgang Seidl (FPÖ) rief die aktuellen Corona-Fallzahlen in Erinnerung. Mit Stand heute gäbe es 439 aktiv Erkrankte in Wien. Trotz der hohen Zahl an Tests in der Stadt von über 95.000 sollte nach Ansicht Seidls noch mehr getestet werden. Seidl verlangte einen Aufruf der Gesundheitsbehörden an bereits genesene Personen, dass diese Blutplasma zur Heilung von Corona-Erkrankten zur Verfügung stellen, „denn solche Plasmaspenden sind sinnvoll“. 

GR Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi (SPÖ) verwies darauf, dass die Corona-Krise gesundheitlich zu lösen sei, aber „keinesfalls durch Angst, Panikmache und Polizeimaßnahmen“. Die geringen Corona-Fallzahlen seien – neben den verordneten Maßnahmen der Gesundheitsbehörden – vor allem auf die Disziplin der Bevölkerung zurückzuführen. „Ein Wettrennen der geringsten Zahlen und parteipolitisches Hick-Hack über Bundesländergrenzen hinweg“ sei in diesem Zusammenhang weder angebracht noch zielführend. „Natürlich kann man immer mehr machen, aber dass Wien nichts tut, kann so nicht im Raum stehen bleiben“, sagte Al-Rawi. Knapp ein Viertel aller Testungen österreichweit seien allein in Wien erfolgt, etliche Einrichtungen in der Stadt Wien seien systematisch gescreent worden. Auch gäbe es starke Unterstützung der Stadt Wien etwa bei Dolmetscherdiensten während Untersuchungen von Asylsuchenden. Al-Rawi forderte der für die Asylsuchenden auch eine stärkere Unterstützung durch die Bundesregierung, vor allem in finanzieller Hinsicht. Ebenso sollten asylsuchende Lehrlinge durch humanitäres Bleiberecht unterstützt werden. Al-Rawi verlangte ein Stoppen des gegenseitigen Bashings und forderte ein gemeinsames Auftreten im Kampf gegen Corona. Al-Rawi brachte einen Antrag ein, der den Dank des Gemeinderats an alle wesentlichen Behörden und an die Wiener Bevölkerung im Vorgehen gegen die Ausbreitung des Coronavirus ausdrückt. 

GR Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS) sagte, „die neue Realität heißt mit dem Virus leben lernen“. Dass die ÖVP nun eine Debatte anstoße und damit „Angst bei den Menschen“ hervorrufe, sei in seinen Augen „Chuzpe“, weil diese in den Gremien und Krisenstäben der Bundesregierung „völlig gefehlt“ habe. Auf den Schulunterricht im Herbst vorausblickend forderte Gara, dass bei den Corona-Testungen ein spezieller Fokus auf die Schulen gerichtet werden solle. Damit soll die Verunsicherung bei Lehrpersonal, Eltern, Schülerinnen und Schülern vermindert werden. Die Gesundheitsversorgung der Wiener Bevölkerung verlange nach einer Rückkehr zur „Normalität“, um „in einer nächsten Phase“ die physische und psychische Gesundheit zu fördern.

GR Dr. Günter Koderhold (FPÖ) kritisierte die unreflektierte Übernahme von befürchten Todeszahlen in der Bevölkerung durch Bundeskanzler Sebastian Kurz, der von 100.000 Corona-Toten in Österreich gesprochen habe, und verlangte Aufklärung über dessen Quellen. Eklatante Unterschiede ortete Koderhold in den Arbeitslosigkeitszahlen im Vergleich mit Deutschland und der Schweiz. Eine mögliche Ursache für die vergleichsweise hohen Arbeitslosenzahlen vermutet Koderhold in fehlenden Betriebspandemieplänen in Österreich und forderte eine Entwicklung solcher Pläne nach Vorbild Deutschlands und der Schweiz auch hierzulande. 

GR Michael Niegl (FPÖ) kritisierte anfallende Mehrkosten für trauernde Hinterbliebene durch die Friedhöfe Wien. Obwohl während der Corona-Maßnahmen keine Zeremonien in den Aufbahrungshallen der Friedhöfe möglich seien, würde trotzdem der halbe dafür vorgesehene Betrag für die Verabschiedung direkt am Grab in Rechnung gestellt. Niegl brachte an die zuständige Stadträtin den Antrag ein, „diesen Umstand umgehend abzustellen“. (Forts.) gaa/nic 

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