Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 20.11.2019:
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40. Wiener Landtag (4)

Bericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 2018 an das Land Wien

LAbg. DI Dr. Stefan Gara (NEOS) sprach zu Übergewicht bei Kindern. Wie die Volksanwaltschaft in ihrem Bericht festhalte, fehle es der Stadt seit Jahren an einer verbrieften Gesamtstrategie, Adipositas-Erkrankungen bei Jungen zu verhindern. Rund 30 Prozent der Wiener Kinder und Jugendlichen seien übergewichtig; rund 10 Prozent sogar adipös. „Hier müssen die Alarmglocken schrillen“, meinte Gara, der anmerkte, dass trotz Maßnahmen wie der „Trinkwasser-Aktion“ an Wiener Schulen „keine Trendumkehr“ bei der Anzahl an krankhaft Übergewichtigen zu erkennen sei. Es mangle zudem an validen Daten – erst mit der „Stellung“ fürs Bundesheer lägen evidenzbasierte Daten vor. Dabei sei Übergewicht bei Kindern eine „soziale Zeitbombe“: Es führe im Erwachsenenalter zu chronischen Erkrankungen wie Diabetes. Fehlende Kassenstellen in der Kinder- und Jugendheilkunde sowie mangelnde Therapieplätze brächten die „Gesellschaft zum Zerbrechen“ – denn nur, wer es sich leisten könne, hätte die Möglichkeit auf eine Privatbehandlung oder den Gang zum Wahlarzt.

LAbg. Sabine Schwarz (ÖVP) sprach zu den Themen Heimopfer-Entschädigung und der Fremdunterbringung von Kindern in Krisenfällen. Wien habe – neben Kärnten – als einziges Bundesland die Zahlung an Heimopfer nach Ablauf einer Frist eingestellt. Was Wien bislang zur Entschädigung getan habe, sei zwar anzuerkennen, sagte Schwarz, das Land Wien müsse aber auch weiterhin Zahlungen gewährleisten. Sie brachte dazu einen Antrag ein. Betreffend die Fremdunterbringung von Kindern bei Krisenpflegeeltern meinte Schwarz, dass sie das Argument „nicht stehen lassen“ könne, für Wien gelten als Großstadt andere Voraussetzungen als für die restlichen Bundesländer. Die Kritik der Volksanwaltschaft, Wien habe vergleichsweise häufige Fälle der Fremdunterbringung, sei keine neue. Es zeuge nicht von „Wertschätzung gegenüber der Arbeit der Volksanwaltschaft“, wenn die Stadt nun zweimal in Folge mit exakt demselben Antwort-Text auf diese Kritik reagiere. Vor einer Fremdunterbringung müsse die Stadt viel mehr auf Ressourcen im familiären Umfeld der Kinder prüfen, um zu schauen, ob es nicht z.B. bei Großeltern eine Möglichkeit der Unterbringung gebe. Gegen den Mangel an Krisenpflegeeltern helfe nur eine komplette Neu-Evaluierung des Anstellungssystems, wiederholte Schwarz die Forderung der Stadt-ÖVP. Und dass die derzeit 120 fremd-untergebrachten Kinder in Wien nicht krankenversichert seien, dürfe ebenfalls nicht so bleiben: „Die Stadt hat entschieden, dass die Kinder woanders untergebracht werden sollen, also hat auch die Stadt die Verantwortung, ihre Versicherung zu zahlen.“ Auch hierzu brachte Schwarz einen Antrag ein.

LAbg. Mag. Martin Hobek (FPÖ) ging als Behindertensprecher seiner Fraktion auf die Bedürfnisse sehschwacher bzw. blinder Fahrgäste in den Wiener Öffis ein. Er zitierte Schilderungen von Betroffenen, wonach die WC-Anlagen in den Wiener Linien oftmals geschlossen oder in schlechtem Zustand seien. Auch gebe es Anlass zur Kritik, was die räumliche Ausgestaltung der Haltestellen und Wartehäuschen betreffe: Objekte wie Infosäulen und Mistkübel seien oft im Weg, Rollstuhlfahrende würden sich in beengenden Situationen wiederfinden. Es gelte, mehr auf die Barrierefreiheit in den Öffis zu achten, mahnte Hobek, und sah hier auch die Volksanwaltschaft in der Pflicht.

LAbg. Mag.a Birgit Jischa (SPÖ) antwortete auf ihren NEOS-Vorredner Gara und bezog sich auf die Kindergesundheit und Adipositas-Prävention an Wiener Bildungseinrichtungen und Schulen. Es gebe ein breites Angebot an gesundheitsfördernden Projekten, welche die Stadt zum Teil mit der Krankenkasse erarbeitet habe und umsetze, zum Beispiel den Maßnahmenkatalog der „Gesunden Angebote für Schulen“, die „Tipp Topp gesund im Mund“-Initiative oder die Trinkwasser-Offensive an Volks- und Neuen Mittelschulen als gesunde Alternative zu zuckerhaltigen Softdrinks. Neben Schul-Workshops zu Bewegung und richtiger Ernährung setze die Stadt gleichermaßen auf die psychosoziale Unterstützung – die Ursache für Übergewicht liege nämlich nicht nur in falscher Ernährung und fehlender Bewegung, sondern auch bei seelischen Sorgen und Problemen von Kindern.

LAbg. Georg Fürnkranz (FPÖ) zitierte aus der Statistik des Volksanwaltschafts-Berichts. Die Gesamtzahl der behandelten Fälle in Wien sei um 19 Prozent zurückgegangen. „Bevor die linke Reichshälfte das auf ihr glorreiches Wirken“ zurückführe, sagte Fürnkranz, solle ihr Gewahr sein, dass es auf Bundesebene sogar ein Minus von 32 Prozent an Fällen gegeben hätte, und das „unter freiheitlicher Regierungsbeteiligung“. Dass die Zahl der Beschwerden - und damit die Unzufriedenheit – vor allem in den Bereichen Verkehr, Naturschutz und Abfallbeseitigung wachse, müssten die zuständigen Stadträtinnen ernst nehmen. Dann erinnerte Fürnkranz noch einmal an die „Causa Heumarkt“: Die Volksanwaltschaft habe hier Verwaltungsmissstände „in vier Feldern“ aufgezeigt, und die Flächenwidmung als „nicht regelkonform zustande gekommen“ klassifiziert. In ihrer Stellungnahme habe die Anwaltschaft zwei Empfehlungen ausgesprochen: Der Erhalt des Welterbe-Status müsse in der Wiener Bauordnung verankert werden, und der Bauordnungs-Paragraf 1a (städtebauliche Verträge) gehöre novelliert. Dass Rot-Grün auf diese Kritik „Überhaupt nicht reagiert“ habe, führe in der Bevölkerung zu Enttäuschung und Politikverdrossenheit, meinte Fürnkranz.

LAbg. Christoph Wiederkehr, MA (NEOS) ging auf die Vielzahl an Beschwerden über die MA 35 ein, welche für Einbürgerungen und Staatsbürgerschaften zuständig ist. Während die Zahl der Beschwerden insgesamt zurückgegangen sei, seien Beschwerden über die MA 35 in den vergangenen Jahren „massiv gestiegen“. Dabei beträfen 89 Prozent der aufgezählten Mängel überlange Verfahrensdauern. Allesamt keine neuen Erkenntnisse, meinte Wiederkehr: Bislang habe die Stadtregierung aber nur „Lippenbekenntnisse“ zur Besserung der Situation ausgesprochen, aber nicht nachhaltig gehandelt. Dann kam Wiederkehr auf die Kinder- und Jugendhilfe und die Fremdunterbringung von Kindern in Pflegeeinrichtungen zu sprechen: Ähnlich wie die ÖVP forderte auch er, seitens der NEOS, von der Stadt, die Kosten für die Krankenversicherung jener 120 Kinder zu übernehmen, die derzeit fremduntergebracht seien.

Volksanwalt Werner Amon, MBA erinnerte daran, dass seine Kollegen und er seit Juli in ihrer Funktion tätig seien. Den vorliegenden Bericht hätten noch die Vorgängerinnen Günther Kräuter, Gertrude Brinek und Peter Fichtenbauer verantwortet. Amon erinnerte daran, dass die Volksanwaltschaft eine parlamentarische Einrichtung sei: „Wir sind kein Rechnungshof, wir sind keine Staatsanwaltschaft.“ Es sei wichtig, dass die Anwaltschaft von der Verwaltung nicht „als Gegner“ begriffen werde – sondern „als Partner der Bürgerinnen und Bürger, denen die Verwaltung zu dienen hat“. Als „nachprüfendes Organ“ sei die Anwaltschaft dann mit Fällen konfrontiert, wenn die Verwaltung ihre Entscheidung schon gefällt habe. Mit ihren Prüfungen, durch Gespräche und ausgesprochene Empfehlungen „können wir das ein oder andere aber noch verändern oder verbessern“. Im Jahr 2018 seien 16.000 Beschwerden österreichweit eingegangen, wovon rund 3.000 die Länder und Gemeinden betroffen hätten. Bezogen auf Wien sei nun, erstmals seit Jahren, ein Rücklauf der Beschwerden auf zuletzt 1.070 Fälle zu verzeichnen. Amon erklärte das mit „rückläufigen Asylzahlen“ im Vergleich zu 2017. Bezogen auf den Hinweis des FPÖ-Mandatars Hobek, die Öffis barrierefreier zu gestalten, meinte Amon: Eigentlich müssten die Wiener Linien als ausgegliedertes Unternehmen der Gemeinde der Anwaltschaft gar keine Rechenschaft ablegen – täten es aber dennoch, und reagierten auf Feedback und Kritik. Dafür sprach Amon sein ausdrückliches Lob aus. Er verband das mit der Anregung, die Volksanwaltschaft generell auch ausgegliederte Unternehmen und Unternehmungen prüfen zu lassen. (Forts.) esl

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