Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 27.06.2019:
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Forcierter Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien - KAV erweitert stationäre Kapazitäten um 40 Prozent

Die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgungslandschaft Wiens befindet sich in einem dynamischen Aufbauprozess. Mit der Eröffnung des Krankenhaus Nord – Klinik Floridsdorf stehen im KAV insgesamt 79 Betten, sowie 14 tagesklinische Plätze für die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung zur Verfügung (Stand 06/19). „Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Zuwachs um rund 40 Prozent im stationären und sogar 75 Prozent im tagesklinischen Bereich“, erklärt Evelyn Kölldorfer-Leitgeb, Generaldirektorin des Wiener Krankenanstaltenverbunds. Aber der Ausbau geht noch weiter: „Bis Jahresende werden wir insgesamt 124 kinder- und jugendpsychiatrische Behandlungsplätze zur Verfügung stellen“, so Kölldorfer-Leitgeb.

„Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist ein Fach mit zunehmender Bedeutung“, betont Ralf Gößler, Vorstand der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Krankenhaus Nord-Klinik Floridsdorf. Insgesamt weisen knapp 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen psychische Auffälligkeiten auf, bei einem Teil davon bestehe psychiatrischer bzw. psychologischer und/oder psychotherapeutischer Behandlungsbedarf, so der Experte. Um für die jungen Patientinnen und Patienten optimale Voraussetzungen zur Genesung zu schaffen, wurden in den vergangenen zwölf Monaten zahlreiche Maßnahmen im Rahmen des Psychiatrischen und Psychosomatischen Versorgungsplans Wien 2030 (PPV) gesetzt.

So eröffnete im Krankenhaus Hietzing im Sommer 2018 die Station 2A. Ihr Fokus liegt auf Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen und sie verfügt über 15 stationäre Plätze, darunter vier Akutbetten. Damit wurde sichergestellt, dass keine Versorgung von Jugendlichen an erwachsenenpsychiatrischen Standorten erfolgen muss. Im Jänner 2019 folgte am selben Standort die nächste Erweiterung: am Rosenhügel wurden acht zusätzliche Betten für Kinder und Jugendpsychiatrie geschaffen. Bis Ende 2019 folgen weitere sieben Betten.

Im März starteten die Arbeiten für den Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie im AKH, die bis Frühjahr 2020 abgeschlossen werden. Es wird dort 30 stationäre Betten und zehn Betten für die tagesklinische Betreuung geben. Die Bettenkapazität wird um vier Betten erhöht und die räumlichen Strukturen den Anforderungen moderner Kinder- und Jugendpsychiatrie angepasst.

Anfang Juni wurde mit der Eröffnung des Krankenhaus Nord – Klinik Floridsdorf ein weiterer Meilenstein im Ausbau des kinder- und jugendpsychiatrischen Angebots gelegt. Zu den ersten, angebotenen Leistungen des Hauses zählte eine kinder- und jugendpsychiatrische Ambulanz mit Tagesklinik.

KAV und PSD weiten noch 2019 die stationären und ambulanten Angebote aus

Im Krankenhaus Nord-Klinik Floridsdorf werden im Herbst zusätzliche stationäre Kapazitäten geschaffen. Im Endausbau stehen dort 24 kinder- und jugendpsychiatrische Behandlungsplätze zur Verfügung. Damit stehen KAV-weit bis zum Jahresende 124 kinder- und jugendpsychiatrische Behandlungsplätze zur Verfügung.

Bis 2030 sieht der Psychiatrische und Psychosomatische Versorgungsplan Wien ein stationäres Kinder- und Jugendpsychiatrisches Angebot in jeder der drei Versorgungsregionen vor. Zwei Stationen stehen bereits ab Herbst 2019 zur Verfügung. Das sind die Kinder- und Jugendpsychiatrie im Krankenhaus Hietzing und jene im Krankenhaus Nord-Klinik Floridsdorf. Die Dritte befindet sich in Planung und soll im Kaiser Franz Josef-Spital eröffnet werden. Ergänzt wird das stationäre Angebot künftig von mindestens zwei Ambulatorien pro Region.

Ebenfalls noch 2019 werden die Psychosozialen Dienste in Wien ihr zweites Kinder- und Jugendpsychiatrisches Ambulatorium mit Tagesklinik eröffnen. Damit werden die Kapazitäten zur ambulanten Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Problemen deutlich erhöht.

Mangelfach Kinder- und Jugendpsychiatrie – besserer Ausbildungsschlüssel als Lösung

Bauliche Maßnahmen sind wichtig, aber nur ein Teil der Ausweitung von kinder- und jugendpsychiatrischen Angeboten. Der andere Teil und die wahrscheinlich größere Herausforderung bildet die Rekrutierung von Expertinnen und Experten. „Die Kinder- und Jugendpsychiatrie gehört zu den von der Ärztekammer definierten Mangelfächern“, erklärt Michael Binder, Medizinischer Direktor im KAV. Das bedeutet, dass in Österreich und in weiten Teilen Europas zu wenig Kinder- und Jugendpsychiater vorhanden sind. „Die Rekrutierung dieser Ärztinnen und Ärzte ist demnach schwieriger wie in anderen Fächern“, so Binder.

Das bestätigt auch Ewald Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien und kaufmännischer Leiter der Psychosozialen Dienste in Wien: „Für unsere ambitionierten Ausbaupläne im Bereich der psychischen Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen brauchen wir ausreichend qualifiziertes Personal. Der Engpass bei den FachärztInnen ist österreichweit und in ganz Europa spürbar. Änderungen in den Ausbildungsregeln könnten hier Abhilfe schaffen.“

Im Krankenhaus Nord – Klinik Floridsdorf fehlen momentan drei FachärztInnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Sie werden aktuell rekrutiert, um im Herbst die Station wie geplant in Betrieb nehmen zu können.

Um den weiteren Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht zu gefährden, muss der Mangel an Fachärztinnen und Fachärzten behoben werden. „Das kann über den Ausbildungsschlüssel gelingen“, erklärt Primar Ralf Gößler. Nach dem derzeitigen Ausbildungsschlüssel darf der Vorstand einer Abteilung drei Kinder- und Jugendpsychiater in Ausbildung betreuen, jeder weitere Facharzt aber jeweils nur einen Arzt in Ausbildung. „Es gibt genug junge Menschen, die an der Ausbildung interessiert sind. Daher wollen wir auf einen Schlüssel von eins zu vier kommen - wie in Deutschland“, so Gößler. „Dazu brauchen wir die Ärztekammer und das Gesundheitsministerium“. So ließe sich bis 2030 die Zahl der Kinder- und Jugendpsychiater in Wien verdoppeln, von derzeit rund 70 auf 140.

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