Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 13.11.2017:
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Ludwig/Papai/Jordan: Erklärende Zusatztafel zu einer Skulptur des NS-Künstlers Wilhelm Frass

Frass gestaltete1958 eine Skulptur für den Gemeindebau Pragerstraße 93-99/Anton-Anderer-Platz 1

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird Wien vom NS-Regime befreit. 20 Prozent aller Wohnungen, rund 87.000, sind zerstört. 35.000 Menschen sind in Wien obdachlos. 1949 wird unter Bürgermeister Theodor Körner der Wohnbauwiederaufbaufonds eingerichtet. Zahlreiche neu errichtete Gemeindebauten werden – wie bereits im „Roten Wiener der ersten Republik“ – mit „Kunst am Bau“ versehen.
Der Bildhauer und Medailleur Wilhelm Frass war ein vom NS-Regime besonders geförderter Künstler. Er hat 1958 die Skulptur „Fruchtträgerin“ geschaffen, die sich vor der Adresse Anton-Anderer-Platz 1 befindet.
Nunmehr ist am Sockel der Skulptur eine Tafel angebracht, die darauf aufmerksam macht, dass Frass auch der der Schöpfer zahlreicher Kriegs -und Heldendenkmäler, zahlreicher Hitlerbüsten sowie Hakenkreuz-Hoheitszeichen war. Frass zeichnet ebenso für die Entfernung „jüdisch“ geltender Kunst während der NS-Zeit aus dem öffentlichen Raum mitverantwortlich. Heute wird sein Wirken wesentlich kritischer gesehen als in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. ****

„Zur kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit und der menschenverachtenden Grausamkeit dieses totalitären Regimes gehört auch, zu beleuchten, wer seine Anhängerinnen und Anhänger waren. Es liegt in unserer Verantwortung, das Bewusstsein an dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte wach zu halten und dafür zu sorgen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Umso wichtiger ist es mir, dass Erinnerungen an die NS-Zeit und ihrer Gefolgsleute nicht getilgt werden, sondern wir auch ganz bewusst darauf aufmerksam machen“, hält Wohnbaustadtrat Michael Ludwig nachdrücklich fest.

„Geschehenes, sei es noch so grauenvoll, lässt sich nachträglich nicht ändern oder ungeschrieben machen. Mit der Anbringung der Erklärungstafel an der Skulptur vor der Wohnhausanlage am Anton-Anderer-Platz 1 wird in Floridsdorf ein weiterer Beitrag für eine legitime Form der Vergangenheitsbewältigung geleistet, nämlich jene, die sich auf das Geschehene in seiner ganzen historischen Fragwürdigkeit einlässt, um es aufzuarbeiten, zu begreifen und daraus Konsequenzen zu ziehen, die eine Wiederholung verhindern. Wer aber vor der Vergangenheit die Augen schließt, wird blind für die Zukunft“, so Bezirksvorsteher Georg Papai.

„Vor allem in der Zeit des Wiederaufbaus erhielten Künstler, die in der Zeit der Nazi-Diktatur wichtige Funktionen ausübten, wieder öffentliche Aufträge. Dies trifft bei der ‚Kunst am Bau‘ in Floridsdorf vor allem auf Wilhelm Frass zu, dessen unrühmliche Rolle in der NS-Zeit durchaus bekannt war. Zusatztafeln können zur Aufarbeitung der Vergangenheit einen Beitrag leisten und zur Diskussion über die Lage von KünstlerInnen zwischen Kollaboration und Nicht-Anpassung beitragen,“ betonte Bezirksrat Gerhard Jordan.

Biografie Wilhelm Frass (1886 - 1968)

Frass wurde am 29. Mai 1886 in St. Pölten geboren, er war der Sohn des Direktors der Gaswerke St. Pölten, sein Bruder war der Architekt Rudolf Frass. Die Brüder besuchten die Staatsgewerbeschule in Wien und anschließend die Akademie der bildenden Künste. Frass lebte und arbeitete in einem der Staatsateliers in der Wiener Krieau. Er amtierte während der Ständestaatsdiktatur 1934 bis 1938 als Präsident des Künstlerverbandes der österreichischen Bildhauer und erhielt 1936 den Großen Österreichischen Staatspreis. Er war vielbeschäftigter Künstler während des Austrofaschismus, aber gleichzeitig seit 1933 illegales Mitglied der NSDAP. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich war Frass von 1938 bis 1945 Leiter der Hochschulklasse der Kunst- und Modeschule der Stadt Wien. 1939 wurde er Mitglied des Wiener Künstlerhauses.

Nach 1945 wurde Frass bei der Entnazifizierung als „minderbelastet“ eingestuft. Im Denkmal des toten Soldaten in der Krypta am Wiener Heldenplatz wurde ein Huldigungsschreiben von Frass an den Nationalsozialismus vermutet. 1938 gab er öffentlich in der NS-Zeitung „Völkischer Beobachter" damit an, unter der Skulptur Nazi-Huldigungen versteckt zu haben. Dieses Schreiben wurde im Jahr 2012 tatsächlich gefunden. Es ist im Heeresgeschichtlichen Museum als Faksimile ausgestellt – zusammen mit einem pazifistischen Schreiben seines Mitarbeiters Alfons Riedel.
Frass starb am 1. November 1968.

Der Gemeindebau Pragerstraße 93-99

Erbaut wurde die städtische Wohnhausanlage in zwei Bauphasen von 1954 bis 1957 auf einem Grundstück, das die Gemeinde Wien zu Beginn der 1950er erworben hatte. Sieben Architekten gestalteten die 25 Stiegen mit 340 Wohnungen, Kunst am Bau spielt ebenfalls eine Rolle. Seit dem Bau in den Fünfzigern wurden die Wohnungen und Sanitärräume laufend adaptiert, in den Achtzigern erfolgte ein Lifteinbau, die Sanierung von 2014 bis 2016 umfasste unter anderem die Instandsetzung des Daches, den Tausch und die Erneuerung von Fenstern und Türen sowie eine Fassadendämmung.
Am 11. September 2016 wurde die städtische Wohnhausanlage in der Prager Straße 93-99 nach Franz Jonas, Wiener Bürgermeisters und 4. Bundespräsidenten der 2. Republik, benannt. (Schluss) kau

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