Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 25.10.2017:
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28. Wiener Gemeinderat (2)

Aktuelle Stunde

Das Thema der Aktuellen Stunde wurde diesmal von den Grünen eingebracht: „Explodierende Grundstückskosten verteuern den Wohnraum massiv – Wien muss und kann gegensteuern“.

GR Mag. Christoph Chorherr (Grüne) sagte: Im Vergleich zu Städten wie Paris, wo es getrennte Wohnviertel für Arm und Reich gebe, sei die soziale Durchmischung im Wohnbereich ein hohes Wiener Gut. Steigende Grundstückskosten seien eine bedrohliche Entwicklung und gefährdeten diesen Status. In einer wachsenden Stadt mit steigender Nachfrage nach Wohnraum sei Grund und Boden nicht vermehrbar – und Baugründe würden zum Spekulationsobjekt privater Grundstückseigner. Noch hätten der Wohnfonds Wien und soziale Bauträger Flächenreserven, diese seien aber nicht unendlich. Es brauche eine Debatte darüber, ob Grund und Boden beziehungsweise der finanzielle Gewinn bei Umwidmungen und Bodenwertsteigerungen nicht der Allgemeinheit gehören müssten. Auch sei es überlegenswert, der Gemeinde Wien bei Grundstücksverkäufen ein Vorkaufsrecht einzuräumen.

GR DI Dr. Stefan Gara (NEOS) nannte „drei Hebel“, um Wohnen langfristig leistbar zu halten. Erstens bräuchten die städtebaulichen Verträge endlich „klare Spielregeln“ und eine Baurechtsnovelle, dann sei auch eine Gewinnabschöpfung durch die Kommune bei Bodenwertsteigerungen denkbar. Zweitens müsse Wien seine Bodenpolitik dahingehend ändern, städtische Grundstücke nicht mehr an Bauträger zu verkaufen, sondern lediglich Baurechte zu vergeben. Drittens vermisste er eine klare Strategie der Stadt hinsichtlich des Umgangs mit Bodenreserven – insbesondere nannte Gara die vielen Kleingarten-Widmungen.

GR Dr. Wolfgang Ulm (ÖVP) replizierte auf seinen Vorredner Chorherr: Wenn die Grünen tatsächlich der Meinung seien, dass Grund und Boden der Allgemeinheit gehören sollen, „dann ist das Kommunismus in Reinkultur“. Tatsächlich liege es in ihrer eigenen Kompetenz, über das Grüne Planungsressort ausreichend Flächenwidmungen für Wohnbau bereit zu stellen. Immerhin 45 Prozent der städtischen Grundfläche seien nämlich im Eigentum der Stadt. Auf die Anregung, Widmungsgewinne zu besteuern, meinte Ulm: Dieses Instrument gebe es bereits, es nenne sich Immobilienertragssteuer und sei mit 30 Prozent „schon sehr ordentlich bemessen“.

GR Mag. (FH) Alexander Pawkowicz (FPÖ) sagte, Grund für steigende Wohnkosten sei der spekulative Umgang mit Grundstücken, auch geduldet von der Stadt. In großen Stadtentwicklungsgebieten, wo es ausreichend Flächen gäbe, verhänge die Stadt scheinbar willkürlich Bausperren. Ohne ausreichende Flächenwidmung erteile der Wohnbau-Ausschuss im Gemeinderat dann Baubewilligungen in diesen „Sperrzonen“. Diese Baumandate gingen hernach oft an Firmen mit Naheverhältnis zu Parteien und Stadt. Diese Intransparenz und Rechtsunsicherheit schrecke internationale Bauträger ab, die grundsätzliches Interesse an Wohnbautätigkeiten in Wien hätten.

GR Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ) meinte, es sei in allen Großstädten der Welt zu beobachten, dass „Betongold“ als rentable Anlageform für Reiche die Grund- und Wohnpreise in die Höhe treibe. Wien stelle sich dieser Problematik besser als jede andere Stadt: Der Wohnfonds Wien habe 2,5 Millionen Quadratmeter an Fläche in Reserve; die Stadt stelle Bauträgern Grundstücke bewusst unter Marktwert zur Verfügung, um darauf leistbare Wohnungen schaffen zu können; beschleunigte Verfahren, Gebäude in Schnellbauweise und eigens konzipierte SMART-Wohnungen machten Wohnbau zusätzlich günstiger und schneller. Wien sei, anders als von der Opposition insinuiert, „längst kein Notstandsgebiet“. Internationale Studien belegten, dass etwa in Paris 42 Prozent eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens für Wohnkosten aufgewendet werden müsse; in Berlin seien es 30 Prozent des Einkommens; Wien liege mit lediglich 21 Prozent Wohnkostenanteil im Spitzenfeld.

GRin Mag.a. Beate Meinl-Reisinger MES (NEOS) begann: Die Grünen klangen heute zwar „sehr philosophisch“, konkrete Vorschläge habe sie aber keine vernommen. „Grundstücks-Enteignungen“ könnten jedenfalls nicht der richtige Weg sein. Wiens hohe Wohnkosten seien ihrer Meinung nach auf die unzureichende Neubauleistung von Wohnungen zurück zu führen – Wien hinke im Bundesländervergleich hinterher. Wolle die Stadt ausreichend neue Wohnungen entstehen lassen, sei eine Partnerschaft mit privaten Bauträgern unbedingt nötig. Umso wichtiger sei es, ebendiese Privaten nicht mit „überholten Ideologien“ abzuschrecken. Auch für Meinl-Reisinger sei eine Debatte über die Abschöpfung von Widmungsgewinnen denkbar – Voraussetzung müssten aber transparente städtebauliche Verträge sein.

GRin Sabine Schwarz (ÖVP) nannte die Betriebskosten als zentralen Kostentreiber im Wohnbereich. Diese Betriebskosten machten in Wien 30 Prozent der gesamten Wohnkosten aus, Wien habe die höchsten Betriebskosten im Bundesländervergleich. Auch weil die Stadt mit diesen Gebühren teilweise deutliche Überschüsse erwirtschafte, sei ausreichend Spielraum für eine Gebührensenkung vorhanden. Dann würden auch die Wohnkosten sinken. 70 Prozent aller neuen Wohnungen würden in Wien von Privaten errichtet, nur 30 Prozent von geförderten Bauträgern. Es sei deshalb ungerecht, die Schuld an Wohnungsknappheit und hohen Kosten bei den Privaten zu suchen. Würde die Stadt mehr Flächen für den Bau von Privatwohnungen widmen, wäre das Preisniveau im frei finanzierten Sektor nicht so hoch – ein höheres Angebot senke die Preise. Schwarz rechnete vor, dass sich Bauträger alleine durch eine Novellierung und Flexibilisierung der Bauordnung 30 Prozent an Baukosten ersparen könnten.

(Forts.) esl/hul

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