Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 23.10.2017:
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20. Wiener Landtag (3)

Aktuelle Stunde

LAbg Dr. Wolfgang Ulm (ÖVP) warf der Stadtregierung vor, berechtigte Kritik der Opposition an steigenden Schulden der Stadt als „Wien-Bashing“ abzutun. Die kommunalen Verbindlichkeiten würden im kommenden Jahr erneut steigen, diesmal um 376 Millionen Euro – dabei könne die Stadt alleine 350 Millionen sparen, würde sie ihr Pensionssystem an jenes des Bundes anpassen. Diese überfällige Harmonisierung habe auch schon der Bundesrechnungshof eingefordert. Die Stadt gebe per anno alleine 200 Millionen Euro für Frühpensionierungen aus, 90 Prozent der BeamtInnen gingen laut Ulm frühzeitig in den Ruhestand.

LAbg David Ellensohn (Grüne) störte sich daran, dass in der Budgetdebatte laufend Volks- mit Betriebswirtschaft durcheinandergebracht werde. Natürlich sitze Wien auf einem milliardenschweren Anlagevermögen, und natürlich passe die Stadt ihren Zahlungsplan an die Weltwirtschaftslage an – das sei ganz normal, vom Kleinunternehmen zum Großkonzern agiere so jeder Betrieb. Im Übrigen habe Wien in der Vergangenheit sehr wohl Schulden getilgt – was von der Opposition aber „gerne“ verschwiegen werde. In Richtung ÖVP richtete Ellensohn die Forderung, „mir endlich eine Gemeinde mit ÖVP-Bürgermeister zu nennen, in der die Gebühren für Müll, Wasser und Abwasser günstiger sind als in Wien“.

LH-Stv. Mag. M.A.I.S. Johann Gudenus (FPÖ) entgegnete den Grünen, wonach Wiener Spitäler PatientInnen aus den Bundesländern versorgten: „Die Patienten aus Niederösterreich sind für Sie ein Problem, aber die hunderttausenden Illegalen in unserem Sozialsystem sind Ihnen willkommen.“ Den Großteil ihrer Schulden häufe die rot-grüne Stadt dadurch an, Gelder „für künftige Wähler“ auszugeben. Auf seinen Auslandsreisen mache er „nur die allerbeste Werbung“ für Wien, insgeheim schäme er sich aber für Rot-Grün.

LAbg Christian Oxonitsch (SPÖ) entgegnete: Wie müsse sich das für ihn, Gudenus, anfühlen, im Ausland stets auf Wiens Erfolge angesprochen zu werden? Insbesondere in den Bereichen sozialer Wohnbau, Öffi-Netz und Bildungsinfrastruktur genieße Wien international ein hervorragendes Echo. Der Nachbar Deutschland verzeichne zwar „Null-Verschuldung“, dafür liege dort die Infrastruktur „am Boden“ – etwa Straßen und Schienen. Die von der Opposition geforderten Kürzungen im Wiener Sozialbereich würden genau das bewirken, was das enge soziale Netz derzeit verhindere: nämlich das Abdriften in Armut, Obdachlosigkeit und Kriminalität. Abschließend wiederholte Oxonitsch die Zahlen aus dem Bundesländervergleich: Wien stehe „hervorragend da“ betreffend Bruttoregionalprodukt (BRP), auch die Pro-Kopf-Verschuldung sei in anderen Bundesländern höher.

Bericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 2016

Labg Mag.a Bettina Emmerling, MES (NEOS) lobte den Bericht dafür, „Schattenseiten der Wiener Verwaltung“ offenzulegen. Mit 1.217 Beschwerdeverfahren im vergangen Jahr sei ein historischer Höchststand erreicht worden, seit dem Antritt von Rot-Grün sei die Zahl der eingelangten Beschwerden überhaupt um 50 Prozent gestiegen. Emmerling nannte zwei Beispiele prominenter Fälle, welche die Volksanwaltschaft aufgegriffen habe: Erstens den bis dato fehlenden zweiten Lift in der U-Bahn-Station Stephansplatz; zweitens einen Fall des Jugendamtes, wo zwei betroffene Kinder in einer Jugendeinrichtung im steirischen Admont untergebracht wurden anstatt – wie vom Familiengericht empfohlen – in elterlicher Nähe in Wien zu bleiben. Zuletzt kritisierte Emmerling die beschränkte Kontrolle der Anwaltschaft über ausgelagerte Unternehmen und Unternehmungen der Stadt, etwa die Stadtwerke und künftig der KAV. In einem Antrag forderte sie, das Mandat der Anwaltschaft auf diese ausgelagerten Bereiche zu erweitern.

Auch LAbg Sabine Schwarz (ÖVP) thematisierte das Beschwerdeaufkommen, welches noch nie so hoch gewesen sei. Konkret ging sie auf die Gangbetten-Situation in den städtischen Spitälern ein und erinnerte daran, dass der KAV bereits im Jahr 2006 eine Lösung des Problems versprochen habe. Es handle sich nämlich tatsächlich um ein strukturelles Problem und nicht, wie vom KAV behauptet, um saisonbedingte Überbelastungen. Strukturelle Defizite gebe es auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie: Noch im vergangenen Jahr seien 78 Unter-18-jährige bewusst in der Erwachsenenpsychiatrie behandelt worden. Dass die Stadt die Entschädigungszahlungen an die Missbrauchsopfer städtischer Heime eingestellt habe, sei nicht zu verstehen. Mittels Antrag forderte sie eine Fortführung der Entschädigungszahlungen. Bezogen auf den „Admont-Fall“ brachte sie einen zweiten Antrag ein: Für Kinder in „Fremdunterbringungen“ müsse eine Rückkehr zu den Eltern räumlich sofort möglich sein.

LAbg Birgit Hebein (Grüne) lobte den Bericht für seine Schwerpunktsetzung auf Menschenrechtsagenden und die strukturelle Benachteiligung einzelner Bevölkerungsgruppen. Auch sei wichtig, dass die Volksanwaltschaft das bisherige „Tabuthema“ Gewalt an Frauen nun in den Vordergrund rücke. Zu den von den VorrednerInnen erwähnten Fallbeispielen ergänzte Hebein, dass die Stadt jedes einzelne Schicksal zum Anlass nehme, die eigenen Strukturen zu hinterfragen. Im „Fall Admont“ mahnte sie jedoch zur Vorsicht und warnte vor voreiligen Schlüssen: „Die Expertinnen und Experten im Jugendamt sind in solchen Entscheidungen nicht zu beneiden. Ausschlaggebend für ihre Handlung ist aber stets und ausnahmslos das Wohl der Kinder.“ Der Landtag möge sich hüten, solch hochkomplexe Sachverhalte dafür zu nutzen, die Arbeitsweise des Jugendamts grundsätzlich zu hinterfragen. Der zweite Lift am Stephansplatz bleibe auf Hebeins Agenda; die Entschädigung von Heimopfern müsse über eine bundesweite Einrichtung erfolgen; Erfahrungen und Expertise – auch jene der Volksanwaltschaft – im Umgang mit der BMS würden ins neue Wiener Mindestsicherungsgesetz einfließen.

(Forts.) esl/buj/ato

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