Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 28.06.2017:
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26. Wiener Gemeinderat (2)

Aktuelle Stunde

Die Aktuelle Stunde hatten die NEOS eingebracht zum Thema „Rote Immobiliendeals zum Freundschaftspreis - Wienerinnen und Wiener zahlen drauf“.

GRin Mag.a Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS) setzte die Art und Weise der Liegenschaftsverkäufe der Stadt mit „Korruption“ gleich. Diese würden zum Großteil ohne öffentliche Bieterverfahren, intransparent sowie „unter der Hand“ erfolgen. In nur 67 von 3.400 Grundstücksverkäufen der jüngeren Vergangenheit sei eine öffentliche Ausschreibung erfolgt – Bürgermeister Dr. Michael Häupl (SPÖ) sage somit „die Unwahrheit“, wenn er wie heute in der Fragestunde behaupte, „Bieterverfahren seien die Regel“. Wenn die Stadt ihre Grundstücke und somit ihre Wertanlage unter Preis „verscherbelt“, sei das nicht nur politisch verantwortungslos, sondern auch eine Missachtung der Gesetze – diese verpflichteten die Politik zum „umsichtigen und sparsamen Umgang mit Steuergeld und öffentlichem Vermögen“. Die NEOS hätten diesen Sachverhalt der Korruptions-Staatsanwaltschaft gemeldet. Dass von den günstigen Verkäufen oft „SPÖ-nahe Bauträger“ profitierten, grenze an „Wettbewerbsverzerrung und Insiderhandel“, weshalb die NEOS auch die EU-Wettbewerbskommission eingeschaltet hätten. Zudem hätten sie den Stadtrechnungshof gebeten, „fragwürdige Immobilien- und Widmungsdeals“ des Wohnfonds Wien zu prüfen.

GR Dr. Wolfgang Ulm (ÖVP) schloss sich der Kritik der NEOS an und ergänzte die Rede von Meinl-Reisinger um einige Beispiele von suspekten Grundstücksveräußerungen, etwa das Projekt „TownTown“, das „Viertel Zwei“, das Semmelweis-Areal oder das „MediaQuarter Marx“ – laut Ulm „die Höchststrafe an Skandalen“ für die SPÖ. Überhaupt agiere die Sozialdemokratie im Umgang mit städtischen Grundflächen so, „als würde ihr die Stadt gehören“. Dabei habe die Stadtregierung gesetzliche Normen zu beachten, was sie aber „permanent missachte“.

GR Mag. Christoph Chorherr (Grüne) erwiderte: TownTown und Viertel Zwei seien Veräußerungen, die vor Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, erfolgt seien. Viel eher wolle er über ein aktuelles Projekt sprechen, nämlich dem ehemaligen KAV-Schwesternheim in Hietzing. Im Zuge dieses „höchst transparenten, öffentlichen Bieterverfahrens“ entstünden 150 neue, geförderte Wohnungen. Und: Hier werde nicht das Grundstück verkauft, sondern lediglich Baurechte vergeben. Wie überhaupt die Baurechtsvergabe auf städtischem Grund Chorherrs Lieblingsmodell sei. Abschließend konterte er dem NEOS-Vorwurf der „3.300 Verkäufe ohne Bieterverfahren“, dass es sich dabei zum Großteil um Veräußerungen von Kleingärtenparzellen handle. Es sei doch nur logisch, das Grundstück zuerst „dem Pächter anzubieten, der dort wohnt“.

GR Mag. Günter Kasal (FPÖ) nannte das Wohnprojekt am Gelände des KAV-Schwesternheims „auch nicht gerade glorreich“. Mehr als 30 Jahre lang habe die Stadt die Immobilie verfallen lassen, sodass jetzt nur noch ein Abriss möglich sei. Auch sei das Thema der Aktuellen Stunde „gar nicht so aktuell“: Die Problematik der fragwürdigen Grundstücksverkäufe datiere zurück in die 1990er-Jahre. Aktuelles Beispiel sei der Verkauf einer Liegenschaft der Stadt Wien im niederösterreichischen Biedermannsdorf. Die Stadt habe vor Verkauf ein Schätzgutachten erstellen lassen, um den Grundstückswert zu ermitteln. Dieses Gutachten sei aber nie vorgelegt worden, sodass 16 von 17 Bietern letztlich abgesprungen seien.

GR Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ) attackierte die NEOS. Diese verbreiteten „Unwahrheiten“, scheuten die politische Debatte und schalteten nun zum wiederholten Male die Justiz ein – was aber schon in der Vergangenheit von der Staatsanwaltschaft „aus Mangel an Substrat“ stets fallengelassen worden sei. Der „neoliberalen Ideologie“ der NEOS stünde Wiens Bekenntnis zum sozialen Wohnbau gegenüber. Beim Verkauf von Grundstücken gehe es nicht um die Gewinnmaximierung, sondern um das Ermöglichen von günstigem Wohnraum. Eben weil die Stadt diese Strategie betreibe, seien die Mietpreise in Wien auf dem europaweit günstigsten Niveau. Auch wenn die Kritik des Rechnungshofes ernst zu nehmen sei, dürfe nicht vergessen werden, dass der Rechnungshof „die Immobilienstrategie der Stadt Wien über weite Strecken grundsätzlich positiv sieht“.

GR Dipl-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS) konterte: Die NEOS scheuten keinen Diskurs, „wir sind diejenigen, die die heutige Debatte ausgerufen haben“. Seiner Fraktion sei sozialer Wohnbau „extrem wichtig“ – aber ebenso „extrem wichtig“ sei Fairness im Wettbewerb. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum die Stadt manche Bauträger bevorzugt behandle – und diese dann erst recht freifinanzierte Wohnungen errichteten. Beim Projekt „Handelskai 100“ wäre ein Privater bereit gewesen, geförderte Wohnungen zu bauen. Er sei abgewiesen worden mit der Auflage, dass nur Genossenschaften gemeinnützigen Wohnraum schaffen dürften. Das stimme aber nicht, denn die Wohnbauförderung stünde per Gesetz allen offen. Auch Gara wollte, ähnlich wie sein Vorredner Chorherr von den Grünen, künftig mehr Baurechtsvergaben denn Grundstücksverkäufe sehen.

GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) meinte, die städtische Strategie, Grundflächen bewusst günstig zu verkaufen, sei nur zum Teil zulässig. Nachvollziehbar sei diese etwa im Westen Wiens, wo die Grundstückspreise so hoch seien, dass sich sozialer Wohnbau nicht rechne. Bei Veräußerungen wie dem Semmelweis-Areal oder TownTown sei es aber nie um günstiges Wohnen gegangen. Zum Semmelweis-Deal habe es sogar eine eigene Gemeinderatssitzung gegeben – Lehren habe die Stadt aber nicht daraus gezogen. Außerdem trage die Stadt Mitschuld an der steigenden Mietpreisentwicklung auch am privaten Markt, etwa durch die im Regierungsprogramm vorgesehene Leerstandsabgabe oder die Erhöhung der Grundsteuer.

(Forts.) esl/fis

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