Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 19.10.2016:
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StR Ludwig/BVin Malyar: Gemeindebau in Alsergrund nach Friedl Dicker-Brandeis benannt

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Wohnhaus Althanstraße 33 trägt nun Namen von jüdischer Wiener Innenarchitektin


Friedericke „Friedl“ Dicker-Brandeis war eine Wiener Innenarchitektin und Malerin, der es Anfang des letzten Jahrhunderts gelang, sich in einer Männerdomäne durchzusetzen. Nach ihrer Deportation ins Ghetto Theresienstadt, wo sie Kindern mit Zeichenunterricht Überlebenshilfe bot, wurde die Jüdin 1944 in Auschwitz-Birkenau ermordet. Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und die Bezirksvorsteherin des 9. Wiener Gemeindebezirks, Martina Malyar, gedachten ihrer Persönlichkeit bei der Benennung des Gemeindebaus Althanstraße 33 in Friedl Dicker-Brandeis-Hof.

„Wir setzen hier ein sichtbares Zeichen der Wertschätzung. Trotz emanzipationsfeindlichem Hintergrund vermochte es Friedl Dicker-Brandeis Talent und Können erfolgreich in die Praxis umzusetzen. Das verdient unbedingt Anerkennung!“, ging Stadtrat Ludwig auf die schwierigen Rahmenbedingungen für Frauen bei der Berufsausübung Anfang des 20. Jahrhunderts ein. „Gleichzeitig dient uns ihr Schicksal – die barbarische Ermordung in Auschwitz-Birkenau – als Mahnung, kontinuierlich den hohen Wert unserer Demokratie zu betonen und alles Mögliche zu unternehmen, dass faschistischen Tendenzen von Beginn an vehement und entschieden entgegengetreten wird“, sprach er die Notwendigkeit steter Bildungs- und Erinnerungsarbeit an.

„Ich freue mich sehr darüber, dass zum ersten Mal in der Geschichte des 9. Bezirks ein Gemeindebau nach einer Frau benannt wird. Einer jüdischen Innenarchitektin, die mit nur 46 Jahren Opfer des Holocaust wurde“, betonte die Alsergrunder Bezirksvorsteherin Martina Malyar beim Festakt am Mittwoch.

Friedericke „Friedl“ Dicker-Brandeis

Friedericke „Friedl“ Dicker-Brandeis wurde am 30. Juli 1898 in Wien geboren. Die Malerin, Innenarchitektin, Designerin und Bühnenbildnerin entstammte einem jüdisch-bürgerlichen Elternhaus und wuchs beim Vater auf – ihre Mutter starb, als sie 4 Jahre alt war. Dicker-Brandeis studierte 1914 bis 1915 Photographie und Reproduktionstechnik bei Johannes Itten an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Es folgte eine Studienzeit am Bauhaus in Weimar.

Nach einem kurzen Berlin-Aufenthalt kehrte sie nach Wien zurück und gründete gemeinsam mit Fritz Singer das Atelier „Singer-Dicker“ in der Alsergrunder Wasserburgergasse, welches aufgrund gemeinsamer privater Turbulenzen 1931 aufgelöst wurde. Der Arbeitsschwerpunkt lag vor allem auf Wohnungsumbauten und Einrichtungen. In den Dreißiger Jahren lud Dicker-Brandeis die Stadt Wien ein, Kurse für Kindergärtnerinnen zu halten. Dabei machte sie sich reformpädagogische Methoden u.a. von Montessori zunutze.

Dicker-Brandeis war Mitglied der Kommunistischen Partei und wurde als solches 1934 verhaftet. Später emigrierte sie nach Prag, wo sie 1936 Pavel Brandeis ehelichte. Das Paar verzichtete auf die Flucht, lebte von 1938 bis 1942 in Hronov (nordöstlich von Prag) und wurde am 17. Dezember 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Friedl Dicker-Brandeis gab dort Zeichenkurse und sorgte so für ein wenig Freude bei den Kindern. Mit einem der letzten Zugtransporte folgte am 6. Oktober 1944 die Deportation nach Auschwitz-Birkenau. Drei Tage später, am 9. Oktober 1944, wurde sie ebendort ermordet. Ihr Mann überlebte das Vernichtungslager.

Der Gemeindebau Althanstraße 33

Nachdem das Grundstück von Privat- in Gemeindebesitz übergegangen war, wurde 1957 die Baubewilligung für die Adresse Althanstraße 33 erteilt. 1959 wurde der sechsgeschoßige Gemeindebau mit seinen 17 Wohnungen - Architekt war Franz Kahrer - bezogen. Dieser blieb bis heute im Wesentlichen unverändert, lediglich kleinere Umbauten erfolgten. (Schluss) ah

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