Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 05.11.2015:
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Fachtagung MA 22 und Tierschutzombudsstelle: Fairer Umgang mit Tieren in der Lebensmittelproduktion

Perspektiven, Chancen und neue Initiativen für ProduzentInnen, Handel und KonsumentInnen

„Guter Geschmack … beginnt beim fairen Umgang mit Tieren als Lebesmittel(lieferantInnen)“ – so das Motto der heutigen Fachtagung mit ExpertInnen, ProduzentInnen, VertreterInnen des Handels und NGOs zum Thema achtsamer und fairer Umgang mit Tieren in der Lebensmittelproduktion. Die Veranstaltung im Parkhotel Schönbrunn wurde von der Wiener Umweltschutzabteilung – MA 22 und der Tierschutzombudsstelle Wien (TOW) initiiert und organisiert.

„Gerade angesichts der aktuellen Diskussion, ob nun Fleisch- und Wurstwaren für Menschen gefährlich sein können – oder auch nicht, sollte ein weiterer zentraler Aspekt nicht unbeachtet bleiben: Wie geht es eigentlich den Tieren in den Betrieben der Lebensmittelproduktion?“, so Karin Büchl-Krammerstätter, Leiterin der Wiener Umweltschutzabteilung – MA 22 und Eva Persy, Leiterin der Tierschutzombudsstelle Wien (TOW), die die Initiative „Guter Geschmack – Gutes Gewissen“ gemeinsam ins Leben gerufen haben. Die Initiative will positive Entwicklungen unterstützen – und die Auswirkungen des Lebensmittelkonsums auf Umwelt, Tier und Mensch aufzeigen.

Erklärtes Ziel der heutigen Veranstaltung war es, bewusstseinsbildend zu wirken, Vernetzungen zu fördern, Lösungsvorschläge zu erarbeiten, und neue Initiativen zu ermöglichen. Ob artgerechte Freilandhaltung, keine Massentierhaltung, keine Mast, keine Enthornung, keine Kastration, angst- und stressfreie Schlachtung: es gibt bereits einige vorbildhafte Beispiele dafür, wie ein fairer, achtsamer und würdevoller Umgang mit Tieren in der Lebensmittelproduktion sehr wohl möglich ist.

Kein Tierleid und kein Fleisch wegwerfen

„Ob man Fleisch oder auch Fisch isst, ist eine Frage der höchstpersönlichen Wertehaltung und die Entscheidung jedes einzelnen“, betont Büchl-Krammerstätter. „Zwei Aspekte sollten jedoch für jeden absolut inakzeptabel sein: Fleisch oder Fisch wegzuwerfen – denn dann ist ein Tier für den Müll gestorben. Genauso unmöglich sollte es sein, in Kauf zu nehmen, dass Tieren Leid zugefügt wurde, solange sie lebten oder nicht tiergerecht und fair mit ihnen umgegangen wurde.“ Büchl-Krammerstätter betont: „Massentierhaltung hat massive Umweltschäden zur Folge, zerstört kleinbäuerliche Strukturen und verursacht Tierleid.“ Sie weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine derartige Haltung auch in Österreich erlaubt ist; dass Tiere in Bodenhaltung leben, Tiere nie eine Weide sehen – und es sogar in der Biohaltung zulässig ist, Rinder und Ziegen ihrer Hörner zu berauben.

Eva Persy, Leiterin der Tierschutzombudsstelle Wien ergänzt: „Daher wollen wir mit den bei unserer Tagung vorgestellten Beispielen illustrieren, wie Lebensmittelproduktion auch ohne Tierleid ablaufen kann. Wir zeigen, dass ein achtsamer und fairer Umgang mit Tieren auch in der Landwirtschaft und in Lebensmittelbetrieben möglich ist – und auch schon gelebt wird“

Ziele der Tagung

Die Fachtagung soll zeigen, wie unter den aktuellen Rahmenbedingungen mit anderen Lebewesen respekt- und würdevoll umgegangen werden kann, und das ganz ohne Widerspruch zu einem genussvollen Lebensstil und im Einklang mit wirtschaftlichem Erfolg. Dabei gilt es, auf der Tagung verschiedenen Perspektiven gleichermaßen Raum zu geben:

  • der alltäglichen persönlichen Verantwortung und Möglichkeiten als KonsumentIn
  • der professionellen individuellen Verantwortung und Möglichkeiten als Player im Thema
  • der kollektiven Verantwortung und Gestaltungsspielräume in der Gesellschaf

Im Zentrum standen ganz konkrete Möglichkeiten, Beispiele und Erfolgsgeschichten und die Gelegenheit zur Vernetzung sowie zur Formulierung neuer Ideen und Initiativen dazu. Es geht um einen differenzierter Blick auf Handlungsoptionen, etwa beim Thema Fleischkonsum. Neben der Botschaft „kein Fleisch“ soll auch die Fragestellung Platz haben: Wenn schon Fleisch konsumiert wird – was sind die wichtigsten ethischen Grundsätze, die beachtet werden müssten? Wie beispielsweise:

  • Welche Alternativen zu Fleisch gibt es?
  • Wie viel Fleisch?
  • Wie viel Fleisch werfen wir weg?
  • Aus welcher Herkunft, welcher Haltung, welcher Schlachtung stammt es?
  • Wie wurden die Tiere transportiert?
  • Welche Stücke werden verzehrt – und welche nicht?

Die Impulsreferate hochrangiger ExpertInnen

Kurt Remele ist Theologe, Ethiker, Fellow des Oxford Centre for Animal Ethics. Er spricht über die Mensch-Tier-Beziehung – historisch und heute.

Helga Kromp-Kolb ist Meteorologin, Klimaforscherin und Nachhaltigkeitsexpertin. Ihr Thema ist erhöhte Resilienz – verantwortungsvoller Umgang macht unsere Systeme widerstandfähiger.

Melanie Joy ist US-amerikanische Sozialpsychologin, Publizistin und Buchautorin. Sie spricht über mehr Lebensqualität durch bewusste ethische Entscheidungen und präsentiert dazu aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse.

Franz-Josef Kögel ist Urkraft-Bauer. Er berichtet unter anderem über wirtschaftliche Perspektiven durch die Umstellung eines Betriebes auf tiergerechte Haltung – auch in kleinen und mittleren Strukturen.

Tanja Kutzer leitet die Tierprojekte bei der Schweizer KAGfreiland. Die KAGfreiland ist das strengste Bio-Label der Schweiz, setzt sich seit 1972 für die artgerechte Haltung von Nutztieren ein und kämpft gegen Missstände in der Tierhaltung.

„Marktplatz“ der VorreiterInnen

Nach den Impulsreferaten der ExpertInnen wurden bei der Fachtagung vorbildliche Initiativen und Betriebe präsentiert, die zumindest einzelne Aspekte eines fairen Umgangs mit Tieren in der Lebensmittelproduktion bereits umgesetzt haben bzw. unterstützen:

  • ARCHE Austria: Der Verein zur Erhaltung seltener und gefährdeter Nutztierrassen,die sich für Freilandhaltung bestens eignen.
  • animal.fair: Informationen rund um ethisches Einkaufen: tierfreundlich, menschenfreundlich und umweltfreundlich.
  • Biohof Labonca: 400 Schweine sowie Rinder und Hühner in ganzjähriger Freilandhaltung und angstfreie Schlachtung.
  • Demeter: artgerechte Tierhaltung – ohne Enthornung.
  • Future Food: Durch die Förderung der Entwicklung von pflanzlichen Alternativen können tierische Produkte ersetzt werden.
  • herzlichst, ANNA’s: Lebensmittel direkt von Kleinbauern in Bio-oder Demeter-Qualität – ohne Massentierhaltung, ohne Mast, in artgerechter Haltung und artgerechter Schlachtung.
  • Hofer – Zurück zum Ursprung: Das unabhängige Prüfzeichen „Tierschutz geprüft“ u.a. mit 80 Tagen Auslauf im Freien, davon mindestens 120 Tage Weidehaltung.
  • KAGfreiland: Das tierfreundlichste Bio-Label der Schweiz und das Projekt „Eber statt Kastraten“.
  • Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser: regionale und Bio-Lebensmittel,der „natürlich gut Teller“, Initiativen zur Lebensmittel-Abfallvermeidung.
  • Toni’s Handels GesmbH: Lebensbedingungen für Hühner und Hähne, die über die gesetzlichen Bestimmungen für Freilandhaltung hinausgehen.
  • URIA – Verein zur Forderung einer neuen Art der Tierhaltung: Beratung,Lobbyarbeit, keine Schlachttiertransporte, keine Ohrmarken
  • Verein gegen Tierfabriken: Informationen Initiativen des Tierschutzvereines.
  • Vier Pfoten: Der Tierschutzverein und seine Initiative „friendly food – Gut für Gesundheit, Tiere und Klima“
  • Wrapstars: Der erste österreichische Foodtruck bietet Slow Fast Food.
  • Universität für Bodenkultur: Die Kuhpraktiker-Ausbildung am Institut für Nutztierwissenschaften, Department für Nachhaltige Agrarsysteme
  • Wiener Umweltschutzabteilung – MA 22: Die Programme „ÖkoKauf Wien“ für ökologische Beschaffung und der „ÖkoBusinessPlan Wien“ für Unternehmen

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