Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 10.02.2014:
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Wehsely präsentierte Studie zum psychosozialen Einfluss auf Geburtsmethoden

Wehsely präsentierte Studie zum psychosozialen Einfluss auf Geburtsmethoden

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Gemeinsame Analyse des Wiener Programms für Frauengesundheit und des KAV


Eine optimale Geburtshilfe geht auch mit der Zufriedenheit von Mutter und Vater einher. Dabei spielt die Betreuung durch alle beteiligten Berufsgruppen während der Schwangerschaft, aber auch nach der Geburt des Kindes eine wichtige Rolle. Das Wiener Programm für Frauengesundheit der MA 15 -Gesundheitsdienst der Stadt Wien hat mit dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) eine repräsentative Studie mit 1.829 Frauen im Wochenbett durchgeführt. Erhoben wurden sowohl psychosoziale Einflussfaktoren auf Geburtsmethoden als auch das Wissen der Frauen über die vorhandenen Möglichkeiten.

Auch in Österreich gestiegene Sectiorate

Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely zeigt sich über ein zentrales Ergebnis der Studie erfreut: "Dreiviertel der Frauen, die in Wiener Gemeindespitälern ihr Kind entbinden, sind mit der Betreuung sehr zufrieden." Ein medizinisch indizierter Kaiserschnitt kann das Leben von Mutter und Kind retten, doch die international steigende Kaiserschnittrate (Sectiorate) machte sich in den vergangenen Jahren auch in Österreich bemerkbar. "Ziel der breit angelegten Studie war es, einerseits herauszufinden, was dazu führen könnte, dass Frauen vermehrt per Kaiserschnitt entbinden", so die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte und Psychologin Beate Wimmer-Puchinger, "generell stand aber das subjektive Befinden von Frauen im Wochenbett im Fokus." Und die Stadträtin fügt hinzu, dass "Ansatzpunkte gefunden werden sollten, um die Gesundheit und Zufriedenheit von Frauen in der Zeit vor und nach der Geburt so gut wie möglich zu fördern".

In Österreich kamen im Jahr 2012 29,4 Prozent der Kinder per Kaiserschnitt zur Welt. Dies liegt über dem OECD-Durchschnitt von 26,7 Prozent (OECD Health Data, 2013). Österreichweit stieg die Sectiorate seit dem Jahr 2000 um 12,4 Prozent. In Wien lag sie zuletzt knapp über 30 Prozent (Statistik Austria, 2012).

Risiko- und Einflussfaktoren für ein negatives Geburtserlebnis

Im Rahmen der Studie wurden in den sieben geburtshilflichen Abteilungen des Wiener KAV 1.829 Frauen im Wochenbett mit mehrsprachigen Fragebögen befragt. Rund ein Viertel der befragten Frauen gab an, große Angst vor der Geburt gehabt zu haben. Diese Frauen entbanden zu 38% per Sectio. "Deshalb ist es uns wichtig, werdende Mütter so umfassend wie möglich zu informieren, damit sie selbstbewusst mitreden können, wie sie ihr Baby im besten Fall auf die Welt bringen wollen", so der Vorstand der gynäkologischen und geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses Hietzing Paul Sevelda.

Eine zentrale Ursache für die gestiegene Sectiorate konnte nicht gefunden werden. Häufig genannte Faktoren wie Altersstruktur der Mütter, Bildung oder medizinische Indikationen sind nicht alleine verantwortlich für den deutlichen Anstieg. Hingegen begründen relative Indikatoren wie ein vorangegangener Kaiserschnitt, eine ungünstige Kindeslage oder Frühgeburt laut den AutorInnen der vorliegenden Studie die gegenwärtige Entwicklung. Auch zeigte sich die Geburtsangst der Mutter als kritischer Faktor. Ein Kaiserschnitt bedeutet aber neben seiner in bestimmten Fällen lebensrettenden Funktion einen zusätzlichen Belastungsfaktor im Wochenbett: Die Studie zeigte, dass Mütter mit vaginaler Geburt im Durchschnitt nach der Geburt deutlich weniger Schmerzen haben, sie fühlen sich kraftvoller und stärker als Frauen nach einem Kaiserschnitt. Ob jedoch eine Schnittgeburt eine Frau auch psychisch belastet, hängt von mehreren Faktoren ab: ihrem sozialen Netz, ihrer finanziellen Situation sowie ihrem bisherigen Umgang mit kritischen Lebenssituationen. Grundsätzlich wird eine geplante Sectio besser verkraftet als eine ungeplante. Auch weisen Metaanalysen daraufhin, dass Mütter mit einer Sectio im Vergleich geringere Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis zeigen, weniger stillten und längere Zeit bis zum psychologisch wichtigen ersten Mutter-Kind-Kontakt warten mussten.

Laut der internationalen Literatur existieren neben einer Sectio aber auch andere Risikofaktoren für ein negatives Geburtserlebnis: negative Zusammenarbeit von Mutter und Pflegepersonal, psychologische Probleme in der Vorgeschichte der Mutter, Kontrollverlust, fehlende Unterstützung des Partners oder der Partnerin oder beispielsweise die Angst um das eigene oder um das Leben des Kindes.

Aus der Studie abgeleitete Handlungsempfehlungen

Die Befragung illustriert, dass Frauen eine natürliche Geburt bevorzugen, wenn keine medizinischen Aspekte für eine Schnittentbindung sprechen. 84 Prozent der Mütter, die "natürlich" entbunden haben, würden dies vorbehaltlos einer Freundin empfehlen. Nach einem Kaiserschnitt würden nur 24 Prozent der Frauen zu diesem Geburtsmodus raten. Lediglich 1,5 Prozent der Befragten wünschen sich dezidiert auch ohne medizinische Notwendigkeit eine Sectio.

"Aus Erfahrung wissen wir, dass rechtzeitige Information und eine enge Zusammenarbeit zwischen medizinischem, psychologischem sowie sozialarbeiterischem Personal helfen kann, mögliche spätere Krisensituationen zu verhindern", so die Frauengesundheitsbeauftragte Wimmer-Puchinger. Aus den Ergebnissen der Studie "Psychosoziale Einflussfaktoren auf Geburtsmethoden und Zufriedenheit" konnten die ExpertInnen Handlungsempfehlungen ableiten, die nun interdisziplinär erarbeitet werden. Um über die Kurz- und Langzeitfolgen der verschiedenen Geburtsmodi genauer zu informieren, entwickelt das Wiener Programm für Frauengesundheit derzeit eine Informationsbroschüre. Weiters sollen Empfehlungen von Fachgesellschaften zu Indikationen für Sectioentbindung bei Risikokonstellationen nach dem Vorbild der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe entwickelt werden. Und neben dem Ausbau einer niederschwelligen Geburtsvorbereitung ist es wichtig, dass die psychische Belastung von Frauen durch eine Sectioentbindung mehr Berücksichtigung findet.

Zahlreiche Angebote für Frauen in den Gemeindespitälern

Im Sinne einer ganzheitlichen Betreuung bieten die MitarbeiterInnen der geburtshilflichen Abteilungen in den KAV-Häusern bereits jetzt eine Vielzahl von Leistungen an, die sich an den körperlichen und seelischen Bedürfnissen von Eltern und Babys orientieren. In den mehrwöchigen Geburtsvorbereitungskursen unter Anleitung von Hebammen oder Physiotherapeutinnen lernen die werdenden Mütter (und Väter) ihr geburtsbegleitendes Team kennen, aber auch praktische Übungen zur Entlastung der Wirbelsäule oder zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur. AnästhesistInnen informieren über die verschiedenen Möglichkeiten der Schmerzlinderung bei der Geburt. Diplomierte Stillberaterinnen informieren über Vorteile und Möglichkeiten des Stillens. An allen Abteilungen stehen rund um das Thema Geburt u.a. DiätologInnen, PsychologInnen und SozialarbeiterInnen zur Verfügung. Letztere beraten und unterstützen, wenn schwangere Frauen in psychische oder soziale Notlagen geraten. Ebenso kann jede Schwangere in Wien die Angebote der Familienhebammen der MA 15 kostenlos nutzen.

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