Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 14.11.2013:
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Ulrich Seidl erhielt Goldenes Wiener Ehrenzeichen

Ulrich Seidl erhielt Goldenes Wiener Ehrenzeichen

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Mailath: "Seidls Bildsprache ist authentisch und originär"; zur Situation der Filmförderung: "Filmförderung in Wien ist ein gut funktionierendes System und soll so beibehalten werden"


Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Ulrich Seidl wurde heute, Donnerstag, im Wiener Rathaus mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien ausgezeichnet. Zahlreiche Freunde, KollegInnen und WeggefährtInnen kamen ins Wiener Rathaus, um an der Feierstunde teilzunehmen, allen voran Michael Haneke mit Ehefrau Susanne, Regisseur Michael Glawogger, die Schauspielerinnen Maria Hofstätter, Margarethe Tiesel und Anne Bennent, Heinrich Mis, Film- und Serienchef des ORF, Alexander Horwath, Direktor des Österreichischen Filmmuseums, Claus Philipp, Leiter des Stadtkinos im Künstlerhaus und Gerlinde Seitner, Geschäftsführerin Filmfonds Wien. Die wunderbare Musik kam von Otto Lechner, der auf seinem Akkordeon improvisierte.

"Der österreichische Film ist in der Mitte der österreichischen Gesellschaft angekommen. Ein Fortschritt, der naturgemäß mit den Akteuren zu tun hat, den Regisseuren, Produzenten und Schauspieltalenten", sagt Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny im Rahmen der Verleihung. "Es hat aber auch mit einem funktionierenden Fördersystem zu tun und mit dem von der Struktur her gemeinsamen Bemühen, die Filmschaffenden bestmöglich zu unterstützen. Die Stadt hat mit dem Filmfonds Wien eine der bestdotierten regionalen Förderstelle und ich bin dafür, dass er als ein solcher auch bestehen bleibt", erteilt der Stadtrat dem Vorschlag Stefan Ruzowitzkys, die Filmförderung von Wien, Niederösterreich und Burgenland zusammenzulegen, eine Absage: "Ich halte die Zusammenlegung für keine gute Idee. Die Filmförderung in Wien ist ein gut funktionierendes System und sollte daher so beibehalten werden." Ulrich Seidls Filmsprache würdigte Stadtrat Mailath "als originär, eigenständig und authentisch": "Es sind Bilder, die in unseren Köpfen bleiben, Bilder, die polarisieren, Bilder, die weltweit verstanden werden."

Das großartige Satire-Duo Stermann & Grissemann hielt - jedoch getrennt und jeder für sich - eine Laudatio auf den Filmemacher. Dirk Stermann, der eine kleine Rolle in Seidls "Hundstage" spielte, schilderte auf gewohnt humorvolle Art seine Erlebnisse während der Dreharbeiten und stellte schlussendlich fest: "Dass ich jahrelang dachte, Maria Hofstätter sei verrückt, dafür möchte ich Ulrich Seidl danken".

Christoph Grissemann erzählte von einem gemeinsamen Abendessen mit Ulrich Seidl in Mombasa, bei dem ihm der Filmregisseur für sich einnahm: "Weil er streng und albern gleichzeitig sein kann, weil er small talk hasst, weil er uneitel über seine Meisterwerke sprach, er der liebenswerteste Sadist ist, den ich kenne, und weil er die Rechnung für das Abendessen bezahlte".

In seinen Dankesworten stellte Ulrich Seidl "Mutmaßungen und Vermutungen" über die Verleihung eines Ehrenzeichens an: Erst über die Freude, die das Ehrenzeichen mit sich bringt, dann über seine Ängste, es könnten ihm keine Dankesworte einfallen, über seine Depression, er wäre ehrenzeichenwürdig wegen des Alters, das unaufhörlich näher rückt, um sich letztlich zu trösten: Er sei noch nicht so alt, dass er das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern bekäme.

Kurzbiographie Ulrich Seidl

Seidl wurde 1952 in Wien geboren und wuchs in Horn auf. Er studierte Publizistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft an der Universität Wien. In seinen Dokumentationen und Spielfilmen entwickelte Seidl eine eigene Bildsprache, die großes Aufsehen in der Filmwelt und beim Publikum hervorrief.

Mit 26 Jahren entschloss er sich, die Filmakademie zu besuchen (1978-1982) und debütierte mit dem Film "Einsvierzig" (1980) sowie dem umstrittenen Film "Der Ball" (1982). Im Jahr 1989 entstand "Krieg in Wien", bekannt wurde Seidl aber 1990 mit "Good News. Von Kolporteuren, toten Hunden und anderen Wienern", einem Film über die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Wiener Zeitungskolporteuren. Es folgten "Mit Verlust ist zu rechnen" (1993), ein Film über österreichisch-tschechische Grenzbegegnungen, sowie "Die letzten Männer" (1994), in dem er sich mit der Vorliebe österreichischer Männer für asiatische Ehefrauen auseinander setzt. Im Jahr 1994 kam "Tierische Liebe" heraus, eine umstrittene satirische Dokumentarstudie über die Tierleidenschaft vieler Österreicher. Im Jahr 1997 entstand das Porträt eines ungewöhnlichen Mathematiklehrers mit dem Titel "Busenfreund".

Mit der Semidokumentation "Models" (1998) über das Leben des Modeldaseins wagte Seidl erstmals den Schritt in eine neue Richtung, weg vom reinen Dokumentarfilm hin zum Spielfilm. Sein erster Spielfilm "Hundstage" markierte eine bedeutende Weiterführung dieser Idee und kam zu internationalen Ehren: Mit "Hundstage" gewann Seidl 2001 den Großen Preis der Jury bei den 58. Filmfestspielen in Venedig.

Mit seinem Dokumentarfilm "Jesus, Du weißt" (2003), einem ungewöhnlichen Porträt von Menschen und ihrer ganz persönlichen Beziehung zu Jesus Christus, hatte Ulrich Seidl ebenfalls großen Erfolg: So wurde der Streifen in Karlovy Vary, bei der Viennale und in Montreal ausgezeichnet und lief auf mehreren internationalen Festivals.

2003 gründete er die Ulrich Seidl-Film und produzierte "Import Export", der 2007 im Wettbewerb von Cannes seine Uraufführung hatte. 2004 inszenierte er an der Volksbühne Berlin "Vater unser", 2006 den Kurzfilm "Brüder lasst uns lustig sein. Eine Mozartfilmminute". Seidl unterrichtet seit 2001 an verschiedenen Filmhochschulen und Akademien.

2012 war Seidl zu den Wiener Festwochen mit der Inszenierung von "Böse Buben / Fiese Männer" nach David Foster Wallace eingeladen. Ab 2012 präsentierte Seidl die "Paradies"-Trilogie jeweils auf einem internationalen A-Festival: "Paradies: Liebe" ( 2012 in Cannes), "Paradies: Glaube" (2012 in Venedig) sowie "Paradies: Hoffnung" (2013 auf der Berlinale).

Ulrich Seidl wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Filmpreisen ausgezeichnet, u. a. des Großen Preis der Jury in Cannes für "Hundstage" (2001), den Spezialpreis der Jury, Venedig, für "Liebe: Glaube" (2012) und den Österreichischen Filmpreis in der Kategorie bester Spielfilm und beste Regie (2012) . Den Wiener Filmpreis erhielt er zweimal, 1991 für "Good News" und 2013 für "Paradies: Liebe".

Rückfragehinweis für Medien

  • Renate Rapf
    Mediensprecherin StR. Andreas Mailath-Pokorny
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