Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 06.03.2013:
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Sima/Le Strat zu Folgen der Wasser-Privatisierung in Paris

Sima/Le Strat zu Folgen der Wasser-Privatisierung in Paris

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"Wasser ist öffentliches Gut, keine Ware!"


Einen "Live"-Bericht über die dramatischen Konsequenzen der Privatisierung der Wasserversorgung in Paris und die Motivation der von ihr 2008 mit-initiierten Re-Kommunalisierung lieferte heute die Pariser Umweltstadträtin Anne Le Strat (zuständig für Wasser, Abwässer und Kanalverwaltung) in einem Hintergrundgespräch mit Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima.

Le Strat war seit 2001 Mitglied des Gemeinderats von Paris, seit 2008 ist sie Stadträtin und auch Vorsitzende von Eau de Paris, jener Gesellschaft, die als kommunale Einrichtung wieder für die gesamte Wasserversorgung zuständig ist. Seit 2009 ist sie auch Präsidentin von Aqua Publica Europea, der europäischen Vereinigung für die Bewirtschaftung des Wassers, die europaweit eine starke öffentliche Daseinsvorsorge eintritt.

Paris: Wasserversorgung nach 25 Jahren wieder in kommunalen Händen

Die Stadt Paris hat sich 2008 - nach 25 Jahren, in denen die Wasserversorgung privatwirtschaftlich ausgelagert war - aus politischen als auch wirtschaftlichen Überlegungen entschieden, die gesamte Wasserversorgung wieder in kommunale Hände zu nehmen. "Wasser ist ein wesentliches öffentliches Gut, eine Ressource, die durch einen sozialen und verantwortungsbewussten Umgang genutzt und erhalten werden muss", so Le Strat.

1984 hatte die Stadt Paris beschlossen, die Wasserversorgung für einen Zeitraum von 25 Jahren an zwei private Anbieter auszulagern: und zwar für die Gebiete am rechten Seine-Ufer an die "Compagnie des Eaux de Paris" (die zum Veolia-Konzern gehört) und linksseitig der Seine an die zum Suez-Konzern gehörende "Force-Parisienne des Eaux". Die Wasserbereitstellung wiederum wurde einer eigens dafür geschaffenen Gesellschaft übertragen, der "Société anonyme de gestion des Eaux de Paris" (SAGEP), die dann später in "Eau de Paris" umbenannt wurde.

Mit der Rückkehr zum Kommunalbetrieb 2008, durch den im Jahr geschätzte 35 Millionen Euro gewinnbringend erwirtschaftet werden können, konnte die Stadt Paris die enorme Wasserverteuerung stoppen. Diese betrug 260 % im Auslagerungszeitraum. Im Juni 2011 konnte Paris eine 8 % Preissenkung für Trinkwasser durchführen. Auch kann nun wieder langfristig geplant werden, die Gewinne fließen in die Infrastruktur der Wasserversorgung. Auch die Kontrolle wird wieder von Seiten der Stadt gewährleistet.

Dem kommunalen Regiebetrieb "Eau de Paris" obliegen seit 1. Jänner 2010 sämtliche Aufgaben der Pariser Wasserversorgung: Bereitstellung, Transport, Zuleitung, Qualitätskontrolle und Rechnungslegung.

Im Zentrum stehen nun wieder Umwelt- und Landschaftsschutz und auch ein besseres langfristiges Ressourcen- und Qualitätsmanagement. "Die Wasserversorgung neu als öffentliche Daseinsvorsorgeleistung entspricht mit ihrer sozialen Komponente und einer stärkeren Einbindung der Verbraucher auch den grundlegenden sozialen und demokratischen Forderungen, denen sich die Stadtverwaltung Paris verschrieben hat", so Le Strat.

Wien kämpft weiter auf allen Ebenen für eine starke kommunale Daseinsvorsorge

Für Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima zeigt das Beispiel Paris einmal mehr, wie wichtig es ist, in den so zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge keinen Millimeter locker zu lassen: "Wien wird auch weiterhin für eine starke kommunale Versorgung in den Bereichen Wasser, Abwasser und Müll sorgen und natürlich auch auf EU-Ebene weiter kämpfen", so Sima.

Die Debatte um die EU-Konzessionsrichtlinie sei noch lange nicht erledigt, sie warnt vor verfrühter Euphorie: "Hier geht es nicht um Panikmache. Die Richtlinie betrifft alle Gemeinden sehr stark - denn die bisherige Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden ist gefährdet", erläutert Sima die Bedrohung der sogenannten interkommunalen Zusammenarbeit. Denn bisher können Gemeinden unbürokratisch füreinander Aufgaben der Ver- und Entsorgung übernehmen.

Zerschlagung gut funktionierender Strukturen

So entsorgt Wien die Abwässer von Anrainergemeinden und versorgt auch Gemeinden entlang der Hochquellenleitungen mit kristallklarem Wasser. "Diese Zusammenarbeit macht Sinn, ist unbürokratisch und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger", stellt Sima klar. Künftig müssen diese Aufgaben europaweit ausgeschrieben werden, Private drängen auf den Markt, der bürokratische Aufwand wäre enorm: "Die Zerschlagung der perfekt funktionierenden Strukturen der nachbarschaftlichen Kooperation der Gemeinden ist eine reale Gefahr", warnt Sima und fordert daher einmal mehr, die Daseinsvorsorge aus der Richtlinie auszunehmen.

Wien hat starke Partner im Kampf gegen die Richtlinie, auf EU-Ebene haben indes schon über 1,2 Mio. Menschen das EU-Bürgerbegehren gegen Privatisierung unterschrieben. Alle Infos dazu auf www.right2water.eu

Auch von der Wiener Volksbefragung erwartet sich Sima ein starkes Signal nach Brüssel. Diese findet von 7.-9. März statt, alle Infos dazu auf www.wien.gv.at.

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