Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 30.05.2012:
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62. Städtetag: Festredner Flassbeck "Währungsunion neu definieren"

Als Festredner kam bei der Eröffnung des 62. Städtetages in Dornbirn heute Heiner Flassbeck, Chefökonom bei der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) zu Wort. Er bezog Stellung zu der der brisanten Frage "Wie ist der Euro noch zu retten"? Zu Beginn stellte er fest, dass eine Rettung des Euro durchaus möglich sei, allerdings sei "der Patient sehr krank und eine Behandlung ist in den vergangenen drei Jahren nicht gelungen, weil die falsche Medikation" erfolgt sei. Das Grundproblem sei eine völlig falsche Definition der Währungsunion - er forderte daher, "bisherige Rezepte fundamental zu hinterfragen und die Währungsunion neu zu definieren".

Er erklärte die Finanzpolitik von Österreich als "beispielgebend" für den richtigen Umgang mit der Währungsunion: Österreich sei de facto bereits 1973 eine Währungsunion mit Deutschland eingegangen, indem es den Schilling an die D-Mark gekoppelt habe, es habe auch erfolgreich dieselben Inflationsziele verfolgt. Flassbeck: "Dieses Modell eines kleinen Landes war erfolgreich. Das wäre auch das Modell für Europa gewesen, aber es wurde nicht beherzigt", kritisiert Flassbeck, der selbst einmal Staatssekretär im deutschen Finanzministerium war. "Die Staatsschulden sind nicht das Problem der Eurozone", erklärte Flassbeck, "das größte Problem der Währungsunion sind die unterschiedlichen Entwicklungen der Löhne und Preise". So sei die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu Lasten der anderen EU-Länder gegangen. Deutschlands Regierung hat einseitig die Lohnentwicklung gebremst mit der Auswirkung, dass zwar die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gesteigert, aber gleichzeitig der Binnenmarkt zerschlagen wurde. Flassbeck: "Wir sind in Europa, wir sollten uns gegenseitig stützen."

Eine Lösung des Problems sieht er folgerichtig nicht in rigorosen Sparprogrammen, sondern einer Vereinheitlichung der Löhne und damit letztlich der Preise in der Eurozone. Auch die Unternehmen seien an dieser Stelle in die Verantwortung zu nehmen: Anstatt ihre Ersparnisse dem Wirtschaftskreislauf zu entziehen, sollten sie wieder investieren und damit die Konjunktur in Schwung halten. Flassbeck bezog auch Stellung zur aktuellen Diskussion um einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Eurozone: "Es ist ein unglaublicher Zynismus, der da derzeit vorherrscht", so Flassbeck, "natürlich sind in Griechenland Fehler passiert, aber Griechenland ist nicht an allem Schuld und ein Rauswurf aus der Euro-Zone würde das Problem nicht lösen."

Flassbeck: "Wir müssen unser Wirtschaftssystem vom Kopf auf die Füße stellen". Er empfiehlt eine Angleichung der Nominallöhne, um letztlich zu einem völlig neuen Konzept der Währungsunion zu kommen.

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