Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 08.03.2012:
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Internationaler Frauentag im Wien-Haus in Brüssel

Internationaler Frauentag im Wien-Haus in Brüssel

Copyright: Julie Moreau de Bellaing / Wien-Haus

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Enquete zur Überwindung von Geschlechterstereotypen in Europa und Wien


Während die Frauenabteilung im Wiener Rathaus die Enquete "Gleich gut verteilt" abhielt, fand ebenfalls am 7.3. im Wien-Haus in Brüssel eine Veranstaltung zum Internationalen Frauentag statt. "Dass Frauenpolitik an der Spitze der Europäischen Kommission ernst genommen wird, zeigen die jüngste Initiative von Justizkommissarin Vivienne Reding zur einer verpflichtenden Quote für Frauen in Aufsichtsräten, aber auch zahlreiche Aktivitäten des Europäischen Parlaments," so Michaela Kauer, Leiterin des Verbindungsbüros der Stadt Wien. "Veranstaltungen dieser Art sind immer ein gute Gelegenheit, interessante Beispiele aus Wien vor den Vorhang zu holen", betonte Susanne Strohm, Leiterin des Büros Brüssel der Wirtschaftsagentur Wien, die in ihren Begrüßungsworten an die 101jährige Geschichte des Internationalen Frauentags erinnerte. An der Veranstaltung, zu der das Büro Brüssel der Wirtschaftsagentur Wien und das Verbindungsbüro der Stadt Wien gemeinsam geladen hatten, nahmen rund 50 weibliche Führungskräfte aus den europäischen Institutionen und verschiedenen Regional- und Städtebüros teil und beteiligten sich rege an der Diskussion. Das Eröffnungsreferat hielt die Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Evelyn Regner, gefolgt von einem Gastvortrag der Schweizer Philosophin, Regula Stämpfli.

MEP Evelyn Regner: Unterstützung für Reding-Initiative

Es sei höchste Zeit, dass europaweit legislativ etwas unternommen werde, um Frauen in Vorstandsetagen zu fördern, betonte die Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Evelyn Regner, in der Eröffnungsrede. "Frauen warten schon seit viel zu langer Zeit - eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen funktioniert einfach nicht, das haben wir aus der Vergangenheit gelernt", so die Abgeordnete, die auch stellvertretende Vorsitzende des Justizausschusses ist. Es würden aber nicht "nur" Frauenquoten benötigt, sondern auch weitergehende Programme zur Förderung von Frauen im Unternehmensumfeld. Dennoch ist die EU-weite Einführung von Frauenquoten ein guter Anfang. Im EU-Parlament selbst gäbe es mehr als ein Drittel weibliche Abgeordnete, hier fände Kommissarin Reding sicherlich eine starke, fraktionsübergreifende Unterstützung.

Politikwissenschafterin Regula Stämpfli: "In media, ergo sum"

"Der Mann sieht, die Frau wird gesehen," mit diesem Satz von Simone de Beauvoir leitete Regula Stämpfli ihren Vortrag zur Rolle von Frauen in den Medien – und in der Gesellschaft ein. Ausgehend von einer pointierten Analyse der Wahrnehmung von Frauen in den Medien – als Beispiel nannte die Schweizer Politikwissenschafterin, dass Frauen acht Mal höhere Chancen hätten, mit einem Bild als mit Text und Funktion zu erscheinen" – lud Stämpfli zu einer Tour d'horizon der Geschlechterverhältnisse. Als Kernpunkte benannte sie die Frage der Armut, die nach wie vor ein Geschlecht habe, "Armut bleibt weiblich". Die Feminisierung der Berufe bringe immer Lohneinbußen, ein sinkendes Ansehen des Berufs und fehlende soziale Sicherheit mit sich - daher sei immer Vorsicht bei Biologisierungen geboten. "Sobald menschliche Handlungsweisen biologisiert werden, verlieren die Frauen," kritisierte Stämpfli. Durchaus differenziert sah sie die Forderung nach Quoten, die sie "zwar schön und nett" fände, dennoch orte sie die Gefahr einer Verfestigung des Machtverhältnisses, dass Männer geben und Frauen fordern. Wichtig sei eine klare politische Auseinandersetzung. Frauenförderung sehe sie auch als Männerförderung, "es sollte mehr über Männer- und Frauenbilder in Zeiten philosophischer und ökonomischer Grausamkeit nachgedacht werden. Denn viele Frauenfragen betreffen nicht nur das Geschlecht, sondern die Politik einer Entmenschlichung."

Gleichstellungsmonitor und Werbewatchgroup der Frauenabteilung der Stadt Wien

Die Frauenabteilung der Stadt Wien feierte kürzlich ihr 20-jähriges Jubiläum. Aus bescheidenen Anfängen wurde im Lauf der Jahre eine Abteilung, die mittlerweile 40 Personen beschäftigt und über ein operatives Budget von derzeit acht Millionen Euro verfügt. "Die Arbeit der Frauenabteilung sei gerade in krisenhaften Zeiten, in denen immer wieder Fragen nach der Wichtigkeit im Sinn von Leistbarkeit von Frauenförderung gestellt werden, so nötig wie eh und je. Erst wenn eine tatsächliche Geschlechtergleichstellung in allen Lebensbereichen erreicht sei, wäre aktive Frauenförderung nicht mehr nötig. Bis dahin habe die Frauenabteilung den Auftrag, Benachteiligungen von Frauen aufzuspüren und mit aktiven Strategien gegenzusteuern, so Martina K. Sommer. Die Mitarbeiterin der Frauenabteilung informierte über die Instrumente zur Beobachtung des Geschlechterverhältnisses, wie das Gleichstellungsmonitoring und die Watchgroup gegen sexistische Werbung.

Mit dem Gleichstellungsmonitor soll ganz genau erfasst werden, wie sich die Lebens- und Arbeitssituation von Frauen in Wien darstellt und entwickelt. Der Monitor wird erstmals 2013 und dann periodisch erscheinen und die Problemlagen und Benachteiligungen von Frauen in Wien identifizieren. "Durch das Sichtbarmachen des Ist-Zustandes sollen vorhandene Barrieren beseitigt und (Frauen-) fördernde Maßnahmen unterstützt werden. Er soll als Grundlage für die stetige Weiterentwicklung von Frauenfördermaßnahmen in Wien dienen," informierte Sommer. Großes Interesse zeigten die Teilnehmerinnen der Veranstaltung an der unabhängigen Wiener "Watchgroup gegen sexistische Werbung", die am 15. Februar 2012 offiziell ihre Arbeit aufnahm. Auf www.werbewatchgroup-wien.at können WienerInnen Beschwerden gegen sexistische Werbung einlegen. Eine ExpertInnengruppe bewertet anschließend auf der Basis eines ausführlichen Kriterienkatalogs, ob das Inserat, das Plakat, der Werbespot oder die Radiowerbung sexistisch ist und veröffentlicht die Bewertung auf der Homepage.

FemPower Vienna Initiative der Wirtschaftsagentur Wien

"In der betrieblichen Forschung in Österreich ist nur jedeR fünfte ForscherIn eine Frau," skizzierte Eva Czernohorszky, von der Technologieagentur ZIT der Wirtschaftsagentur Wien die Situation. Dies sei aus gleichstellungspolitischer Sicht eine Katastrophe, schwäche aber auch den Forschungsstandort Wien, denn "zum einen gehen hervorragende Absolventinnen der naturwissenschaftlichen und technischen Studienrichtungen in der Leaky Pipeline verloren und fehlen am Arbeitmarkt und im Wiener Innovationssystem. Zum anderen fehlen Frauen in den ForscherInnenteams." Inzwischen sei erwiesen, dass, je diverser solche Teams zusammengesetzt werden, um so vielfältiger sind die technologischen Lösungen und die potenziellen Märkte, die bei Entwicklungsprojekten bedacht werden. Und umso besser sind die Aussichten, dass neue Produkte auch wirklich erfolgreich am Markt platziert werden können.

Um den Anteil von Frauen in der Forschung zu steigern, hat die ZIT als Technologieagentur der Stadt Wien seit 2004 unter dem Titel "FemPower Vienna" einen Mix an Maßnahmen implementiert, um die Beteiligung von Frauen in der betrieblichen Forschung zu forcieren. Aktuell läuft der 4. Förderwettbewerb FemPower Vienna, bei dem betriebliche Forschungsprojekte gefördert werden, wenn sie von Frauen geleitet, maßgeblich von Frauen realisiert werden oder sich speziell mit genderspezifischen Aspekten in der Produktentwicklung beschäftigen. "Seit 2008 führen wir regelmäßig Gender Monitorings durch und stellen erste Erfolge fest: Während der Frauenanteil in allen ZIT-geförderten Projekten bei 25 Prozent Prozent liegt, konnte bei den bisher durchgeführten FemPower Calls ein Frauenanteil von 75 Prozent erzielt werden. Das bestätigt auch eindeutig, dass es genügend qualifizierte Frauen gibt", schloss Czernohorszky.

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