Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 28.10.2011:
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Sonder-Gemeinderatsausschuss Wilhelminenberg will lückenlose Aufarbeitung

Im Sondergemeinderatsausschuss Bildung, Jugend, Information und Sport diskutierten am Freitag, 28. Oktober, die im Wiener Gemeinderat vertretenen Parteien zum Thema Wilhelminenberg

Im Fokus des Interesses aller Parteien stand die lückenlose Aufklärung der Vorfälle zwischen 1948 und der Auflösung des Heimes im Jahr 1977. Vor allem die Unabhängigkeit der Kommission stand im Mittelpunkt der Diskussion, die, so der Ausschussvorsitzende Heinz Vettermann, sehr konstruktiv verlaufen ist. "Bei der Kommission handelt es sich um eine Sachverständigen-Kommission. Das bedeutet, dass jeglicher Versuch der Beeinflussung rechtlich ahndbar wäre. Damit ist sicher gestellt, dass die Kommission unabhängig arbeiten kann. Wir werden den Akt zur Einrichtung der Kommission der Wiener Landesregierung zum Beschluss vorschlagen. Es ist uns sehr wichtig, höchstmögliche Transparenz zu sichern und für eine lückenlose Aufklärung zu garantieren", so Vettermann dazu. Die Frage des zeitlichen Ablaufes konnte nicht geklärt werden, da dies allein Entscheidung der Kommission ist. Einig waren sich auch alle vier Parteien die Sachverständigen-Kommission in allen Anliegen zu unterstützen. Verlangt wurde eine noch zu definierende regelmäßige Information der politischen VertreterInnen.

Missbrauch verhindern

Thematisiert wurde auch die aktuelle Situation und wie Missbrauchsfälle verhindert werden können. Der amtsführende Stadtrat Christian Oxonitsch verwies in diesem Zusammenhang auf die steten Maßnahmen zur Verbesserung des Kinderschutzes und des Ausbaues der Wiener Jugendwohlfahrt. "Allein die Entwicklung des Budgets der Wiener Jugendwohlfahrt in den letzten Jahren zeigt deutlich, dass uns das Wohl dieser Kinder besonders am Herzen liegt. 2009 hatten wir ein Budget in der Höhe von 183 Mio. Euro, 2010 waren es 227, heuer sind es 233 und auch im kommenden Jahr sind im Voranschlag 252 Millionen Euro für die Jugendwohlfahrt vorgesehen. Wir werden auch der Forderung der Kinder- und Jugendanwaltschaften nach Einrichtung einer eigenen Ombudsstelle für Kinder in Obsorge der Jugendwohlfahrt in Wien so rasch wie möglich nachkommen", betonte Oxonitsch und weiter: "Missbrauchsfälle können nie ausgeschlossen werden, deshalb müssen wir alles tun um es zu verhindern. Gesetzt den Fall es passiert doch etwas, ist es unsere Pflicht, es rigoros zu untersuchen und gegebenenfalls auch zu ahnden." In insgesamt 8 Fällen war im vergangen Jahr die Staatsanwaltschaft zur Prüfung beigezogen. In der Mehrzahl der Fälle kam es bereits zu einer Einstellung durch die Staatsanwaltschaft. Oxonitsch: "Es ist besser einmal zu viel zu prüfen, als einmal zu wenig."

Weiterer Ausbau der Betreuungseinrichtungen

In der nächsten Sitzung werden dem Gemeinderatsausschuss die Einrichtung weiterer zwei Wohngemeinschaften zum Beschluss vorgelegt. "Es ist und wichtig, den Kindern bestmögliche Bedingungen zum Aufwachsen zu bieten", so Oxonitsch. In den letzten zwei Jahren wurden über 220 Plätze in Wohngemeinschaften geschaffen.

Wien vorbildlich in der Aufarbeitung

Nach Bekanntwerden von ersten Missbrauchsvorwürfen im März 2010 wurde für Gewaltopfer im Bereich der Stadt Wien eine Anlaufstelle bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft eingerichtet. Im August 2010 bat der Wiener Bürgermeister die Opfer öffentlich um Verzeihung. Die unabhängige Opferschutzeinrichtung Weisser Ring wurde mit der Betreuung der Betroffenen sowie der unbürokratischen Abwicklung der finanziellen Leistungen wie auch der Übernahme von Therapiekosten beauftragt. Im Oktober konstituierte sich das Gremium des Weissen Rings unter der Leitung von Hon.Prof. Dr. Udo Jesionek, Präsident des Weissen Ring. Kurz danach, im November, nahm auch die Heim-HistorikerInnen-Kommission unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Reinhard Sieder, vom Institut für Wirtschafts-und Sozialgeschichte an der Universität Wien, ihre Arbeit auf. Im Auftrag der Stadt Wien überprüft und analysiert jene Erziehungskonzepte, Organisationsstrukturen und alltäglichen Praktiken bis zur Heimreform 2000, die wiederholt Misshandlungen von Kindern und Jugendlichen ermöglichten. Die Ergebnisse werden im Frühjahr 2012 vorliegen und veröffentlicht. Im Dezember wurden vom Gemeinderat Mittel in Höhe von 2 Millionen Euro für Entschädigungsleistungen beschlossen. Im September 2011 wurden die Mittel in Höhe von 3,8 Millionen Euro aufgestockt.

Sieben Tage nach dem Bekanntwerden der schweren Vorwürfe rund um das ehemalige Heim Schloss Wilhelminenberg wurde am 21. Oktober 2011, Dr. Barbara Helige, Menschenrechtsexpertin und Richterin, als Leiterin der neuen Kommission Wilhelminenberg präsentiert. Vettermann hielt fest, dass auch bei den beiden medial thematisierten Fällen rasch und unverzüglich gehandelt wurde. Eine der Betroffenen nahm bereits im Dezember 2010 Kontakt mit dem Weissen Ring auf, danach auch ihre Schwester. Beide Fälle wurden in der Sitzung des Gremiums am 28.6.2011 behandelt und für beide Betroffenen finanzielle Leistungen und Therapie beschlossen. Am 22. Juli 2011 langte ein erstes Schreiben des Anwaltes in der Stadt Wien ein, in dem allgemeine Vorwürfe genannt wurden, aber keine konkreten Anhaltspunkte für eine Strafverfolgung. Daraufhin kam es zur Abklärung, ob das Opfer beim Weissen Ring in Betreuung ist, was bestätigt wurde. Der Anwalt wurde an den Weissen Ring verwiesen. Am 13. September 2011 langte in der MA 11 ein zweites, spezifiziertes Schreiben des Anwaltes ein, in dem die Vorwürfe näher ausgeführt und Erzieherinnen namentlich genannt wurden. Nach unverzüglichen internen Ermittlungen und Einvernahmen durch die MA 11 wurden alle relevanten Unterlagen an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt. Betroffene von Gewalt in Einrichtungen der Wiener Jugendwohlfahrt können sich in der Außenstelle des Weissen Ringes in der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft, Alserbachstraße 18, 1090 Wien, Tel.: 01/4000-85 918 oder 01/4000-85 917 melden.

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