Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 07.06.2010:
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Ulli Sima und Percy Schmeiser: Gemeinsam gegen Gentechnik auf Feldern und Tellern

Ulli Sima und Percy Schmeiser: Gemeinsam gegen Gentechnik auf Feldern und Tellern

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Alternativ-Nobelpreisträger Schmeiser warnt in Wien vor dramatischen Folgen der Gentechnik


"Wir wollen unseren Enkeln eine Welt mit sauberen Lebensmitteln, Wasser, Boden und Luft hinterlassen!", mit diesem Ziel setzt sich der kanadische Farmer und Saatgutzüchter Percy Schmeiser seit über 10 Jahren vehement gegen die Gentech-Lobby zur Wehr. Seine eigenen Felder wurden durch Wind und Pollenflug mit gentechnisch verändertem Saatgut kontaminiert. Der Gen-Multi Monsanto verklagte Schmeiser zu 400.000 Can. Dollar Patentlizenzgebühr.

Heute zählt Percy Schmeiser zu den Fürsprechern der Bauern weltweit, er ist Symbolfigur im Kampf unabhängiger Landwirte und kämpft gegen den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft. Bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima wies er heute, Montag, einmal mehr auf die Gefahren der Gentechnik und die dramatischen Abhängigkeiten durch Patente der Gen-Multis hin: "Uns Bauern wird das uralte Recht genommen, Saatgut selbst zu vermehren, wir geraten in Abhängigkeiten von Saatgutkonzernen, die immer mächtiger werden", warnt Schmeiser. Für Umweltstadträtin Ulli Sima ist Schmeisers Geschichte einmal mehr ein Anlass, sich auf allen Ebenen gegen den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft stark zu machen: "Die Risken dieser Technologie tragen wir Konsumenten, die Auswirkungen auf die Umwelt sind dramatisch, auch wenn die Gen-Lobby mit noch so viel Geld versucht, zu verharmlosen und zu beruhigen", so Sima. Die Stadt Wien hat in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen gesetzt - wie etwa das Gentechnikvorsorgegesetz - um Wiens Landwirtschaft auch künftig gentechnikfrei zu halten. Schmeiser ist Träger des Alternativen-Nobelpreises und ist unter dem Titel "David gegen Monsanto" im Rahmen seiner Europatour 2010 am 7. und 8. Juni in Wien.

Gentech-Patente schaffen Abhängigkeiten

Im Jahr 1997 fand Schmeiser erstmalig die gentechnisch veränderten "Roundup-Ready"-Rapspflanzen des Agrochemie-Konzerns Monsanto auf seinem Land. Diese genveränderten Rapspflanzen, für die Monsanto das Patent besaß, wurden weder von ihm noch seiner Frau ausgesät. Nach Angaben Schmeisers müssen die Samen durch den Wind vom Feld des benachbarten Bauern oder von einem vorbeifahrenden LKW dorthin gelangt sein.

Im Folgejahr nutzte Schmeiser einen Teil der Ernte dieser gentechnisch veränderten Pflanzen, indem er das daraus gewonnene Saatgut auf einer Fläche von rund 400 Hektar aussäte. Jedoch behandelte er diese Fläche nicht mit Roundup. Deswegen wurde er durch den Herstellerkonzern Monsanto wegen Patentverletzung verklagt.

Der Konzern berief sich darauf, dass laut Patent die Nutzung von Roundup-Ready-Raps an den Kauf des Unkrautvernichtungsmittels Roundup gebunden und eine selbständige Vermehrung des daraus gewonnenen Saatguts durch die Landwirte ohne Zahlung einer vertraglich festgelegten Summe an Monsanto ausgeschlossen sei. Die Raps-Sorte wurde genetisch so verändert, dass sie gegen das Mittel resistent ist, während andere Pflanzen auf einem damit behandelten Feld absterben. Percy Schmeiser hielt dagegen, dass Landwirte seit jeher das Recht gehabt hätten, Saatgut auf ihrem eigenen Land selbst zu vermehren.

Der Rechtsstreit zog sich 10 Jahre. Anfänglich sprachen sich die Gerichte in verschiedenen Instanzen für den Agro-Konzern Monsanto aus. Diese Urteile haben weitreichende Konsequenzen, denn mittlerweile gibt es Genpflanzen überall auf der Welt und nicht nur auf Versuchsfeldern. Wissenschaftler warnen schon seit langem davor, dass eine einmal in die Welt gelassene genveränderte Lebensform nicht mehr zurückgeholt werden könnte. Gemäß der Logik der Gerichtsurteile würde es bedeuten, dass alle Gen-Pflanzen auf der ganzen Welt, egal auf welchen Feldern sie wachsen, den Patentinhabern gehören. Es kam in den Folgejahren zu weiteren Rechtstreitigkeiten, nachdem Schmeisers Felder erneut kontaminiert wurden, diesmal klagte Schmeiser Monsanto, es kam aber zu keinem Urteil, sondern zu einem Vergleich. Monsanto gestand Schmeiser auch zu, öffentlich über den gesamten Vorgang zu berichten, während bis zu diesem Vergleich Monsanto die Unterzeichnung von Verschwiegenheitsklauseln verlangte.

Alternativ-Nobelpreis für Schmeiser

Im Oktober 2000 wurde Schmeiser für seinen Einsatz mit dem Mahatma Gandhi Award geehrt. Am 7. Dezember 2007 erhielten Louise und Percy Schmeiser den Alternativen Nobelpreis für ihren Mut bei der Verteidigung der Artenvielfalt und der Rechte der Landwirte und dafür, dass sie die Perversität der gegenwärtigen Auslegung der Patent-Gesetzgebung in Bezug auf die Umwelt und die Moral aufzeigen und anprangern.

Begründung der Jury: "...for their courage in defending biodiversity and farmers' rights, and challenging the environmental and moral perversity of current interpretations of patent laws."

GLOBAL 2000 kämpft seit 15 Jahren gegen die Gentechnik in der Landwirtschaft

1995 startete die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 ihre Gentechnik-Kampagne. Mit einer großangelegten Informationsoffensive machten die UmweltschützerInnen die Gentechnik und ihre Gefahrenquellen zum Thema in Österreich. 15 Jahre später wachsen auf Österreichs Äckern keine gentechnisch veränderten Pflanzen, in den heimischen Supermarktregalen finden sich keine kennzeichnungspflichtigen gentechnisch veränderten Lebensmittel. "Unsere Ablehnung der Gentechnik in der Landwirtschaft ist richtig und wichtig und wir freuen uns über solch Tatkräftige Verbündete wie Percy Schmeiser. Die Auswirkungen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln auf die menschliche Gesundheit sind nach wie vor nicht geklärt. Der Anbau von Gentech-Pflanzen führt zu einem gewaltigen Anstieg von Agrargiften und bedroht die Artenvielfalt. Gentechnik steht für Rationalisierung auf dem Acker, für den Anbau einiger weniger Pflanzenarten auf immer größeren Flächen und für den Verlust von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft", kommentiert Werner Müller von GLOBAL 2000 den Status Quo.

Wien aktiv für gentechnikfreie Landwirtschaft - Lobbying auf EU-Ebene

Wien hat schon vor vielen Jahren die Weichen für eine gentechnikfreie Landwirtschaft gestellt. "Wien verfolgt mit seinem strengen Gentechnikvorsorgegesetz und der Plattform "freiwillig ohne Gentechnik" eine Doppelstrategie, um die heimische Produktion auch künftig frei von Gentechnik zu halten", erläutert Umweltstadträtin Ulli Sima.

Das vom Wiener Landtag im September 2005 zur Regelung der Koexistenz erlassene Gentechnikvorsorgegesetz entspricht EU-Vorgaben und ist auch mit den Nachbarländern Niederösterreich und dem Burgendland akkordiert. Neben dieser gesetzlichen Regelung hat Wien auch mit der Plattform "freiwilig ohne Gentechnik", eine gute Allianz mit den Wiener Landwirten gebildet. Gemeinsam will man die Produktion in Wien gentechnikfrei halten. "Die Geschichte von Percy Schmeiser zeigt einmal mehr, welche drastischen Auswirkungen die Gentechnik in der Landwirtschaft hat.

Eine Koexistenz zwischen gentechnisch veränderten und nicht verändertem Saatgut ist nicht möglich, die Auswirkungen auf die Umwelt fatal und die Wirkungen auf die menschliche Gesundheit nach wie vor völlig unabsehbar", so Sima. Die Resistenz gegen Antibiotika durch genveränderte Pflanzen im Bereich der Humanmedizin etwa ist laut Molekularbiologin Sima ein ernsthaftes Problem: "Wir Konsumenten haben keinerlei Vorteil von genveränderten Lebensmitteln, tragen aber das volle Risiko. Für die Landwirte bringt die Gentechnik auch keine Vorteile, nur Abhängigkeiten. Profiteure der Gentechnik sind einzig die großen Gen-Multis a la Monsanto", so Sima. Sie setzt sich auch dafür ein, dass es auf EU-Ebene zu keinen Aufweichungen der Regelungen kommt. Dort geht die Debatte um die Zulassung gentechnisch veränderten Saatguts in die nächste Runde: Die Europäische Kommission will noch vor dem Sommer den versprochenen Vorschlag vorlegen, der es einzelnen Mitgliedstaaten erlauben soll, "gentechnikfrei" zu bleiben, auch wenn gentechnisch verändertes Saatgut EU-weit zugelassen wird. Damit will die Kommission die bisherige Blockade von Zulassungen für GVO beenden.

  • Abendveranstaltung
    Anmeldung unter www.futurelogics.com - Eintritt frei!
    Datum: 8.6.2010, um 19:00 Uhr
    Ort: Campus der Universität Wien, Altes AKH, Hörsaal C1 Hof 2
    Spitalgasse 2-4, 1090 Wien

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