Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 18.03.2010:
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Vor Tüll und Spitzenschuh: IFK beschäftigt sich mit Wiens "Ballettrevolution"

Vor Tüll und Spitzenschuh: IFK beschäftigt sich mit Wiens "Ballettrevolution"

Copyright: Derra de Moroda Dance Archives, Salzburg

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Wien (RK). Reform und Öffnung bei gleichzeitiger Zensur, politischer Wettkampf mit der Ballettmetropole Paris bei gleichzeitiger Sittenstrenge durch Österreichs höchster Moralapostolin Maria Theresia: Es sind die Widersprüche des 18. Jahrhunderts, die die Theaterwissenschaftlerin Karin Fenböck kommenden Montag (22.3 ...

Wien (RK). Reform und Öffnung bei gleichzeitiger Zensur, politischer Wettkampf mit der Ballettmetropole Paris bei gleichzeitiger Sittenstrenge durch Österreichs höchster Moralapostolin Maria Theresia: Es sind die Widersprüche des 18. Jahrhunderts, die die Theaterwissenschaftlerin Karin Fenböck kommenden Montag (22.3.) in den Räumlichkeiten des Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) bei ihrem Vortrag über die Wiener Ballettkultur zwischen 1750 und 1765 ausbreiten wird. Im Unterschied zu heute, wo das Ballett fraglos zum Kanon der angesehenen Künste zählt, mühten sich die ersten Tanztheoretiker des 18. Jahrhunderts am Wiener Hof, hier vor allem Franz Anton Hilverding (1710-1768) bzw. sein Schüler und Nachfolger Gasparo Angiolini (1731-1803), noch ab, um die Reputation dieser "verruchten Tanzkultur" zu verbessern.

In Perücke und Reifenrock die Frauen, in rockähnlicher Kleidung auch die Männer: das frühe, vom barocken Formenschematismus gekennzeichnete Ballett erfuhr am Wiener Hof Mitte des 18. Jahrhunderts wichtige Impulse zu seiner Weiterentwicklung. Mit der Einführung erster erzählerischer Elemente wandte man sich sukzessive von der klassischen Schäfer- Idylle ab, Mimik und Pantomime erweiterten ebenso das Repertoire, wie neue Schrittfolgen das beengende, immer auf den König ausgerichtete Zeremoniell der "französischen Kunst" (Ballett) verblassen ließen.

Laut Fernböck, die vor dem Studium in Wien eine Musicalausbildung absolvierte, acht Jahre lang im Sprechtheater tätig war und aktuell ein IFK-Fellowship für ihre Dissertation innehat, ist die von ihr untersuchte Zeitspanne ein eigenartiges Präludium der erst kommenden "aufklärerischen" Zeiten: Einerseits gibt es bereits vage frühbürgerliche Ideen für ein Nationaltheater als Bildungsanstalt, andererseits versucht man durch die Aufwertung des Balletts auch mehr Kontrolle darüber zu erreichen. Maria Theresias Theatergründungen nutzt ihr Kanzler Kaunitz, um für Wien gegenüber Paris mehr Reputation und symbolische Macht herauszuholen. Andererseits scheint die staatliche Kulturstrategie Wiens im 18. Jahrhundert angesichts des europäischen TänzerInnen- Milieus nicht sehr weit voranzukommen. Dazu kam noch, dass diese frühstaatliche Kulturpolitik schon damals einiges Geld kostete: Mit dem ersten fixen, etwa 30köpfigen Tanzensemble beginnt auch, wie die 31jährige Wissenschaftlerin bei ihren Recherchen im Staatsarchiv, aber auch in der Wienbibliothek herausfand, die bis heute bekannte "Klage über das fehlende Budget." 1765 verlangsamte sich für Fenböckdie Aufbruchsstimmung am Wiener Tanzboden: Die zentrale Figur Giacomo Durazzo, der als Theaterdirektor mit viel Gespür die europäischen Reformkräfte, wie etwa Angiolini, Joseph Starzer und Christoph Willibald Gluck in Wien bündeln konnte, musste wegen einer Maria Theresia bekannt gewordenen Affäre Wien in Richtung Venedig verlassen. Der in Wien miteingeleitete Befreiungsprozess des Tanzes aus dem höfisch-adeligen Zeremoniell ging trotz Maria Theresias berühmter Sittenstrenge freilich weiter.

IFK (1., Reichsratstrasse 17), Vortrag von Karin Fernböck: "Tanz den Angiolini. Die Inszenierung des kaiserlichen Hofes im Wiener Ballett zwischen 1750 und 1765", Termin: Montag, 22. März, Beginn: 18.00 Uhr, Eintritt frei, Infos: www.ifk.ac.at

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(Schluss) hch

Rückfragehinweis für Medien:

  • Internationals Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK)
    Mag.a Ingrid Söllner-Pötz
    Telefon: 01 504 11 26-28

(RK vom 18.03.2010)