Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 06.10.2008:
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte (Termine, Kontaktmöglichkeiten,...) möglicherweise nicht mehr aktuell sind.

Fachtagung in Wien: Wege aus der Wortlosigkeit

Wien (RK). JugendamtspsychologInnen aus ganz Österreich treffen in den nächsten Tagen zu ihrer jährlichen Fachtagung im Wiener Rathaus ein, die am 8. Oktober um 9:15 Uhr von Vizebürgermeisterin Grete Laska eröffnet wird. Heuer werden sich die ExpertInnen mit den Auswirkungen von Traumata auf die Entwicklung von ...

Wien (RK). JugendamtspsychologInnen aus ganz Österreich treffen in den nächsten Tagen zu ihrer jährlichen Fachtagung im Wiener Rathaus ein, die am 8. Oktober um 9:15 Uhr von Vizebürgermeisterin Grete Laska eröffnet wird. Heuer werden sich die ExpertInnen mit den Auswirkungen von Traumata auf die Entwicklung von Kindern auseinandersetzen.

Wenn Familien Kindern schaden

Dipl. Psych. Michaela Huber, die 1. Vorsitzende der deutschen Sektion der International Society for the Study of Dissociation (ISSD), gehört zu den wichtigsten VertreterInnen der Psychotraumatologie mit Schwerpunkt dissoziative Persönlichkeitsstörungen im deutschsprachigen Raum. Sie referiert zum Thema "Bindung und Trauma". Kinder, die vernachlässigt, früh ihre Eltern verloren haben, misshandelt und/oder seelisch gequält wurden, reagieren unterschiedlich auf die erlittene Pein. Manche Kinder erstarren, wenn sie unter Druck geraten; andere bekommen "unerklärliche" Wutanfälle oder klettern jedem Fremden auf den Schoß; wieder andere spüren ihren Körper nicht mehr an den Stellen, an denen er misshandelt wurde.

Was brauchen Kinder und Jugendliche mit traumabedingten Dissoziationen, um ihr Erleben verstehen, ihre schlimmen Erfahrungen überwinden und sich bzw. ihre Impulse unter Kontrolle bringen zu können? Eines ganz sicher nicht: Falsche Diagnosen, Medikamente statt Gespräche und - bis auf wenige Ausnahmen - geschlossene Unterbringung statt Einzelfall-Hilfen für sie und ihr familiäres Umfeld. Und so gilt Michaela Hubers Devise: "Ein Gramm Prävention ist wichtiger als ein Kilo Rehabilitation."

Gewaltlosigkeit - Grenzen und Möglichkeiten einer Illusion

Univ.-Prof. Dr. med. Günther H. Seidler, Leiter der Sektion Psychotraumatologie an der Klinik für psychosomatische und allgemeine klinische Medizin der Universität Heidelberg geht in seinem Vortrag auf verschiedene Formen der Gewalt ein. Die Entstehung der Psychotraumatologie wird mit der Gewaltversion der Moderne in Verbindung gebracht, und das paradoxe Phänomen - bei einer Zunahme von Gewalt in zeitlichem Zusammenhang mit einer beginnenden Akzeptanz der Realität von Opfern - diskutiert.

Umgang mit akut-traumatisierten Kindern

Ass.-Prof. Dr. Brigitte Lueger-Schuster beschäftigt sich mit der Fülle von Reaktionen, die Kinder nach einer Traumatisierung zeigen können. Lautstärke, Ausdrucksart sowie Beschwerden variieren und stehen mit dem jeweiligen Entwicklungsstand der jungen Menschen in Zusammenhang. In der Regel interagieren Trauer und Trauma, beides spiegelt auch die jeweils spezifische Lebenswelt der Kinder. Sowohl Schutz- als auch Risikofaktoren spielen bereits in der sehr frühen Phase nach einer Traumatisierung eine Rolle. Erste Schritte aus der Wortlosigkeit werden vorgestellt und anhand von Beispielen aus der Kriseninterventionsarbeit des Akutbetreuungsteams erläutert.

Im Netzwerk der handelnden Berufsgruppen

Mag. rer. nat. Eva Münker-Kramer, Notfallpsychologin, Psychotherapeutin (VT), EMDR Supervisorin, beschäftigt sich im Zusammenhang mit der Behandlung von traumatisierten Menschen mit dem Versorgungsbereich. Die Psychotraumatologie ist dabei ein eigenes Versorgungs- und Forschungsfeld zu werden. Im Versorgungsbereich greift sie einen immer deutlicher werdenden Bedarf auf, im Forschungsbereich ist sie verknüpft mit unterschiedlichen Ansätzen in traditionellen Arbeitsgebieten. So ist sie trotz dieser beginnenden Eigenständigkeit weiterhin nur interdisziplinär realisierbar und leistet einen wichtigen Beitrag zur Prävention und Heilung.

Komplextraumatisierte Kinder und Jugendliche muss man zuerst verstehen

Dipl. Psych. Thomas Hensel, Klinischer Psychologe, Ausbilder in personzentrierter Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie stellt das Konzept der Traumafolgestörungen und neue Behandlungsmöglichkeiten vor. Aktuelle Erkenntnisse und Modelle zu hirnphysiologischen Korrelaten früher chronischer interpersoneller Traumatisierung sowie verbesserte Diagnosekriterien für diese Störungsbilder haben in den letzten Jahren zu effektiven Behandlungsmethoden geführt. Anhand von Videoausschnitten aus Psychotherapien mit komplex- traumatisierten Kindern wird die Anwendung der Methodik gezeigt.

Traumatisierung und Resilienz - Vermeidung und Wiederholung aus der Sicht des Jugendpsychiaters

Prim. Dr. med. Werner Leixnering, Leiter der Abteilung für Jugendpsychiatrie an der Landes-Nervenklinik in Linz gilt in Fachkreisen als anerkannter Experte für Jugendpsychiatrie. Er sieht seine Hauptaufgabe darin, jungen Menschen mit psychischen Problemen neue Lebensqualität zu schenken. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie kommt Fragen der Gesundheitssicherung sowie der Prävention ein immer höherer Stellenwert zu. Daher legt Herr Prim. Leixnering in seinem Vortrag das Hauptaugenmerk auf Trauma vermeidende Faktoren und Variablen, und unterstreicht die Notwendigkeit, für Kinder und Jugendliche adäquate Begleitung, Betreuung, Förderung und Behandlung anzubieten, um diese zu befähigen, trotz erheblicher psychischer Irritation und/oder sozialer Belastung keine psychischen Leidenszustände respektive psychopathologische Symptome zu entwickeln.

  • Wege aus der Wortlosigkeit
    55. Fachtagung der österreichischen JugendamtspsychologInnen
    8. bis 10. Oktober 2008

MedienvertreterInnen sind herzlich willkommen und haben die Möglichkeit, Interviews mit den Vortragenden zu führen. (Schluss) eg

Rückfragehinweis für Medien:

  • Herta Staffa
    MAG ELF - Amt für Jugend und Familie (MA 11)
    Öffentlichkeitsarbeit
    Telefon: 4000-90614
    E-Mail: Herta.Staffa@wien.gv.at

(RK vom 06.10.2008)