Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 16.09.2008:
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Jüdisches Museum: Torberg-Ausstellung im Jubiläumsjahr

Wien (RK). Zur hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages widmet das Jüdische Museum Wien in Zusammenarbeit mit der Wienbibliothek Friedrich Torberg eine Ausstellung: "Die Gefahren der Vielseitigkeit" spricht das Multitalent Torberg an, der als Schriftsteller, Publizist, Journalist, Übersetzer, Herausgeber und ...

Wien (RK). Zur hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages widmet das Jüdische Museum Wien in Zusammenarbeit mit der Wienbibliothek Friedrich Torberg eine Ausstellung: "Die Gefahren der Vielseitigkeit" spricht das Multitalent Torberg an, der als Schriftsteller, Publizist, Journalist, Übersetzer, Herausgeber und kulturell und politisch streitbarer Geist wirkte und dabei große Anerkennung, aber auch manche Kritik fand. Zu sehen ist die Schau, die dem Besucher Leben und Werk Torbergs mit zahlreichen Exponaten, Schrift- und Bilddokumenten, abgerundet von abrufbaren Fernseh- und Audiobeiträgen nahebringt, vom 17. September 2008 bis 1. Februar 2009. Sie akzentuiert damit auch, als 150. Ausstellung, das 15-Jahr-Jubiläum, welches das Museum im November dieses Jahres feiert.****

40.000 Briefe in der Wienbibliothek

Einen gewichtigen Beitrag zur Schau brachte die Wienbibliothek ein, die aus dem Nachlass von Torberg über rund 40.000 Briefe verfügt, die der leidenschaftliche Briefschreiber selbst archiviert hatte. Die Liste der Korrespondenz-Partner reicht von Erich Maria Remarque über Robert Neumann, Heimito von Doderer, Leo Perutz, Ingeborg Bachmann bis zu Weltstar Marlene Dietrich, mit der Torberg eine lange, freundschaftliche Beziehung verband. Die Briefpartner geben einen Eindruck des intellektuellen Umfelds, in dem sich Torberg bewegte.

Der als Friedrich Ephraim Kantor 1908 Geborene war als Jugendlicher erfolgreicher Sportler, Wasserballer bei Hakoah Wien und, nach der Übersiedlung seiner Familie, auch in Prag. Bereits 1930 hatte er mit seinem seiner Schulzeit nachempfundenen Roman "Der Schüler Gerber hat absolviert" einen Sensationserfolg, an den er in dieser Publikumswirksamkeit erst mit seinem "Untergang des Abendlandes in Anekdoten" und der "Tante Jolesch" in späten Jahren wieder anschließen konnte. Das literarische Werk, Leben und Frauen, Exil, kalter Krieg, Judentum, Israel und Sport sind wesentliche Kapitel, in denen die Ausstellung ein Bild Torbergs zeichnet.

Das Leben Friedrich Torbergs, als Privatmensch wie als Mann der Sprache, wurde wesentlich von der Geschichte mitgeprägt. Der behüteten Kindheit in Wien und Prag, dem rasanten Aufstieg zum erfolgreichen Schriftsteller und Mittelpunkt intellektueller Kaffeehausrunden in beiden Städten folgten schwierige Jahre im Exil, in das er von den Nationalsozialisten getrieben wurde. In Hollywood wurde er nicht glücklich, auch New York, wo er seine Frau Marietta kennenlernte, wurde ihm nicht zur Heimat. 1951 kehrte er nach Wien zurück und wurde hier zu einer dominierenden Erscheinung im Kulturbetrieb: als Kritiker, Herausgeber der Zeitschrift FORVM, später kongenialer Übersetzer der Satiren von Ephraim Kishon und Herausgeber vergessener Autoren wie Peter Hammerschlag und Herzmanovsky-Orlando. Zugleich brachte er mit dem von ihm mitgetragenen Wiener Brecht-Boykott den Kalten Krieg in die Kultur und positionierte sich als streitbarer und unversöhnlicher Antikommunist.

Das Jüdische Museum gibt ein umfassendes Bild des Vielseitigen und widmet auch seinem Erzählwerk zwischen seinen größten Erfolgen die entsprechende Aufmerksamkeit: Werke wie der Sportroman "Die Mannschaft", Auseinandersetzungen mit grundsätzlichen Fragen von Schuld und Sühne wie "Mein ist die Rache", die Lebensbeichte eines jüdischen Nazispions "Hier bin ich, mein Vater" und Torbergs jüdisches Minnesängerepos "Süßkind von Trimberg" sind in ihrer Entstehungsgeschichte und Reflexion dargestellt.

Das selbstbewusste Bekenntnis zum Judentum Torbergs, das schon in seiner jugendlichen Mitgliedschaft bei den jüdischen Sportvereinen geprägt wurde, spricht die Schau in mehrfacher Hinsicht an. So auch mit Torbergs Auseinandersetzung mit der Aufarbeitung der NS-Gewaltverbrechen durch die österreichische Justiz, begleitet von Zeichnungen von Georg Chaimowicz zu diesem Thema. Die Nähe zum Staat Israel dokumentiert eine nicht vollendete "Hymne", die Torberg gemeinsam mit Arnold Schönberg schaffen wollte.

Die Ausstellung ist Sonntag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr im Jüdischen Museum Wien, 1., Dorotheergasse 11, zu sehen. Eintritt: 6,50 Euro, ermäßigt 4 Euro, freier Eintritt für Schulklassen. Ein umfangreicher Katalog begleitet die Schau.

  • Weitere Informationen:
    Jüdisches Museum Wien
    Tel.: 535 04 31
    E-Mail: info@jmw.at
    Internet: www.jmw.at

(Schluss) gab

Rückfragehinweis für Medien:

(RK vom 16.09.2008)