Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 27.09.2006:
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Otto-Wagner-Kirche wird neu eröffnet

Otto-Wagner-Kirche wird neu eröffnet

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Wien (RK). Im Jahr 1904 wurde nach einem Konzept von Wiens bekanntestem Jugendstilarchitekten Otto Wagner im Zuge der Errichtung der damaligen "Nervenheilanstalt Steinhof" die Kirche "Zum Hl. Leopold" für die PatientInnen erbaut. Bis heute existiert diese bedeutende sakrale Bauschöpfung des Jugendstils im SMZ ...

Wien (RK). Im Jahr 1904 wurde nach einem Konzept von Wiens bekanntestem Jugendstilarchitekten Otto Wagner im Zuge der Errichtung der damaligen "Nervenheilanstalt Steinhof" die Kirche "Zum Hl. Leopold" für die PatientInnen erbaut. Bis heute existiert diese bedeutende sakrale Bauschöpfung des Jugendstils im SMZ Baumgartner Höhe - Otto-Wagner-Spital und wurde in den vergangenen sechs Jahren um insgesamt 11,6 Millionen Euro generalsaniert. Ab kommendem Sonntag wird die Otto-Wagner-Kirche wieder für die Bevölkerung geöffnet.

"Die Renovierung der Otto-Wagner-Kirche ist ein lebender Beweis dafür, wie sorgsam wir in dieser Stadt mit kulturhistorisch wertvollen Denkmälern umgehen. Hier wurde auch vom Budget des Gesundheitsressorts sehr viel Geld in die Hand genommen, um dieses Jugendstiljuwel für die PatientInnen, die MitarbeiterInnen, die AnrainerInnen und die gesamte Wiener Bevölkerung auf Dauer zu bewahren," so Gesundheits- und Sozialstadträtin Mag.a Renate Brauner.

"Die Stadt ist sich ihrer Verantwortung für die Sakralbauten bewusst", so Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny. "Die Otto-Wagner-Kirche ist ein Hauptwerk des Jugendstils. Mit der umfassenden Restaurierung hat die Stadt einmal mehr einen Beitrag geleistet, die historische Moderne für die nachfolgende Generationen und die Zukunft zu erhalten".

11,3 Millionen Euro der Sanierung wurden zu je einem Drittel aus dem Finanzressort, dem Kulturressort (Altstadterhaltungsfonds) und dem Gesundheitsressort (Budget des Wiener Krankenanstaltenverbundes) der Stadt Wien finanziert. 300.000 Euro stellt das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kunst zur Verfügung. Um allen Denkmalschutzanforderungen zu entsprechen, wurden die gesamten Renovierungsarbeiten vom Bundesdenkmalamt begleitet.****

Phasen der Renovierung

  • 2000 bis 2001 - Renovierung und Vergoldung der Kuppel

Im Juni 2000 begannen die Renovierungsarbeiten der Otto-Wagner- Kirche. Insgesamt 22 Firmen und 15 Konsulenten arbeiteten an der Sanierung. In einem ersten Schritt wurde die Kuppel völlig neu vergoldet. Dabei wurden 0,01 mm dünne Schichten Blattgold aufgetragen. Der Tamboursockel der Kuppel wurde mit Kupferblechen erneuert. Diese waren zuvor mittels eines völlig neu entwickelten Verfahrens künstlich patiniert worden, da eine natürliche Patina mindestens 30 Jahre dauert.

  • 2002 bis 2004 - kompletter Austausch der Fassade

Die neue 1.800 m²-Fassade besteht aus 3000 Platten Carrara- Marmor, wovon jede zuvor mittels Ultraschal auf ihre Qualität überprüft wurde. Die Engels- und Heiligenfiguren wurden zur Restaurierung abmontiert und in einer Werkstätte restauriert.

  • 2005 bis 2006 - Fundament und Innenarbeiten

In einem nächsten Schritt erfolgte die Innenrenovierung. Dabei wurden die Kirchenfenster gereinigt und vorhandene Schäden ausgebessert. Die einzelnen Mosaikfenstersegmente sind nun in einer eigens konstruierten Trägerkonstruktion befestigt und speziell verglast. Somit sind die Fenster mit einem Wert von fünf Millionen Euro gegen Witterung und Vandalismus geschützt. Die Mosaikbilder in der Kirche sowie der Hauptaltar und die Kanzel wurden restauriert und neu vergoldet. Vom Holzrestaurator sind alle Kirchenbänke, Beichtstühle und die Sessio überarbeitet und neu poliert worden. Zudem wurden sämtliche Leuchten und Wandapplikationen gereinigt und neu vergoldet.

Im Zuge der Generalsanierung musste das gesamte Fundament der Kirche erneuert werden. Ebenso die Kanalisation sowie die Außenanlage rund um die Kirche. Die Gipsplatten der Zwischendecke, ein so genanntes Kappengewölbe, wurden neu ausgebaut. Von den etwa 2.200 Platten konnten 50% saniert werden, der Rest musste neu angefertigt werden. Neu ist, dass sich nach der Renovierung auf der Nordseite der Kirche eine Rollstuhlzufahrt in das Innere der Kirche befindet.

Die Renovierungsarbeiten wurden von einem eigenen Lenkungsausschuss, bestehend aus den Vertretern der Stadt Wien als Bauherr, dem planenden Architekten, dem baubetreuenden Architekten, der externen begleitenden Kontrolle, dem Bundesdenkmalamt und diversen Konsulenten bestimmt und koordiniert.

Der Wiener Altstadterhaltungsfonds

Mit der Gründung des Wiener Altstadterhaltungsfonds 1972 wurde die finanzielle Grundlage für Restaurierungs- und Konservierungsmaßnahmen in Schutzzonen geschaffen. Grundgedanke der Altstadterhaltung ist, nicht nur zur Konservierung besonders herausragender Einzeldenkmale beizutragen, sondern auch zeittypische historische Bauten auf hohem Qualitätsniveau zu erhalten und instand zusetzen: Die Wohn- und Geschäftshäuser in den Innenbezirken sind ein ebenso wichtiges Anliegen wie die ehemaligen Dörfer am Stadtrand. Seit seiner Gründung wurden an mehr als 3900 Objekten Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten mit über 196 Millionen Euro durchgeführt. Gefördert werden "stadtbildpflegerische Mehrleistungen", die öffentlich sichtbar und zugänglich sind, wie etwa Fassaden von Wohn- und Geschäftshäusern, Geschäftsportale uvm. Etwa ein Drittel des Fördervolumens fließt in die Restaurierung von Objekten von Glaubensgemeinschaften. Da die Altstadterhaltung sich zunehmend auch der Bausubstanz des 20. Jahrhunderts widmen muss, wächst der Arbeitsbereich ständig. Die Arbeiten, die vom Wiener Altstadterhaltungsfonds gefördert werden, sind durchwegs zeitintensiv und nur von hoch qualifizierten Handwerkern und Restauratoren durchzuführen. Die Förderungsmittel tragen daher unmittelbar zur Schaffung und Sicherung entsprechender Arbeitsplätze und zur Pflege und Erhaltung hoch spezialisierter Fertigkeiten bei.

Geschichtlicher Rückblick

Zwischen 1904 und 1907 entstand im heutigen 14. Wiener Gemeindebezirk auf insgesamt 143 Hektar die "Niederösterreichische Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke Am Steinhof". Die Anlage inklusive einer eigenen Kirche für die PatientInnen wurde in der Bauabteilung der Niederösterreichischen Landesregierung geplant und von Otto Wagner, dem führenden Wiener Architekten der Zeit, überarbeitet.

Otto Wagner ließ sich bei der Planung der Kirche von den ÄrztInnen und Pflegepersonen des Spitals beraten, um sie auf die Bedürfnisse psychisch kranker PatientInnen auszurichten. So wurden etwa ein eigenes Arztzimmer und Notausgänge in der Planung bedacht. Da zum damaligen Zeitpunkt die Geschlechtertrennung der psychisch erkrankten PatientInnen üblich war, gab es eigene Eingänge für Männer und Frauen sowie einen für "besondere" Gäste. Damit auch die PatientInnen in den hinteren Reihen der Kirche bis zum Altar sehen können, wurde der Boden nach vorne hin abfallend gebaut.

Erwähnenswert und bedeutend für das gesamte Jugendstilwerk sind

  • der Jugendstilkünstler Kolomann Moser (1868 - 1918), der die
    Glasfenster fertigte,
  • der Wiener Bildhauer Richard Luksch (1872 - 1936) - von ihm
    stammen die bei Heiligenfiguren Leopold und Severin,
  • der aus Ungarn stammende Bildhauer Othmar Schimkowitz (1864
    1947) - er fertigte die vier Engel über dem Hauptportal,
  • Remigius Geyling (1878 - 1974), der Maler, der das Hochaltarbild
    entwarf und
  • Leopold Forster, der es in eineinhalbjähriger Arbeit ausgeführte.

Die Gesamtbaukosten der Spitalsanlage "Am Steinhof" beliefen sich damals auf 28 Millionen Kronen, die der Kirche auf 575.000 Kronen. Das Planungshonorar von Otto Wagner betrug 35.000 Kronen. Am 8. Oktober 1907 erfolgte die feierliche Eröffnung durch Erzherzog Franz Ferdinand.

rk-Fotoservice: www.wien.gv.at/

(Schluss) bw/rar/hir

(RK vom 27.09.2006)