Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 24.04.2006:
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WUA: AKW-Unfall Tschernobyl - 20 Jahre danach

Wien (RK). Am 26. April 2006 jährt sich das verheerende Unglück von Tschernobyl zum 20. Mal. Daher hat die Wiener Umweltanwaltschaft (WUA) in ihrer Funktion als Atomschutzbeauftragte für Wien, gemeinsam mit dem Österreichischen Ökologie-Institut im Technischen Museum eine "ExpertInnen-Runde" zum Thema "20 Jahre nach ...

Wien (RK). Am 26. April 2006 jährt sich das verheerende Unglück von Tschernobyl zum 20. Mal. Daher hat die Wiener Umweltanwaltschaft (WUA) in ihrer Funktion als Atomschutzbeauftragte für Wien, gemeinsam mit dem Österreichischen Ökologie-Institut im Technischen Museum eine "ExpertInnen-Runde" zum Thema "20 Jahre nach Tschernobyl" organisiert. Namhafte nationale und internationale ExpertInnen haben über den Unfallhergang, gesundheitliche Folgen und zu einer prinzipiellen Umstellung der Energiepolitik referiert. Etwa 100 Personen sind unserer Einladung gefolgt und haben zahlreiche Diskussionsbeiträge geliefert.****

Mit Alternativenergien und Energieeffizienz zur Versorgung ohne Atomkraft

Prof. Dr. Wolfgang Kromp vom Institut für Risikoforschung sprach über den Hergang des Unfalls, die technischen Ursachen und Hypothesen sowie den Fallout über Europa.

Der Münchner Strahlenmediziner Dr. Edmund Lengfelder wies in seinem Vortrag darauf hin, dass die gesundheitlichen Folgen nach wie vor von der IAEO (International Atomic Energy Agency) und anderen internationalen Organisationen heruntergespielt werden und gab Einblick in die Kranken- und Krebsstatistiken der betroffenen Gebiete. Im Speziellen ging der renommierte Mediziner auf die Schilddrüsenkrebs-Statistik ein. In Weißrussland hat die Summe der jährlichen Neuerkrankungen von Schilddrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen (bis 18 Jahre) von 1986 bis 1998 um das 58-fache gegenüber den Vorjahren zugenommen. So sind bis heute 1400 Fälle von Schilddrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen aufgetreten.

Der Energiewissenschafter Dr. Hans-Joachim Ziesing vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung führte aus, wie eine Energiepolitik ohne Atomkraft machbar ist. In Deutschland sorgt ein Energieeinspeisegesetz dafür, dass erneuerbare Energien im Vormarsch sind. Ziesing wies darauf hin, dass ein guter Mix an unterschiedlichen alternativen Energieformen und eine erhebliche Erhöhung der Energieeffizienz eine 100-prozentige Versorgung ohne Atomkraft ermöglicht.

Podiumsdiskussion - Strategien einer nachhaltigen Energiepolitik

Dr. Petra Seibert vom Institut für Meteorologie wies auf aktuelle Klimastatistiken hin, die zeigen, dass es längst "fünf nach zwölf" und die Energiepolitik dringend zum Handeln aufgefordert ist.

DI Stephan Grausam vom Österreichischen Biomasseverband kritisierte, dass in Österreich trotz ansteigenden C02-Emissionen der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch kontinuierlich sinkt. Grund dafür ist der steigende Stromverbrauch insgesamt (etwa 40 % in den letzten 10 Jahren für Haushalte). Regenerative Energien haben neben den ökologischen Vorteilen auch viele positive Nebenwirkungen, z. B. geringe Transportwege, regionale Wertschöpfung und Arbeitsplätze.

Die Wiener Umweltanwältin Dr. Andrea Schnattinger ging auf die spezielle Situation in Wien ein. Kraftwärme-Koppelungen in kalorischen Kraftwerken und Müllverbrennungsanlagen erlauben eine Brennstoffausnutzung von bis zu 90 %. Dadurch können etwa 30 % aller Wiener Haushalte mit Fernwärme versorgt werden. Zusätzlich wird ein Wasserkraftwerk zur Versorgung von etwa 15.000 Haushalten errichtet. Die Stadt Wien bietet für Alternativenergieanlagen attraktive Förderungen an. Die Wiener Umweltanwaltschaft initiierte bereits 3 EU-Projekte zur Bewusstseinsbildung für erneuerbare Energien - speziell für Jugendliche - in Wien und der Slowakei.

Ing. Antonia Wenisch vom Ökologie-Institut wies in ihrem Statement darauf hin, dass Atomenergie zu teuer und nicht wettbewerbsfähig ist, außerdem die Uranreserven bei gleich bleibenden Verbrauch max. noch 70 Jahre reichen. Die zahlreichen Neubauten von AKW, die nötig wären, um eine substantielle Reduktion der Treibhausgase zu erreichen, würden viel zu lange dauern und müssten durch Reaktoren auf Plutoniumbasis (Schnelle Brüter) und Wiederaufbereitung ergänzt werden. Das würde nicht nur das Unfallrisiko erhöhen, sondern auch das Risiko, dass radioaktives Material unkontrolliert gehandelt wird.

Prof. Dr. Hans-Holger Rogner, der Vertreter der IAEA, hob bewusst die Argumente für Atomindustrie im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung hervor wie zum Beispiel: geringe Belastung durch Emissionen, Wirtschaftlichkeit, geringes Abfallvolumen, Energieversorgungssicherheit.

Betrachten wir die bis heute bestürzenden Auswirkungen, ist es völlig unverständlich, dass Atomprogramme weltweit forciert werden. "Dass mehr Mittel denn je in der EU für das Atomforschungsprogramm bereitgestellt werden, alternative Energieformen immer noch wenig Lobby in Brüssel haben und die Europäische Union weiter auf die Atomindustrie und deren Ausbau setzt, ist eine energiepolitische Sackgasse", betont Dr. Andrea Schnattinger, Wiener Umweltanwältin.

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  • Rückfragehinweis:
    Romana Uhyrek
    Wiener Umweltanwaltschaft
    E-Mail: uhr@wua.magwien.gv.at
    Tel.: 01/37979/88985
    Mobil: 0664/8479638

(RK vom 24.04.2006)