Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 26.09.2005:
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"Runder Tisch gegen Gewalt an Wiener Schulen"

Wien (RK). "Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft und Gewalt ist für manche Jugendlichen eine Form der Konfliktaustragung. Das ist zwar nicht per se ein Problem der Schule, jedoch in jedem Fall ein Problem für die Schule. Die Schule nimmt dieses Problem ernst - Schule stellt sich der Herausforderung. Nicht erst ...

Wien (RK). "Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft und Gewalt ist für manche Jugendlichen eine Form der Konfliktaustragung. Das ist zwar nicht per se ein Problem der Schule, jedoch in jedem Fall ein Problem für die Schule. Die Schule nimmt dieses Problem ernst - Schule stellt sich der Herausforderung. Nicht erst jetzt, sondern gerade in Wien bereits seit vielen Jahren. In keinem österreichischen Bundesland gibt es mehr Gewaltpräventionsprojekte als in Wien, in keinem österreichischen Bundesland gibt es mehr Aktivitäten gegen Gewalt. Und doch: Vor mehr als einer Woche hat es einen durch Gewalt verursachten Tod eines Wiener Schülers gegeben. Für uns ist klar: Man kann nach diesem Fall nicht einfach zur Tagesordnung übergehen'. Deshalb hat der Stadtschulrat für Wien zu diesem Runden Tisch' eingeladen und alle Institutionen und Experten, die direkt mit Schule und Gewalt zu tun haben, an einen Tisch gebracht. Das Ergebnis: 7 Sofortmaßnahmen, um die Sicherheit an unseren Schulen weiter zu erhöhen", stellte Wiens Amtsführende Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl im Rahmen einer Pressekonferenz anlässlich des "Runden Tisches gegen Gewalt an Wiener Schulen" am Montag fest.****

Am "Runden Tisch" und der anschließenden Presekonferenz haben unter anderem teilgenommen: Univ. Prof. Dr. Ernst Berger (Abt.- Vorst. f. Psychiatrie und Neurologie), Dr. Mag. Susanne Brandsteidl (Amtsführende Präsidentin des Stadtschulrats für Wien), BSI Richard Felsleitner (Bezirksschulinspektor Sonderpädagogische Zentren), Univ. Prof. Dr. Max Friedrich (Vorstand der Univ.-Klinik für Neuropsychiatrie), AL Mag. Walter Grafinger (Abteilungsleiter Berufsbildendes Schulwesen), AL Mag. Dr. Wolfgang Gröpel (Abteilungsleiter Pflichtschule), General Mag. Roland Horngacher (Polizei Wien), Mag. Barbara Huemer (Lehrerin), Dr. Udo Jesionek (Präsident i. R. Jugendgericht Wien), Mag Johannes Köhler (MA 11 - Amt f. Jugend und Familie), Dr. Anton Krotky (Leiter MA 13 - Bildung u. außerschulische Jugendbetreuung), BSI Walter Maitz (Bezirksschulinspektor Polytechnische Schulen), Andrea Masek (Vorsitzende Zentralausschuss der Pflichtschullehrer), Sabine Mayer (MA 11 - Amt f. Jugend und Familie), Herbert Modritzky (Gewerkschaft - Wiener Vertreter Bereich Pflichtschule), Kurt Nekula (i.V.: Landesverband Wien der Elternvereine an Pflichtschulen), AL Mag. Johanna Rasch (Abteilungsleiterin AHS), Dr. Anton Schmid (Leiter Jugend-Anwaltschaft), Valentin Scholz (Schülervertreter AHS), Mathias Schopf (Schülervertreter Berufsschule), Dr. Eva Steiner (i.V.: MA 10), Dr. Eva Wiedermann (Leiterin der Mobilen Entwicklungsförderung MA 10), AL Dr. Mathilde Zeman (Schulpsychologie Wien), Jakob Zerbes (Schülervertreter AHS).

General Mag. Roland Horngacher betonte in seinen Worten, "dass es sich bei dem Tod des Schülers um einen bedauerlichen und entsetzlichen Einzelfall handelt." Generell - so Horngacher - sei die Sicherheitslage an Wiens Schulen positiv zu beurteilen: "Andere Städte wären glücklich über derart sichere Schulen wie in Wien. Und doch: Natürlich bedeutet jeder einzelne Fall, jedes einzelne Delikt eines zuviel." Horngacher forderte eine verstärkte Information der Schüler (insbesondere der Gruppe der 10- bis 14- jährigen) über die Rechtsfolgen von Delikten: "Jugendliche haben oft keine Ahnung, was es heißt, mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt zu geraten." Er kündigte eine engere Kooperation der Wiener Polizei mit dem Wiener Stadtschulrat hierzu an.

Univ. Prof. Dr. Ernst Berger und Univ. Prof. Dr. Max Friedrich wandten sich gegen die im Zuge der Diskussion um Gewalt an den Schulen aufgetauchte Forderung nach Metalldetektoren. Beide unisono: "Wir brauchen Menschen und nicht Maschinen in den Schulen. Es geht um mehr Ressourcen für Prävention und unterstützende Maßnahmen." Als Beispiele nannten sie unter anderem das in Norwegen praktizierte Präventionsprogramm, das als Vorbild eventuell auch für künftige Maßnahmen in Österreich dienen könne.

Brandsteidl präsentierte abschließend das von den 22 Experten und Expertinnen im Rahmen des "Runden Tisches" gemeinsam erarbeitete Maßnahmenpaket gegen Gewalt.

     7 Maßnahmen zur Gewaltprävention an Wiener Schulen:

1. Schul-Charta gegen Gewalt : Wiener Schüler geben sich gemeinsam ein Bekenntnis gegen Gewalt (mit Unterschriftenliste in jeder Schule und Klasse). Organisation: Autonom in Wiener Schulen, aber auf Basis eines "zentralen Textentwurfs".

2. Service gegen Gewalt: Beratungsbroschüre für Lehrer, Eltern und Schüler, die sofort Hilfe gibt und das breite Gesamtprogramm an Unterstützung in Wien überschaubar präsentiert. Information über Rechtsfolgen (Schwerpunkt Zielgruppe der 10- bis 14 -jährigen) - ausgehend von der Datenbasis der Wiener Polizei und in Kooperation mit dieser.

3. Hilfe vor Ort:

a) Flächendeckende Sprechstunde von Schulpsychologen für alle Schularten. Aushang zur Information über Zeit und Ort in allen Schulen auf den öffentlichen Schautafeln. b) Periodisch wiederkehrender Jour Fixe der Inspektionskommandanten und Stadtpolizeikommandanten mit der Schulaufsicht und Schuldirektoren.

4. Kommunikation gegen Gewalt: Psychosoziale Bezirkskommissionen - Regelmäßige Tagung von Praktikern vor Ort im Bezirk unter Mitwirkung aller beteiligten Organisationen. Gesamtkoordination durch eine überregionale Expertenrunde, die weitere Maßnahmen diskutiert und vorschlägt.

5. Blickpunkt Europa: Präventiv-Modelle aus Europa werden geprüft und präsentiert. Auf Basis der Erfahrungen mit Gewaltpräventions-Modellen in anderen europäischen Ländern (Stichwort "Beispiel Norwegen") sollen zusätzliche geeignete Maßnahmen zur Gewaltpräventionsarbeit an Wiener Schulen erarbeitet werden.

6. Aktionspaket "Sag NEIN zur Gewalt": Lehrer bilden sich (in Kooperation auch mit Institutionen der außerschulischen Jugendarbeit) fort, um mit dem Thema im Unterrichtsalltag und in Projekten verantwortungsvoll umzugehen.

7. Mädchen stärken im Umgang mit der Gewalt: Geschlechtssensible Arbeit in der Schule. Ein Leitfaden für LehrerInnen

Brandsteidl: "Selbstverständlich sind im Rahmen des "Runden Tisches" auch weitere, längerfristige Maßnahmen diskutiert worden. Diese - auch dies ein Ergebnis dieses Gipfels' - sollen nun in weiteren Expertenrunden im Detail analysiert und diskutiert werden. Generell gilt: Gewalttätige Jugendliche sind gewalttätig in der U-Bahn, im Stadion, im Freundeskreis - und auch in der Schule. Ihre Probleme sind Probleme der Gesellschaft. Und doch: Schule ist ein Teil der Gesellschaft und somit in selbem Ausmaß von Gewalt betroffen. Die konkrete Herausforderung für die Schulen besteht darin durch gezielte Präventionsmaßnahmen Jugendlichen andere Konfliktlösungsmöglichkeiten als jene mit Gewalt beizubringen und zu einem friedlichen Miteinander zu erziehen - sowie natürlich Schüler soweit möglich vor Gewalt zu schützen. Diesen Kampf gegen Gewalt werden wir auch in Zukunft mit hundertprozentigem Einsatz führen." (Schluss) ssr

(RK vom 26.09.2005)