Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 10.05.2005:
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Wiener Auszeichnungen für Prof. Ernst Federn und Renée Howie

Wien (RK). Zwei "außergewöhnliche Persönlichkeiten" wurden heute, Dienstag, von Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny ausgezeichnet: Prof. Ernst Federn, Psychoanalytiker, erhielt die Silberne Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien, Renée Howie, Modeschöpferin, das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien. Es ...

Wien (RK). Zwei "außergewöhnliche Persönlichkeiten" wurden heute, Dienstag, von Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny ausgezeichnet: Prof. Ernst Federn, Psychoanalytiker, erhielt die Silberne Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien, Renée Howie, Modeschöpferin, das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien. Es seien dies "zwei ganz außergewöhnliche Biographien, die auf das 20. Jahrhundert verweisen, auf das, was geschehen ist, auf Gräueltaten, auf die Vertreibung der Vernunft", so Mailath-Pokorny bei der Verleihung. Trotz aller unterschiedlichen Lebensumstände gäbe es auch Parallelen zwischen den beiden Ausgezeichneten: "Was sie verbindet, ist, dass beide wieder nach Wien zurückgekehrt sind". Dafür und für ihr Lebenswerk danke ihnen die Stadt.****

Mit der Inhaftierung im austrofaschistischen Österreich begann der Leidenweg Ernst Federns, so Dr. Ursula Mähner-Ehrig von der Psychoanalytischen Vereinigung. Darauf folgten sieben Jahre im KZ Buchenwald bis zur Befreiung am 11. April 1945. In den USA wurde Ernst Federn durch die Arbeit mit straffällig gewordenen Jugendlichen zum "Pionier der psychoanalytischen Sozialarbeit", so Mähner-Ehrig. Neben seinen eigenen herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten sei es ein großer Verdienst Ernst Federns, die "Protokolle der Psychoanalytischen Vereinigung 1906 bis 1918" herausgegeben zu haben. Diese historischen Dokumente seien von internationaler Bedeutung und ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der Psychoanalyse.

Die Auszeichnung nehme er nicht nur für sich in Anspruch, sondern für die Psychoanalyse, die psychoanalytische Sozialarbeit, so Ernst Federn in seiner Ansprache. "Die Entdeckung des Unbewussten von Sigmund Freud und die Wichtigkeit einer liebevollen Beziehung der Eltern zu ihren Kindern sind heute eine Selbstverständlichkeit, aber es hat die Welt im Grunde genommen verändert".

Marianne Enigl zeichnete in ihrer Laudatio den bewegenden Lebensweg von Renée Howie nach: Von ihrer Flucht im Jahre 1940 nach Südamerika, ihren erfolgreichen Jahren als Modeschöpferin in New York und ihrer Rückkehr nach Wien. Als Modeschöpferin war Renée Howie eine Avantgardistin, zu ihren Kundinnen zählten u. a. Eartha Kitt, Barbara Streisand, Goldie Hawn, Ali Mc Graw und Cher.

Biographie Ernst Federn

Ernst Federn wurde 1914 in Wien geboren. Nach der Matura studierte er Rechts- und Staatswissenschaften. Nach Beginn des Studiums wurde Ernst Federn in der Zeit des Ständestaates wegen politischer Betätigung als revolutionärer Sozialist verhaftet und war ein Jahr lang in Untersuchungshaft.

Im März 1938, drei Tage nach Hitlers Einmarsch, wurde Ernst Federn von der Gestapo verhaftet und als politischer Häftling in das KZ Dachau und später ins KZ Buchenwald gebracht, das er als einer der wenigen jüdischen Häftlinge überlebte. Nach der Befreiung durch die Amerikaner 1945 emigrierte Ernst Federn über Belgien in die USA. Dort absolvierte er eine Ausbildung als Sozialarbeiter und Familientherapeut.

Im Jahr 1972 wurde Ernst Federn vom damaligen Justizminister Christian Broda eingeladen, nach Wien zurückzukehren, um seine Erfahrung bei der psychoanalytischen Resozialisierung straffälliger Personen in Wien einzubringen. Ernst Federn hat diesen Ruf angenommen und hat bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1987 als psychologischer Berater in den Strafanstalten Stein, Favoriten, Stockerau und Göllersdorf gearbeitet.

Neben seinen eigenen wissenschaftlichen Arbeiten war die Herausgabe der "Protokolle der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung 1906-1918" ein großes Verdienst von Ernst Federn. Im Jahr 1990 erschien sein Buch "Witnessing psychoanalysis - From Vienna back to Vienna via Buchenwald and the USA", das im Jahr 1999 übersetzt wurde: "Ein Leben mit der Psychoanalyse - von Wien über Buchenwald und die USA zurück nach Wien". Seine Biographie wurde von Bernhard Kuschey unter dem Titel "Die Ausnahme des Überlebens. Ernst und Hilde Federn. Eine biographische Studie und eine Analyse der Binnenstrukturen des Konzentrationslagers", Band I und Band II im Psychosozial Verlag 2003 veröffentlicht.

Biographie Renée Howie

Renée Howie wurde 1928 in Wien geboren. Sie wurde 1939 von den Nationalsozialisten aus Wien vertrieben. 1940 ist sie nach Südamerika gegangen, wo sie als Modezeichnerin und Übersetzerin arbeitete. Nach Absolvierung eines Kunststudiums in Argentinien lebte sie ab 1961 in Kolumbien und eröffnete Kunstgalerien in Cali und Bogota. Sie war als Kunstkritikerin in Kolumbien im nationalen Fernsehen tätig und schrieb für Zeitungen und auch für Zeitschriften. In dieser Zeit erfolgte die Heirat mit dem Dichter David Howie.

Im Jahr 1967 übersiedelte Renée Howie nach San Francisco, wo sie sich innerhalb eines Jahres einen Namen als Modeschöpferin machte. Sie eröffnete zwei Boutiquen, eine in San Fransisco, die andere in der Madison Avenue in New York. Zahlreiche Frauen aus Politik und Kultur zählten zu ihren Stammkundinnen, darunter Jacqueline Kennedy, Barbara Streisand, Goldie Hawn, Tina Turner und Cher. Ihre Modelle wurden regelmäßig in Zeitschriften wie Life, Cosmopolitan und Vogue abgebildet.

1988 verkaufte sie ihre Boutiquen und übersiedelte zu ihrer Familie nach Hongkong, 1990 übersiedelte sie nach Buenos Aires.

60 Jahre nach ihrer Flucht kehrte sie wieder nach Wien zurück. Sie lebt heute im 2. Bezirk und beschäftigt sich mit Fotografie. (Schluss) rap

(RK vom 10.05.2005)