Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 14.03.2005:
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Vortrag und Diskussion mit Danny Leder

Wien (RK). In Frankreich ereigneten sich die meisten antijüdischen Vorfälle, die in Europa seit fünf Jahren verzeichnet wurden. In Frankreich leben auch die meisten Moslems (5 Millionen) und Juden (600.000) Europas, oft Tür an Tür. Beide Gruppen stammen mehrheitlich aus Frankreichs Ex-Kolonien im Maghreb, dem ...

Wien (RK). In Frankreich ereigneten sich die meisten antijüdischen Vorfälle, die in Europa seit fünf Jahren verzeichnet wurden. In Frankreich leben auch die meisten Moslems (5 Millionen) und Juden (600.000) Europas, oft Tür an Tür. Beide Gruppen stammen mehrheitlich aus Frankreichs Ex-Kolonien im Maghreb, dem arabischen Nordwestafrika. Fast alle Übergriffe gegen Juden wurden von Jugendlichen aus moslemischen Einwandererfamilien aus Nord- und Schwarzafrika verübt. Die meisten dieser Taten ereigneten sich in einer Grauzone zwischen emotionaler Strahlwirkung des Nahost- Konflikts, radikal-islamischer Propaganda, archaischer, aus dem Maghreb herrührender Stigmatisierung der Juden, sozial-familiärer Verwahrlosung und Jugendgewalt in städtischen Randvierteln. Nach einer anfänglichen Phase des Zögerns und der Hilflosigkeit reagieren Frankreichs Staatsführung und Behörden inzwischen besonders energisch auf antijüdische Übergriffe.

Die Geschehnisse in Frankreich, dem bedeutendsten europäischen Schmelztiegel der Juden aus Ost/Mitteleuropa und dem islamischen Raum, werfen auch ein neues Schlaglicht auf das Schicksal des maghrebinischen Judentums. Dieses stellt mit seiner Jahrtausende alten Geschichte und massiven Folgepräsenz in Israel und Frankreich den zweiten, großen Strang der jüdischen Weltbevölkerung der Neuzeit dar - ein oft kulturell unterschätzter Quasi-Zwilling des osteuropäischen Judentums. Während die wenigen, noch in Tunesien, Marokko und Algerien verbliebenen Juden kaum über Zukunftsperspektiven verfügen, haben die jüdischen Einwanderer aus dem Maghreb dem französischen Judentum neue Vitalität verliehen. Neuerdings aber fühlen sich viele dieser jüdischen Familien, inmitten der moslemischen Einwanderer, als eine bedrängte Minderheit in der Minderheit.

Danny Leder ist seit 22 Jahren in Paris als Publizist und Frankreich-Korrespondent des "KURIER" tätig. Er veröffentlichte diverse Reportagen und Essais, zuletzt im Feuilleton der "Süddeutschen Zeitung", über das Verhältnis zwischen Juden und Moslems in den Maghreb-Staaten und in Frankreich.

  • Donnerstag, 17. März 2005, 19.30 Uhr
    Jüdisches Museum Wien, 1010, Dorotheergasse 11
    Eintritt frei

(Schluss) sta

  • Rückfragehinweis:
    Dr. Alfred Stalzer
    Mediensprecher Jüdisches Museum Wien
    Tel.: +43 1 505 31 00, Fax: +43 1 505 31 10
    E-Mail: presse@jmw.at

(RK vom 14.03.2005)