Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 04.02.2005:
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Bilanz der Wiener Vorlesungen

Wien (RK). Die Wiener Vorlesungen setzten am Dienstag, dem 1. Februar 2005, im Festsaal des Wiener Rathauses ihre Reflexionen zu den Republikjubiläen mit dem Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Emmerich Tálos zum Thema "Vom Siegeszug zum Rückzug? - Sozialstaat Österreich 1945-2005" vor einem großen interessierten Publikum ...

Wien (RK). Die Wiener Vorlesungen setzten am Dienstag, dem 1. Februar 2005, im Festsaal des Wiener Rathauses ihre Reflexionen zu den Republikjubiläen mit dem Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Emmerich Tálos zum Thema "Vom Siegeszug zum Rückzug? - Sozialstaat Österreich 1945-2005" vor einem großen interessierten Publikum fort.****

Univ.-Prof. Dr. Hubert Christian Ehalt stellte in seiner Einführung das Anliegen der Wiener Vorlesungen zu den Republikjubiläen vor: genaue Befunde über eine Erfolgsgeschichte legen, aber auch zu einem Nachdenken über Versäumnisse und Defizite anregen.

Die Sicherheiten der sogenannten "Fordistischen Arbeitswelt", sind, so Ehalt, in den 90erJahren des 20. Jahrhunderts verlorengegangen. Der Sozialstaat steckt aus vielfältigen Gründen in allen Ländern, in denen er ausgebildet wurde, in einer Krise.

"Ebenso wie in anderen europäischen Ländern gelten die Nachkriegsjahrzehnte in Österreich als "Goldenes Zeitalter des Sozialstaates". Leistungen wurden ausgeweitet, deren Niveau erhöht. Immer mehr Menschen kamen in den Genuss sozialstaatlicher Absicherung."

Dieser "Siegeszug" währte - so Tálos - bis Beginn der 1980er Jahre. Seit damals zeichne sich eine merkbare Trendwende ab, die in erster Linie die Sozialversicherung betreffe.

"Im Kontext wirtschaftlicher, sozialer und politischer Veränderungen geriet sozialstaatliche Sicherung unter beträchtlichen Druck. Finanzierungsprobleme und Versorgungslücken wurden offenkundig, ein restriktiver Kurs bestimmt die Entwicklung der Sozialpolitik." Der partielle Rückzug des österreichischen Sozialstaates zeige sich - so Tálos - am Bruch mit Zielen wie der Lebensstandardsicherung, an einschneidenden Leistungskürzungen und am Leistungsabbau.

Das vor allem an der Vergangenheit orientierte "Gedankenjahr" dürfe nicht davon ablenken zu reflektieren, wo wir heute im Vergleich zu früheren Zeiten stehen und worauf wir zusteuern. "Dass der im ausgehenden 19. Jahrhundert grundgelegte Sozialstaat im 21. Jahrhundert eines Umbaues bedarf, ist unstrittig. Der Punkt ist nicht das "Dass", sondern das "Wie" und das "Wohin" dieses Umbaues. Es geht dabei um nicht mehr und nicht weniger als um die Sicherung materieller und sozialer Teilhabechancen unter sich tiefreichend verändernden Bedingungen in Gesellschaft und Erwerbsarbeitswelt. Angesichts dessen steht eine substantielle Erweiterung des Sozialstaates durch den Einbau von Grundsicherungsleistungen an."

Um dies zu erreichen, bedarf es - laut Tálos - der Wiederbelebung von Orientierungen, die auch für das erste Nachkriegsjahrzehnt prägend waren: Solidarität, sozialer Ausgleich und Zusammenhalt.

Die nächste Wiener Vorlesung im Rahmen der Reihe "Österreich Zweite Republik. Befund, Kritik, Perspektive" findet am Donnerstag, 24.2. um 19.00 Uhr, im Wappensaal des Wiener Rathauses statt. Unter dem Titel "Wien im Rückblick" erzählen StadtforscherInnen, die in den letzten 60 Jahren nach Wien zugewandert sind, über ihre Erinnerungen an die Stadt: mit Univ.- Prof. Mag. Arch. Friedrich Achleitner, Univ.-Doz. Dr. Marie-France Chevron, Dr. Renée Gadsden, Ivana Jug, Dr. Dieter Schrage, Dipl.- Ing. Jan Tabor. (Schluss) eh

(RK vom 04.02.2005)