Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 28.09.2004:
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte (Termine, Kontaktmöglichkeiten,...) möglicherweise nicht mehr aktuell sind.

Rieder/Sima: "Stromlösung" im Interesse Österreichs umsetzen

Wien (RK). Zu aktuellen Entwicklungen in der Energiepolitik nahmen Finanz- und Wirtschaftstadtrat Vizebürgermeister Dr. Sepp Rieder und Umweltstadträtin Mag. Ulli Sima am Dienstag im Mediengespräch des Bürgermeisters Stellung: "Im Interesse der heimischen Konsumenten fordern wir die sofortige Umsetzung der EU- ...

Wien (RK). Zu aktuellen Entwicklungen in der Energiepolitik nahmen Finanz- und Wirtschaftstadtrat Vizebürgermeister Dr. Sepp Rieder und Umweltstadträtin Mag. Ulli Sima am Dienstag im Mediengespräch des Bürgermeisters Stellung: "Im Interesse der heimischen Konsumenten fordern wir die sofortige Umsetzung der EU- konformen österreichischen Stromlösung und verlangen dazu die Einberufung des Lenkungsausschusses zur Klärung der weiteren Vorgangsweise."

Rieder weiter: "Wir haben uns vor zwei Jahren mit Bundesminister Bartenstein auf die österreichische Stromlösung geeinigt. Die Prüfung in Brüssel ist abgeschlossen, in der Zwischenzeit sind alle strengen Auflagen erfüllt. Ich sehe keinen Grund, diese für Österreich wichtige Lösung jetzt nicht rasch umzusetzen."****

Stärkung Österreichs, mehr Versorgungssicherheit und Vorteile für Stromkunden

"Die Entwicklung auf den internationalen Energiemärkten zeigt, wie wichtig es ist, den Ausverkauf der heimischen Wasserkraft zu verhindern und die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Energieunternehmen im europäischen Markt zu bewahren. Gerade unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit wenden wir uns gegen eine Privatisierung der Energieversorgungsunternehmen, wie sie von der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer gefordert wird", so Rieder.

Und in Richtung der Kritiker ergänzte Rieder: "Es ist unrichtig, dass die Liberalisierung keine Verbesserung der Situation für die Stromkunden gebracht hätte. Tatsache ist aber, dass vor allem bei den Haushaltskunden ein großer Teil der Einsparungen durch die Erhöhung der Energieabgaben 'aufgefressen' wurde." Faktum ist weiters, dass die vom Regulator angeordneten Senkungen der Netztarife die Kostenexplosion auf den Energiebörsen nicht auffangen können. Diese führen lediglich zur Schwächung der Investitionen in die Versorgungssicherheit.

Vom Finanzminister verdoppelte Elektrizitätsabgabe "frisst" Preisvorteile auf

Die österreichischen Stromtarife sind im europäischen Vergleich im unterem Preissegment zu finden, wobei die Tarife der Wienenergie im innerösterreichischen Vergleich sich unter den günstigsten befinden. Grund für die kritisierte Preisentwicklung seit der Liberalisierung ist zum überwiegenden Teil die vom Finanzminister verdoppelte und nur von ihm einkassierte Elektrizitätsabgabe. Diese wurde netto von 0,7267 Cent auf 1,5 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2000 erhöht. Damit schlägt sich diese mit 1,61 Euro Mehrkosten pro Monat für den Wiener Durchschnittshaushalt zu Buche. Alle Preisanpassungen der Wienenergie verursachten für den durchschnittlichen Konsumenten eine Steigerung um lediglich 97 Cent pro Monat. Mit der aktuellen Preisanpassung zum 1. November liegen wir um 3,09 Prozent über dem Strompreisniveau vom Dezember 2001.

Im internationalen Vergleich

Ein österreichischer Haushalt zahlt unter 15 Cent/kWh, in Italien,, Holland, Belgien und sogar im Nachbarland Deutschland liegen die Preise zwischen 17 und 20 Cent/kWh. In Dänemark zahlt der Durchschnittshaushalt rund 23 Cent/kWh.

Österreichische Stromlösung: Stärkung der österreichischen Position in Europa

Mit 1. Oktober hätte die Österreichische Stromlösung (ÖSL) ihre operative Tätigkeit aufnehmen sollen. In der Österreichischen Stromlösung ist eine Kooperation von Verbund und Energie Allianz (EVN, Wien Energie, Energie AG Oberösterreich, Linz AG und Bewag) in den Bereichen Stromhandel und Großkundengeschäft vorgesehen.

"Die österreichische Stromlösung ist die Chance, die heimische Wasserkraft vor dem Zugriff internationaler Energiekonzerne zu schützen und durch gemeinsame Energiebeschaffung und Energieerzeugung möglichst hohe Synergieeffekte zu lukrieren. Die Kooperation von Verbund und Energie Allianz würde die ÖSL zu einer auch auf dem europäischen Markt wettbewerbsfähigen Stromhandelsgesellschaft machen. Mit einem Handelsvolumen von jährlich 100 TWh, würde die ÖSL der achtgrößte Stromanbieter Europas sein.

Im Mittelpunkt der ÖSL steht die Fusion der Verbund-Tochter "Austrian Power Trading" (APT) mit der Stromhandelsgesellschaft der Energie Allianz (E&T Handelsgesellschaft m.b.H.). Das damit neu geschaffene gemeinsame Stromhandelshaus wird weiterhin als Austrian Power Trading AG auftreten. Kerngeschäft der ATP ist der Stromhandel, einerseits mit dem in den Verbund-Wasserkraftwerken und den Kraftwerken der Energie Allianz Partner erzeugten Strommengen, andererseits aber auch mit jenen Strommengen, die an den internationalen Strombörsen von der APT zugekauft werden. Weiters wird für den Stromvertrieb an Großkunden eine gemeinsame Vertriebsgesellschaft - die "e & s neu" - gegründet. Der Vertrieb an die Kleinkunden erfolgt weiterhin durch die regionalen Energievertriebsgesellschaften der Energie Allianz Austria wie zum Beispiel der Wien Energie Vertrieb GmbH & CoKG oder EVN-Vertrieb GmbH & CoKG.

Absage an blinde Privatisierung der Energieversorgungsunternehmen

In diesem Zusammenhang erteilte Rieder dem von der Industrie geforderten Rückzug von Bund und Ländern aus ihren Beteiligungen an den jeweiligen Energieversorgungsunternehmen eine klare Absage.

"Die internationale Erfahrung zeigt, dass komplett private Energieversorgungsunternehmen kaum mehr in ihr Leitungsnetz, ihre Kraftwerke oder Umweltschutzmaßnahmen über das gesetzlich Ausmaß hinaus investieren. Auf dem Spiel steht die Versorgungssicherheit sowie die Umwelt- und Lebensqualität. Im Mittelpunkt der Interessen privater Energieversorger steht ein möglichst hoher Gewinn und die Rendite, die die Unternehmen an der Börse erzielen. Auf der Strecke bleiben die Versorgungssicherheit, innovative Lösungen und Investitionen in den Umweltschutz. Energiepolitik braucht ein verantwortungsbewusstes, vorausschauendes Handeln und die Berücksichtigung der Aspekte der Daseinsvorsorge. Dies ist in der Regel durch eine Beteiligung der Gebietskörperschaften gewährleistet, da diese nicht gewinnorientiert, sondern im Interesse der Bürger agieren", so Rieder.

Sima: Kritik an Novelle des Ökostromgesetzes

Rieder und Sima übten weiters heftige Kritik auch an der Novelle für das Ökostromgesetz, die mit 1.1.2005 in Kraft treten soll. "Ökostrombetreiber brauchen stabile Rahmenbedingungen, was derzeit passiert, verunsichert die Unternehmer und nimmt den Investoren die Rechtssicherheit. Ziel des Ökostromgesetzes war es schließlich, Starthilfe für einen neuen Markt zu geben, neue Technologien zu forcieren und Impulse für neue Wirtschaftszweige zu setzen. Damit schafft und sichert man auch Arbeitsplätze, und das müsste schließlich im Interesse des Wirtschaftsministers liegen", so Rieder.

Rieder befürchtet außerdem, dass mit der Novelle zum Ökostromgesetz der Strompreis für die Haushaltskunden steigen wird. In der Novelle vorgesehen sind für die Haushaltskunden fünf Mal so hohe Zuschläge wie für die Industrie.

Ökostromgesetz-Novelle: Billigstbieter-Prinzip im Zentrum der Kritik

Welche Ökostromanlagen im Hinkunft gefördert werden sollen, wird in der Novelle nach dem "Billigstbieter-Prinzip" bestimmt. Sima befürchtet, dass dadurch die Umweltschutzqualität der Anlagen beeinträchtigt wird und nur mehr die kostengünstigsten Anlagen - und nicht die ökologisch sinnvollsten - gefördert werden. Denn jeder Einsatz, der über die gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandards geht, kann höhere Investitionen bedingen, die im Rahmen der Ausschreibung dann vom Betreiber nicht mehr getragen werden können.

Auch sei das geplante Ausschreibungsverfahren in zahlreichen europäischen Ländern (Irland, Dänemark und Großbritannien) gescheitert. Es führt dazu, dass kleinere und mittlere Unternehmen benachteiligt werden, denn die Teilnahme an derartigen Ausschreibungen ist kostenspielig, zudem müssen sie 200 Euro/kW hinterlegen, bei Nichtrealisierung verfällt diese Kaution - eine derartige Belastung ist für vielen Ökostrominvestoren nicht verkraftbar.

Mit dem Ausschreibungsmodell werden nur mehr "die kostengünstigsten Anlagen" gefördert. Die Tarife sollen zudem degressiv um 5 % pro Jahr fallen und nur noch 10 Jahre statt den bisherigen 13 Jahren gelten. Eine solche Verkürzung macht jedoch nur Sinn, wenn im Gegenzug dazu eine entsprechende Investitionsförderung geschaffen wird.

Es erfolgt auch keine Umsetzung der Kraft-Wärme- Koppelungsrichtlinie, obwohl hier ein weiterer Ausbau und Effizienzsteigerungen einen wertvollen Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz leisten. "Der gemeinsame Ausbau von Kraft-Wärme- Koppelung und Ökostrom ist eine wirkungsvolle Alternative zu Atomstromimporten", so Sima.

Gerade auch im Hinblick auf die Klimaschutzziele, die sich Österreich international verpflichtet hat, ist für Sima eine Behinderung der Ökostromanlagen in der nun geplanten Form unverantwortlich. "Denn der Ökostrom ist ein wertvoller und wichtiger Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen. Investitionen in Ökostrom und damit Klimaschutz sind Investitionen in die Zukunft", so Sima.

Abschließend forderte Sima aus den genannten Gründen die Sicherstellung des kontinuierlichen Ausbaus von Ökostrom in Österreich. Österreich hat sich verpflichtet, den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoinlandstromverbrauch laut EU- Vorgabe bis zum Jahr 2010 auf 78,1% zu steigern. Dieser Anteil ist von 70% im Jahr 1997 auf 68 % im Jahr 2002 gesunken. Zur Erreichung des Ziels ist der weitere Ausbau von erneuerbaren Energieträgern unerlässlich. "Die Alternative zur Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und Atomstromimporten liegt in der Unterstützung von erneuerbaren Energieträgern. Doch der ehemalige Umweltminister Bartenstein scheint sich längst gänzlich vom Umweltgedanken verabschiedet zu haben", so Sima. "Die Entscheidung in Sachen Ökostromnovelle wird nun einmal mehr zur `Nagelprobe` für Umweltminister Pröll", betonte Sima.

Energiesparkonzept für die Stadt Wien wird ausgearbeitet: Alle Parteien arbeiten zusammen

Dem Aspekt des Energiesparens, der im Zuge der Liberalisierung der Energiemärkte fast vollständig verloren gegangen ist, will die Stadt Wien einen neuen Stellenwert geben. "Man muss sich die Frage stellen, wo es Möglichkeiten gibt, auf der Verbraucherseite sinnvoll Energie zu sparen und effizienter zu nutzen", so Rieder. "Ähnlich wie im KliP-Klimaschutzprogramm werden wir deshalb in einem parteienübergreifenden Prozess, in dem alle relevanten Akteure innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung eingebunden sind, ein "Energiesparkonzept für die Stadt Wien ausarbeiten. Sowohl die Bereiche Haushalte, Gewerbe, der Dienstleistungsbereich, die Industrie, die öffentlichen Einrichtungen, Landwirtschaft und Verkehr werden auf Möglichkeiten und Potenziale zum Energiesparen untersucht und die dazu notwendigen Rahmenbedingungen und Maßnahmen definiert.

Auf europäischer Ebene ist eine parallele Entwicklung zu beobachten. So hat die Europäische Kommission im Dezember 2003 einen Vorschlag für eine Richtlinie vorgelegt, der die Mitgliedstaaten zu einer Energieeinsparung von 1% pro Jahr verpflichten soll. Mit dem Energiesparkonzept will die Stadt Wien einen Beitrag dazu leisten. Im Mittelpunkt des kommunalen Energiesparkonzeptes steht das intelligente Energiemanagement, das Grundlagen für die Umsetzung energiepolitisch effizienter Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz und Energiesparen liefert.

Mit den Arbeiten zum Energiesparkonzept der Stadt Wien ist das Dezernat Energie in der MA 27 - EU-Förderung und Wirtschaftsentwicklung betraut. Der Prozess wird heuer gestartet und soll in etwa 2 Jahren abgeschlossen sein. Dann wird ein konkretes, umsetzungsreifes und umfassendes Energiesparkonzept der Stadt Wien vorliegen. (Schluss) vor/mmr

(RK vom 28.09.2004)