Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 07.05.2003:
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Zum Status öffentlicher Dienstleistungen in der EU

Wien (RK). Auf der kürzlich abgehaltenen Tagung des VÖWG zum Themenkomplex "Strategisches öffentliches Eigentum" zog sich wie ein roter Faden durch fast alle Referate und Diskussionen die Frage nach den (möglichen) Auswirkungen von Liberalisierung und Privatisierung auf die Daseinsvorsorge, und damit auf die ...

Wien (RK). Auf der kürzlich abgehaltenen Tagung des VÖWG zum Themenkomplex "Strategisches öffentliches Eigentum" zog sich wie ein roter Faden durch fast alle Referate und Diskussionen die Frage nach den (möglichen) Auswirkungen von Liberalisierung und Privatisierung auf die Daseinsvorsorge, und damit auf die Bürgerinnen und Bürger respektive die Länder und Gemeinden - nicht zuletzt auch in Hinblick auf die GATS-Verhandlungen. Eine umfangreiche Studie dazu stellt das jüngst erstellte Kompendium "Privatisierung und Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen in der EU" dar, das einen Überblick über den Stand der Privatisierung und Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen in den 15 Mitgliedsstaaten der EU gibt. Es analysiert insgesamt 14 Teilbereiche, deren Bogen sich vom Öffentlichen Rundfunk (Fernsehen) über Eisenbahnen und öffentlichen Nahverkehr, Energie, Wasser, Abfallwirtschaft, Kultur bis zum Bestattungswesen reicht. Erarbeitet wurde die Studie von der Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung (ÖGPP) in Wien, deren Präsident ist übrigens Stadtrat DI Rudolf Schicker. Der redaktionelle Rahmen der rk erlaubt keine Behandlung aller Teilbereiche, es werden - neben allgemeinen Tendenzen - einige wenige wie Verkehr, Energie, Wasser herausgegriffen.

Seit den späten 80er Jahren sind in der EU starke Bestrebungen erkennbar, bei öffentlichen Dienstleistungen einen Wettbewerb zu fördern, staatliche Monopole abzubauen und private Mitbewerber zuzulassen - also die Liberalisierung. Parallel dazu - allerdings von der EU nicht als Ziel definiert - setzte auch ein Verkauf öffentlichen Eigentums an den betreffenden Dienstleistern ein - also die Privatisierung. In ihrer Mitteilung zur Daseinsvorsorge hat die EU-Kommission noch im Jahr 2000 erklärt, dass es in ihren Verträgen keine Grundlage gibt, die Privatisierung von Unternehmen der Daseinsvorsorge zu fordern. Von wem und wie diese Leistungen erbracht werden sollen, das definieren die EU-Mitgliedsstaaten selbst. Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln sollen dabei nur insofern gelten, als deren Anwendung nicht die Erfüllung solcher "besonderer Aufgaben" verhindert.

In jüngster Zeit kommt neuer, starker Druck in Richtung Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen aus einer anderen Ecke: von der Welthandelsorganisation (WTO), die GATS (General Agreement on Trade in Services) zustandebringen möchte. Hier darf angemerkt werden, dass der Öffentlichkeit praktisch nicht bekannt ist, welche öffentlichen Dienstleistungen in Österreich künftig liberalisiert werden sollen. Sowohl die angesprochene Tagung als auch die vorliegende Studie lassen den Eindruck erkennen, dass die (bisherigen) Verhandlungen zu diesem Thema unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit gelaufen sind, für eine Einbindung der betroffenen Bevölkerung wäre das Wirtschaftsministerium zuständig. Immerhin könnte das GATS- Abkommen auch in der Daseinsvorsorge, also in grundlegenden Bereichen des Sozial- und Wohlfahrtsstaates - wie etwa Gesundheits- und Altersversorgung, Sozialdienste, Bildung, Wasser, Umweltschutz, Verkehr, Kultur - das Prinzip der Gemeinnützigkeit unterlaufen und durch betriebswirtschaftliche Grundsätze ablösen.

Oft scheint (bewusst) verdrängt zu werden, dass Österreich der WTO im Jahr 1995 ohne Vorbehalte beigetreten ist und damit vorweg jegliche Einigung zum GATS mitübernommen hat (siehe dazu BGBl. 1/1995). Die WTO hat als eines ihrer wesentlichen Ziele die Liberalisierung des Welthandels, nach Handel mit Waren soll nunmehr auch der Handel mit Dienstleistungen weltweit liberalisiert werden. Soweit derzeit geläufig, ist seitens der Bundesregierung noch nicht offengelegt worden, welche öffentlichen Dienstleistungen liberalisiert werden sollen, doch gerade für die Erbringer dieser Leistungen, wie etwa Länder, Gemeinden und deren Tochterunternehmen (Stadtwerke, Kommunalbetriebe) wäre das von wesentlicher Bedeutung, man denke an längerfristige Planungen, Finanzierung von Investitionen u.ä. Nächster Fixpunkt wird die Ministerkonferenz der WTO von 10. bis 14. September 2003 in Cancun, Mexiko, sein, wo GATS das große Thema bilden wird. Mit 1. Jänner 2005 sollen die GATS-Verhandlungen abgeschlossen sein. Jetzt wird weltweit diskutiert, nicht zu übersehen sein sollte, dass der Druck internationaler Konzerne und Finanzgruppen bzw. Fonds, die - nach der weitgehend ausgereizten privaten Wirtschaft - neue und rentable (Gebühren) Geldanlagen suchen, groß und latent ist.

Grundsätzlich sollte gelten, dass Regionalpolitik und Nahversorgung möglich bleiben müssen sowie die Versorgung mit Energie, Wasser, die Abfall- und Abwasserentsorgung, der Öffentliche Personennahverkehr als Kernbereiche kommunaler gemeinwirtschaftlicher Aufgaben zu sozial verträglichen ("leistbaren") Preisen, überhaupt außer Streit stehen müssten. Wesentlich wäre eine "Beweislastumkehr" dahingehend, dass nicht die Regierungen beweisen, dass ihre Gesetze nicht den Handel behindern - sondern die kommerziellen Anbieter von Dienstleistungen sollten beweisen, dass ihre Gewinnorientierung nicht soziale, konsumentenfreundliche und preiswürdige Leistungen gefährdeten. Über die eingangs erwähnten Teilbereiche wird ein zweiter rk-Beitrag demnächst informieren. (Schluss) pz

(RK vom 07.05.2003)