Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 11.04.2002:
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Alarm um Gemeindefinanzen und Standortattraktivität Österreichs
Wien (RK). "Der jüngste Finanzbericht des Sparkassenverbandes über die Gemeindefinanzen ist ein Alarmschrei an die in Österreich wirtschaftspolitisch Verantwortlichen", erklärte Generalsekretär Pramböck zu den soeben veröffentlichten Gemeindefinanzdaten über das Jahr 2000. Die Gemeindebudgets (Ausgaben) sind im Jahr ...
Wien (RK). "Der jüngste Finanzbericht des Sparkassenverbandes über die Gemeindefinanzen ist ein Alarmschrei an die in Österreich wirtschaftspolitisch Verantwortlichen", erklärte Generalsekretär Pramböck zu den soeben veröffentlichten Gemeindefinanzdaten über das Jahr 2000. Die Gemeindebudgets (Ausgaben) sind im Jahr 2000 um 2,7 Mrd. S oder 1,5 % gesunken, worin sich der Ausfall der Getränkesteuer und der Werbesteuer in Höhe von zusammen rund 3,5 Mrd. S und die Ausfälle durch die Steuerreform 2000 in Höhe von weiteren 2 Mrd. S niederschlägt. Nur die damals noch relativ gute Konjunktur hat noch Schlimmeres verhindert.****
Absturz der Gemeindeinvestitionen
Solche Verluste bei den Steuereinnahmen können trotz aller Sparmaßnahmen nicht aufgefangen werden. Leittragende sind die kommunalen Investitionen, die einen historischen Tiefstand erreicht haben. Schon in den letzten Jahren konnte das Investitionsniveau der österreichischen Gemeinden nur mit Mühe nominell gleichgehalten werden, im Jahr 2000 ging es aber erstmals auch in Schilling-Beträgen zurück, und zwar gegenüber 1999 um 11,5 % auf 29 Mrd. S (ohne Wien). In Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) machten die Investitionen im Jahr 2000 nur mehr 1,03 % aus. Im Jahr davor waren es immerhin noch 1,21 % und Mitte der 90er Jahre rund 1,4 %.
"Rechnerisches Investitionsdefizit"
Das bedeutet ein "rechnerisches Investitionsdefizit" von bis zu 0,4 % Punkten des BIP, was bei einem Bruttoinlandsprodukt von 2.818 Mrd. S im Jahr 2000 rund 10 Mrd. S bedeutet. Erfordernisse gibt es in fast allen Bereichen, am deutlichsten sichtbar wohl bei der Verkehrsinfrastruktur, wo der öffentliche Personennahverkehr ein besonderes Stiefkind ist, weil er mit der Suburbanisierung nicht Schritt halten kann.
Auswirkungen auf die Bauwirtschaft
Da 1 Mio. S Auftragsvolumen rund 1.400 Arbeitsplätze schafft, bedeutet allein der Rückgang der Investitionen im Jahr 2000 gegenüber dem Vorjahr von rund 3 Mrd. S den Verlust von 4.000 Arbeitsplätzen in der Bauwirtschaft. Es ist nicht überraschend, dass aufgrund der angespannte Finanzsituation bei den Städten und Gemeinden die Bauwirtschaft Probleme hat.
Langfristiger Einfluss auf Lebensqualität und Standortattraktivität der Wirtschaft
Die rückläufige Investitionsquote ist deshalb so bedenklich, weil damit langfristig ein dramatischer Rückgang der Lebensqualität und Standortattraktivität für die Wirtschaft verbunden ist. Kommunale Investitionen sichern, dass nicht nur die Grundversorgung der Bevölkerung mit Leistungen wie Kindergärten, Schulen, Spitäler und Sozialeinrichtungen gegeben ist, sondern auch die wirtschaftliche Umstrukturierung und Entwicklung durch Betriebsansiedlungen, Unterstützung der Errichtung von Fachhochschulen, der Förderung des Tourismus und des Kongresswesens sowie ein ausreichendes Freizeitangebot, das sich immer mehr auf national und international konkurrenzfähige Events konzentriert, gegeben ist.
Investitionen in Städten nur halb so hoch wie in Kleingemeinden
In den großen Städten ist die gemessen an ihren Aufgaben schlechte Finanzmittelausstattung besonders krass. Ein Vergleich der Investitionsdaten nach Größenklassen zeigt, dass der Anteil der Investitionen an den Ausgaben im Durchschnitt Österreichs 20 % beträgt, in den kleineren Gemeinden jedoch mit 25 % überdurchschnittlich ist und in den Städten über 50.000 Einwohner auf die Hälfte, nämlich 12,6 % absinkt.
Auch eine Berechnung der Investitionen je Einwohner zeigt, dass die Investitionen in den großen Städten weit unterdurchschnittlich sind, was nicht nur auf Ausgliederungen zurückgeführt werden kann, da bei dieser Berechnungsart auch die Investitionsförderungen, die an die kommunalen Unternehmen gegeben werden, beinhaltet sind. Überdies ist nicht berücksichtigt, dass viele Investitionen der großen Städte durch ihre zentralörtliche Funktion bedingt ist, d.h. der regionale Einzugsbereich und die Zahl der Arbeitsplätze berücksichtigt werden müssten.
Maastricht-Nulldefizit erfüllt
Die Situation lässt sich durch den Spruch "Operation gelungen, Patient tot" charakterisieren. Die Städte und Gemeinden müssen wegen der sonst drohenden Sanktionszahlungen die Maastricht-Spielregeln sehr ernst nehmen. Obwohl es für die einzelne Gemeinde schwierig ist, das Maastricht-Ergebnis selbst zu berechnen, wurde dieses Ziel des Maastricht-Nulldefizits mehr oder weniger erreicht. Allerdings bleiben die Investitionen wie bereits erwähnt auf der Strecke.
Gemeinden sind gute Schuldner
Abgesehen von möglichen Sanktionen wollen die Gemeinden aufgrund guter finanzstatistischer Daten günstigste Kreditkonditionen bekommen. Von 1999 auf 2000 sind die Euribor- Zinssätze um 1,43 % (3 Monats-Geldes) bzw. 1,60 % (12 Monats- Gelder) gestiegen. Die durchschnittliche Verzinsung erhöhte sich bei den Gemeinden jedoch nur um 0,37 %.
Aktuelle Situation 2001/2002
Die Ertragsanteile der Gemeinden sind im abgelaufenen Jahr zwar um 6,5 % gestiegen, allerdings sind darin auch Vorzieheffekte enthalten, die im Jahr 2002 zu geringeren Einnahmensteigerungen führen müssen. Es ist völlig unverständlich, wenn der Bund von Ländern und Gemeinden nunmehr eine Rückzahlung von Beträgen unter dem Hinweis auf das FAG-Paktum verlangt.
Dort ist festgeschrieben, dass er die Mehrerträge aus von im Jahr 2001 vorzunehmenden Steuererhöhungen für sich vereinnahmen kann. Diese hat er mit 29 Mrd. S angesetzt. Tatsächlich sind zwar über 50 Mrd. S an Mehrertrag zu verzeichnen, der Großteil dürfte aber aus Vorzieheffekten bestehen.
Bei der Lohnsteuer und der KESt I (wo es keine Vorzieheffekte gibt) hat er sein Ziel, 12 Mrd. S zu erzielen, nicht erreicht. Der tatsächliche Mehrertrag betrug bei diesen beiden Abgaben nur etwa 6 Mrd. S. Bei Einkommensteuer und Körperschaftssteuer (Gesamtertrag rund 45 Mrd. S) lässt sich der Vorzieheffekt derzeit nur schätzen. Das Lehner/Rainer-Papier spricht zwar von einer 50 zu 50 Aufteilung zwischen Vorzieheffekt und tatsächlichem Mehrertrag durch Steuererhöhungen, doch erscheint ein tatsächlicher Steuermehrertrag von rund 22 Mrd. S (seinerzeit geschätzter Mehrertrag 17 Mrd. S) im Hinblick auf die schlechte Performance bei der Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer I mehr als fraglich. Es wird notwendig sein, auf die endgültigen Daten zu warten.
Investitionen und Investitionsförderung nach Bundesländern (ohne Wien)
Investitionen und InvestitionsförderungBundesland
in Mrd. ATS in % der in ATS Gemeindeausgaben je Einwohner
Burgenland 1,263 23,8 4,666 Kärnten 2,852 19,4 5,206 Niederösterreich 10,573 24,2 7,174 Oberösterreich 7,138 19,0 5,353 Salzburg 2,498 14,6 5,179 Steiermark 6,661 19,9 5,622 Tirol 4,273 22,1 6,767 Vorarlberg 2,601 21,8 7,847Gemeinden
(ohne Wien) 37,860 20,7 6,052
Investitionen und Investitionsförderung nach Gemeindegrößenklassen (ohne Wien) in Mrd. ATS
Größenklasse Investitionen und Investitionsförderung (Einwohner)
in Mrd. ATS in % der in ATS Gemeindeausgaben je Einwohner bis 5.0000 21,699 25,0 6,202 5.00110.000 5,506 21,2 6,494 10.00120.000 3,540 18,1 6,351 20.00150.000 2,658 17,1 6,610 50.001500.000 4,457 12,6 4,693Gemeinden
(ohne Wien) 37,860 20,7 6,052
Maastricht-Ergebnis in Mrd. ATS
Jahr Österreich insgesamt davon Gemeinden ohne Wien1) 1998 - 62,112 + 2,060 1999 - 59,370 + 0,080 2000 - 41,109 - 0,784 2001 + 1,7591) einschließlich Gemeindeverbände und Gemeindefonds (Schluss) stä
- Rückfragehinweis:
Österreichischer Städtebund
Tel.: 4000/899 90
(RK vom 11.04.2002)
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