Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 30.10.2000:
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Rieder eröffnet Babynest in Glanzing

Wien, (OTS) Wiens Gesundheitsstadtrat Dr. Sepp Rieder eröffnete am Montag das "Babynest Glanzing im Wilhelminenspital" nach dem Vorbild der Hamburger Babyklappe. Damit gibt es in Wien das erste Babynest Österreichs. Die Gesamtinvestitionen beliefen sich dabei auf rund eine Million Schilling. Das Projekt konnte in ...

Wien, (OTS) Wiens Gesundheitsstadtrat Dr. Sepp Rieder eröffnete am Montag das "Babynest Glanzing im Wilhelminenspital" nach dem Vorbild der Hamburger Babyklappe. Damit gibt es in Wien das erste Babynest Österreichs. Die Gesamtinvestitionen beliefen sich dabei auf rund eine Million Schilling. Das Projekt konnte in weniger als drei Monaten realisiert werden.

Rieder: "Das Babynest Glanzing im Wilhelminenspital soll helfen, das Leben von Kindern zu retten und verhindern, dass sich Mütter strafbar machen, weil sie in einer vermeintlichen Notsituation sich nicht anders zu helfen wissen, als ihr Neugeborenes auszusetzen." Damit solle, so der Gesundheitspolitiker, verzweifelten Frauen die anonyme und für das Kind sichere Abgabe ihres Babys an eine hochqualifizierte Kindereinrichtung ermöglicht werden. "Denn warum sollte es Frauen verwehrt sein, sich nicht zur ihrer Mutterschaft zu bekennen, wenn es Männern schon seit Jahrtausenden möglich ist, sich nicht zu einer Vaterschaft zu bekennen", erklärte Rieder.

An der Präsentation nahm auch die gesamte Kollegiale Führung des Wilhelminenspitals teil: Der Ärztliche Direktor Prim. Univ.Prof. Dr. Helmut Umek, Verwaltungsdirektor Anton Pohl, die Direktorin des Pflegedienstes Oberin Monika Tischler sowie der Technische Direktor Ing. Herbert Weiss.****

Gerade Wien verfügt schon jetzt über ein dichtes und gut funktionierendes soziales Netz zur Betreuung von Schwangeren und Müttern. "Wenn dieses Netz aber trotzdem irgendwann versagen sollte, kann das Babynest Glanzing die letzte Hilfe sein, um das Leben von Neugeborenen zu retten. Denn niemand kann ernstlich um den hohen Preis gesundheitlicher Risiken für das Kind dessen Recht auf Kenntnis seiner Mutter sichern wollen" betonte Rieder.

Das Projekt "Babynest Glanzing"

Das Babynest Glanzing ist der erste Schritt in einem dreistufigen Aktionsprogramm zur Unterstützung von Schwangeren in Problemsituationen. Als nächstes soll wie z.B. in Frankreich schon realisiert die "stille" oder anonyme Geburt ermöglicht werden, letztendlich soll auch eine anonyme Betreuung schon während der Schwangerschaft möglich sein.

Standort Wilhelminenspital

Die Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde "Kinderklinik Glanzing" im Wilhelminenspital der Stadt Wien verfügt sowohl über große Erfahrung im Bereich der Säuglingsheilkunde (Neonatologische Intensivstation, Intermediate Care Station, Säuglingsstation) als auch über psychosomatische Kompetenz (Station für Säuglingspsychosomatik). Das schafft eine äußerst günstige Voraussetzung für die Errichtung des Babynests, das am Flötzersteig in geringer Entfernung von der Ambulanz und der Kinderabteilung angesiedelt werden kann. Dadurch ist einerseits die Anonymität gewährleistet, andererseits kann bei der Abgabe eines Kinder innerhalb von wenigen Minuten die umfassende und kompetente Versorgung des Neugeborenen angeboten werden.

Die Übergabe eines Kindes kann auf zwei Arten erfolgen:

1. Mütter die anonym bleiben wollen, können über ein Nottelefon Kontakt mit dem psychosomatischen Dienst der Kinderklinik Glanzing aufnehmen, die eine Beratungsfunktion übernimmt, die Mutter auf bestehende Hilfsangebote hinweist und eventuell zu weiteren Gesprächen bezüglich Hilfestellung einladen kann. Sollten diese Maßnahmen nicht zielführend sein, kann ein Treffpunkt für die persönliche aber trotzdem anonyme Übergabe des Neugeborenen vereinbart werden.

2. Möchte die Mutter Ihr Baby völlig anonym abgeben, so deponiert sie es im Babynest Glanzing am Flötzersteig neben der Haltestelle der Autobuslinie 48 A. Im Nest findet die Mutter ein Merkblatt mit der Telefonnummer des Notrufs, wo sie in den nächsten acht Wochen Auskunft über ihr Kind bekommen kann, sowie ein Stempelkissen. Mit Hilfe des Stempelkissen macht die Mutter einen Finger- bzw. Fußabdruck des Kindes auf die Rückseite des Merkblatts. Im Falle des Wunsches nach einer Rückgabe kann so die Zusammengehörigkeit von Mutter und Kind eindeutig überprüft werden.

Bei der Abgabe eines Kindes löst das Wärmebett im Babynest über Sensoren einen optischen (Videokamera) und akustischen Alarm aus, sodass die in der Frühgeborenenintensivstation tätigen Pflegepersonen sofort informiert werden und den diensthabenden Arzt der Kinderklinik Glanzing alarmieren.

Das Neugeborene wird an die Säuglingsstation gebracht, fachärztlich untersucht und zur Beobachtung aufgenommen. Bei stabilem Gesundheitszustand kommt der Findling für bis zu acht Wochen in eine Pflegefamilie. Kommt es zu keiner Rückgabe an die leibliche Mutter, veranlasst das Amt für Jugend und Familie die Adoption des Kindes.

Das Babynest Glanzing ist die erste derartige Institution in Österreich. Es gibt bereits Anfragen aus den Bundesländern, die ein Interesse an diesem Pilotprojekt bekunden und sich dem Wiener Vorbild anschließen wollen.

www.babynest.wien.at/ im Netz

Zur Zeit wird an der homepage unter der Internetadresse www.babynest.wien.at/ (in Kürze verfügbar) gearbeitet, die demnächst aktiviert werden soll. Dadurch entsteht neben der persönlichen und telefonischen Beratung noch ein dritter Weg, Informationen einholen zu können. Betroffene haben damit die Möglichkeit, anonym, in aller Ruhe nachlesen zu können, was sich hinter dem Begriff der Babynest verbirgt, wie sie funktioniert und wo sie sich befindet.

Internationale Vorbilder

In Deutschland sind Abgabestellen für ungewollte Kinder meist an Häusern der Jugendwohlfahrt angesiedelt, die mit Kinderspitälern zusammenarbeiten. In Hamburg wurde vom Verein SterniPark e.V. im Stadtteil Altona (Goethestraße 27) im April 2000 die erste Babyklappe eröffnet, im Juli 2000 im Stadtteil Wilhelmsburg die zweite. Beide Hamburger Babyklappen sind bei Kindertagesstätten angesiedelt, ebenso die Babyklappe in Lübeck. Das Haus Sonnenblume in Berlin Schönow bzw. das Projekt Moses in Amberg (Bayern) wird von religiösen Institutionen betreut.

Günstiger und leichter realisierbar ist die Ansiedlung von Babyklappen an Kinderspitäler, wie es sich in Ungarn besonders bewährt hat.

Historische Entwicklung

Bereits im Alten Testament wird über eine Hebräerin berichtet, die ihr Neugeborenes in einem Schilfkorb im Nil aussetzt, um es vor dem Knaben-Mordbefehl des Pharao zu retten. Klöster errichteten im Mittelalter Einrichtungen für Findelkinder. Mütter wurden damals oft schon vor der Niederkunft aufgenommen und die Kinder betreut. Es gab damals "Drehläden", in die Babies anonym abgegeben werden konnten.

Bis zum heutigen Tag stellt die Kindesweglegung ein Problem dar. Durch die Institutionalisierung des Babynests kann es zwar nicht gelöst, in Kooperation mit bestehenden sozialen Einrichtungen die Auswirkungen aber auf menschlicher Art gemildert werden.

Dichtes Soziales Netzwerk für Schwangere und Mütter

Extrem schwierige Lebenssituationen gepaart mit einer Verleugnung der Schwangerschaft und dem Ignorieren der herannahenden Geburt stellen Parameter dar, die zu Kindesweglegung führen können. Betroffenen Mädchen und Frauen fehlt es an Vertrauen in die soziale Umwelt und am Wissen um Organisationen, bei denen sie Unterstützung finden und über ihre Probleme reden können.

Folgende Servicestellen bieten Hilfestellung:

  • Beratung von Jugendlichen über Sexualität, Schwangerschaft bzw.
    Schwangerschaftsverhütung, Krisenmanagement:
    Beratungsstelle für Familienplanung/Jugendberatung der Stadt
    Wien, 19., Heiligenstädterstraße 82-86 (Karl-Marx-Hof)
    Tel. 369 89 88
    Dienstag 17.30 - 19.30 Uhr (keine Beratung während der
    Schulferien)
  • First Love:
    Krankenanstalt Rudolfstiftung
    3., Juchgasse 25
    Tel. 711 65/4712
    Montag 14 - 16 Uhr
    Mittwoch 14 - 16 Uhr
  • Hotlines:
    F.E.M. - Gynäkologische Hotline
    Tel. 47 615/5772
    Mittwoch 14 - 15 Uhr
  • "Herzklopfen":
    Tel. 0660/88 51 (österreichweit zum Ortstarif)
    Samstag 14 - 18 Uhr

Bei Fragen und Problemen aller Art:

  • MAG ELF-Servicestelle:
    Tel. 4000/8011
    Montag - Freitag 8 - 18 Uhr
  • Kindertelefon der MAG ELF:
    Tel. 319 66 66
    Montag - Freitag 10 - 20 Uhr
    Beide 3., Rüdengasse 11
  • Frauennotruf der Stadt Wien:
    Tel. 71 71 9
    rund um die Uhr
  • "Rat auf Draht" ORF:
    Tel. 147
    rund um die Uhr

Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft: Tel. 17 08

  • 11., Lorystraße 40-42
    Tel. 749 68 50
  • 15., Geyschlägerstraße 2
    Tel. 982 25 00
  • 20., Dresdnerstraße 73
    Tel. 33 140/89699
  • 22., Langobardenstraße 128/12
    Tel. 285 45 37
  • Im Institut für Erziehungshilfe:
    10., Sahulkastraße 5/Stg. 35
    Tel. 616 16 74
    Montag - Freitag 9 - 17 Uhr (Frau Dr. Smolen)
(Schluss) nk

(RK vom 30.10.2000)