Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 04.07.2000:
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Faymann: Wohnbauförderungskürzung der Regierung hieße Neubaustopp

Wien, (OTS) "Die Pläne der Bundesregierung liegen auf dem Tisch. Sie will die Bundesmittel zur Wohnbauförderung um 15 Milliarden Schilling bzw. 62,5% kürzen. Das würde des Ende des Wohnungsneubaus in Wien bedeuten", sagte Wohnbaustadtrat Werner Faymann am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ...

Wien, (OTS) "Die Pläne der Bundesregierung liegen auf dem Tisch. Sie will die Bundesmittel zur Wohnbauförderung um 15 Milliarden Schilling bzw. 62,5% kürzen. Das würde des Ende des Wohnungsneubaus in Wien bedeuten", sagte Wohnbaustadtrat Werner Faymann am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bürgermeister Häupl. "Um das derzeit gute Angebot am Wohnungsmarkt sowohl die Qualität als auch die Quantität betreffend aufrechterhalten, müssen in Wien aber laut aktuellen Studien in den nächsten zehn Jahren 58.000 geförderte Wohnungen neu erbaut und 75.000 Wohnungen saniert werden. Im Jahr 1999 wurden 6.988 neue Wohnungen und knapp 8.000 Wohnungssanierungen gefördert. Die Wohnbauförderungsmittel des Bundes für Wien müssen daher mindestens in der selben Höhe vom Bund zur Verfügung gestellt werden, wie bisher", erklärte der Wohnbaustadtrat.****

Grundlage dieser Zielsetzungen sind drei Untersuchungen über den zukünftigen Bedarf an Wohnungen und Wohnbauförderung in den kommenden Jahren (Karl Czasny/Peter Moser: "Einsatz und Gesamtauswirkung der Wohnbauförderungsmittel" und Österreichische Raumordnungskonferenz, Heinz Fassmann/Rainer Münz: "Haushaltsentwicklung und Wohnungsbedarf in Österreich 19962021" sowie Dr. Wolfgang Amann, Mag. Norbert Neuwirth, DI Birgit Schuster: "Der Wiener Wohnungsmarkt im nächsten Jahrzehnt").

"Auf jeden Fall wollen wir eine Knappheit am Wohnungsmarkt und ein dadurch bedingtes höheres Preisniveau, wie es in der ersten Hälfte der 90er Jahre bedingt durch die Öffnung Osteuropas eingetreten ist, vermeiden. Eine zukunftsorientierte Wohnbaupolitik muss dafür Vorsorge treffen. Grundvoraussetzung dafür ist, dass der Bund entgegen den Kürzungsgerüchten die Wohnbauförderungsmittel in unveränderter Höhe bereithält", so Faymann weiter.

"Die Förderung des Wohnungsneubaus und der Sanierung in Wien hat die Funktion, zeitgemäße, qualitätsvolle und leistbare Wohnungen für Personen und Familien auch mit geringem Einkommen zu schaffen. Dadurch wird ein wesentlicher Beitrag zur sozialen Durchmischung geleistet und soziale Gettoisierung vermieden. In den letzten fünf Jahren wurden 36.400 geförderte Wohnungen neu errichtet, in den letzten 15 Jahren (1984 bis 1999) hat die Gemeinde Wien sogar die Sanierung von 3.297 Objekten mit 146.000 Wohnungen gefördert und dafür 38,8 Milliarden Schilling ausgegeben. Neben der sozialen Durchmischung setzt Wien dadurch einen wesentlichen Impuls für den "Konjunkturmotor" Bauwirtschaft. Auf etwa 15.000 Arbeitsplätze im Bau- und Baunebengewerbe wird der beschäftigungspolitische Effekt der Wiener Wohnbauförderung geschätzt. Darüber hinaus steuert Wien das städtebauliche und architektonische Bild der Bundeshauptstadt und leistet durch die thermische Sanierung einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz."

Die Gestaltung der Wohnbauförderung will der Wohnbaustadtrat verändern. Die personenbezogenen Förderungen, die in den letzten Jahren bereits verdreifacht wurden (Superförderung, Jungfamilienförderung, Verbesserung der Wohnbeihilfe, Eigenmittelersatzdarlehen) sollen weiter ausgebaut werden. Konkret heißt das: Jeder, der die Förderungskriterien erfüllt, soll Wohnbeihilfe erhalten. Unabhängig davon, ob er in einer geförderten oder in einer privaten Wohnung wohnt. "Wir wollen die allgemeine Wohnbeihilfe. Das heißt, jeder, der die Förderungskriterien erfüllt, soll bei entsprechend langem Aufenthalt Wohnbeihilfe erhalten. Dadurch setzen wir einen spürbaren Schritt zu mehr Gerechtigkeit und sozialer Treffsicherheit in Wien", sagte Faymann, der die Mehrkosten dieser Maßnahme mit etwa 700 Millionen Schilling pro Jahr bezifferte.

Die Prognosen lassen folgende Schwerpunkte für die Zukunft Wiens erkennen:

  • Die Einwohnerzahl wird sogar bei einem konservativen
    Entwicklungsszenario - kontinuierlich ansteigen. Und zwar von
    derzeit 1,610.000 auf etwa 1.640.000 im Jahr 2011 und 1,670.000
    im Jahr 2021.
  • Die Haushaltsgröße wird sinken, die Anzahl der Haushalte wird
    dadurch höher. Und zwar von derzeit etwa 785.000 Haushalten auf
    790.000 im Jahr 2001, 800.000 im Jahr 2006 und 860.000 im Jahr
    2011. Durch diese Tendenz zur Verkleinerung der Haushalte (mehr
    Single- Zweipersonen-, weniger Drei- und Mehrpersonenhaushalte)
    ergibt sich ein höherer Bedarf an Wohnungen.
  • Aufgrund der alten Bausubstanz ist der Sanierungsbedarf in Wien
    am größten. Fast 40 Prozent aller sanierungsbedürftigen
    Wohnungen Österreichs sind in der Bundeshauptstadt.
  • Allein durch Wohnungszusammenlegungen und Wohnungsabriss gehen
    in Wien jährlich knapp 3.000 Wohnungen verloren. Sogar unter der
    Annahme eines gleich bleibenden Wohnungsbedarfs müssten diese
    Wohnungen ersetzt werden.

Diese Trends lassen darauf schließen, dass die Nachfrage nach leistbaren und qualitativ guten Wohnungen nicht nur weiter ungebrochen sein, sondern sogar ansteigen wird. Der bewährte Weg der sanften Stadterneuerung und des Vermeidens von Ghettobildungen kann auch in Zukunft nur durch das Instrument der Wohnbauförderung zumindest in derselben Höhe wie bisher gewährleistet sein. Im Durchschnitt der letzten Jahre hat Wien vom Bund aus diesem Titel zwischen 6 Milliarden und 6,7 Milliarden Schilling erhalten. Insgesamt haben die Bundesländer zwischen 20 und 25 Milliarden Schilling pro Jahr erhalten. Die Rücklagen und die zu erwartenden Rückflüsse aus früheren Wohnbauförderungsdarlehen können den Wohnbauförderungszuschuss des Bundes nicht einmal teilweise ersetzen. Diese Beträge des Landes Wien sind notwendig, um die Verpflichtungen aufgrund von bestehenden Förderungszusicherungen (für Wohnungsneubau und Wohnhaussanierung) zu bedecken. Frei finanzierter Wohnungsneubau wiederum würde Mieten oder Kaufpreise nach sich ziehen, die weder für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen noch für Mittelschichten leistbar sind.

Subjektförderung ausbauen

Um eine noch höhere soziale Treffsicherheit gewährleisten zu können, will der Wohnbaustadtrat die Subjektförderung weiter ausbauen. Bereits in den letzten Jahren wurde dieser Schwerpunkt gesetzt. Als Eigenmittelersatzdarlehen, Wohnbeihilfe und Superförderung haben die Mieter 1993 insgesamt 481,5 Millionen Schilling erhalten. Mittlerweile sind diese Subjektförderungen im Jahr 1999 auf 1,44 Milliarden Schilling verdreifacht worden. Gleichzeitig wurde die Objektförderung von 1993 6,3 Milliarden Schilling auf 2,9 Milliarden Schilling im Jahr 1999 verringert. Insgesamt gab Wien für die Förderung von Wohnbau und Wohnhaussanierung 8.114 Millionen Schilling aus.

Mit der allgemeinen Wohnbeihilfe entspricht die Gemeinde auch einer Forderung der Studie "Der Wiener Wohnungsmarkt im nächsten Jahrzehnt": "Die Subjektförderung oder einkommensbezogene Modelle der Objektförderung werden sicherlich zunehmend an Bedeutung gewinnen, um die soziale Treffsicherheit zu erhöhen" (Amann/Neuwirth/ Schuster S 43)

Wien ist anders

Die Wiener Wohnbauförderung unterscheidet sich von den anderen Bundesländern in einigen wesentlichen Punkten:

  • Durch verschiedene Instrumente des Wettbewerbs konnten in Wien
    die Baukosten deutlich gesenkt werden. So durch die Vorgabe
    eines Limits bei den Wohnungskosten bzw. durch einen
    Bauträgerwettbewerb die Bau- und Finanzierungskosten, durch die
    Schaffung des Grundstücksbeirates und die Entkoppelung der
    Förderungshöhe von den Errichtungskosten. Gleichzeitig konnte
    eine ökologische und architektonische Qualitätssteigerung
    erzielt werden. Eine weitere Einsparung der Förderungsmittel
    wäre daher ohne spürbare Qualitätsabstriche nicht möglich.
  • Die Förderung von Eigenheimen ist mit einem Anteil von etwa 3%
    an der Gesamtförderung deutlich geringer als in Restösterreich.
    (In der Steiermark macht die Förderung von Eigenheimen etwa 45%,
    in Niederösterreich und Burgenland sogar um die 90 Prozent der
    gesamten Förderungen aus). Dem gegenüber fließen 85 % der
    Förderungsmittel in Wien in Mietwohnungen.
  • Ein relativ hoher Neubaubedarf ergibt sich für alte, abgewohnte
    Wohnbausubstanz, deren Sanierung unwirtschaftlich ist. Dazu
    kommt der Ersatzbedarf für zusammengelegte und umgewidmete
    Wohnungen. Aufgrund der alten Bausubstanz trifft dieser Punkt
    Wien mehr als die anderen Bundesländer.
  • In Wien ist der Prozentsatz alter Bausubstanz deutlich höher als
    im Bundesdurchschnitt. Dadurch ergibt sich ein notwendiger
    Mehraufwand für Sanierungen. Mit einem Sanierungsbedarf bei 17,4
    Prozent aller Wohnungen liegt Wien um 6,3 Prozentpunkte über dem
    österreichweiten Sanierungsbedarf.
(Schluss) gmp

(RK vom 04.07.2000)