Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 15.09.1999:
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte (Termine, Kontaktmöglichkeiten,...) möglicherweise nicht mehr aktuell sind.

Görg: Wien entwickelt sich zum Mediationszentrum

Wien, (OTS) In seiner Pressekonferenz zum Thema "Mediation" sagte Vizebürgermeister Dr. Bernhard Görg am Mittwoch, er begrüße den Gedanken, dass sich Wien in den nächsten Tagen mit dem Zukunftsthema "Mediation - Konfliktmanagement" wieder als internationales Zentrum der Wissenschaft und des Intellekts positioniere ...

Wien, (OTS) In seiner Pressekonferenz zum Thema "Mediation" sagte Vizebürgermeister Dr. Bernhard Görg am Mittwoch, er begrüße den Gedanken, dass sich Wien in den nächsten Tagen mit dem Zukunftsthema "Mediation - Konfliktmanagement" wieder als internationales Zentrum der Wissenschaft und des Intellekts positioniere.

Die Pressekonferenz war Auftakt eines viertägigen Symposiums, das die ARGE Sozialpädagogik unter dem Titel "1. Wiener Konferenz für Mediation" vom 15. bis 18. September im Alten AKH veranstaltet. Passend zum Thema präsentierte Falter-Chefredakteur Dr. Armin Thurnher, im Anschluss an die Pressekonferenz das im Falter-Verlag erschienene Buch "Mediation - Einblicke in Theorie und Praxis professioneller Konfliktregelegung".****

"Ich bin ein Verfechter des Mediationsmodells und glaube speziell in der Politik an diese Form der modernen Konfliktlösung," so Vizebürgermeister Dr. Bernhard Görg, der auf eine Reihe von Stadtgroßprojekten hinwies (B12b, U-Bahn-Bau, Lainzer Tunnel, etc.) bei der er persönlich auf die "wichtige" Rolle des Konfliktlösungsmanagements nicht verzichten wollte. "Wir trauen uns jetzt endlich wieder über Großprojekte in dieser Stadt, dann muss man auch als Politiker "lernfähig" sein", so Vizebürgermeister Görg. "Ich habe bei den von mir initiierten Bürgerbeteiligungs- und Mediationsmodellen einen Lernprozess mitgemacht, den ich trotz des Zeitaufwandes, den diese Verfahren immer verursachen, nur empfehlen kann."

Er habe die im Arbeitsübereinkommen der Wiener Stadtregierung vom November 1996 getroffene Vereinbarung seit seinem Amtsantritt ernst genommen, die da lautet: "Die Koalitionspartner teilen das Grundbekenntnis zur Bürgerbeteiligung bei Planungsverfahren, insbesondere die rechtzeitige Information der Betroffenen ist zu erweitern."

Die Wiener Stadtplanung habe diesen Vorsatz im wahrsten Sinnes des Wortes bei unterschiedlichsten Planungsvorhaben "gelebt":

Fallbeispiele:

  • Straßenbauvorhaben: B12b (Altmannsdorfer Anger), B3 (Umfahrung
    Floridsdorf, Kagran)
  • Schienenverkehr: Lainzer Tunnel, U1-Verlängerung nach Norden,
    U2/5
  • Platzgestaltung und Gebietsentwicklung (Yppenplatz, KDAG-Gründe)

Bei all diesen partizipativen Verfahren wurde versucht, das jeweilige Modell der Bürgerbeteiligung abhängig von der jeweiligen Situation an Ort und Stelle, der Problemstellung und des Entwicklungsstadiums des jeweiligen Projekts abzuwickeln.

Ergebnisse:

Gleich das erste Straßenbauvorhaben "B12b " - brachte einen durchschlagenden Erfolg:

Nach rund 20 Jahren Streit um eine Verkehrslösung (Autobahnverlängerung oder Abbiegerelationen im bestehenden Straßennetz) konnte im Dialog mit BürgerInnen und Experten eine Lösung entwickelt werden, die

  • schneller realisierbar ist
  • wesentlich billiger kommt
  • Anrainer und Umwelt weniger belastet, als die ursprünglich
    vorgesehene Verlängerung der Autobahn

Derart "glatte" Lösungen bilden aber speziell "Konfliktmanagement" die Ausnahme. Wesentlich diffiziler war z.B. die Vorgangsweise bei den U-Bahnen, die einiges an Mehrkosten, aber wesentliche Verbesserungen für die Anrainer brachte.

Komplex auch die Situation bei der Bundesstraße B3: Nach einem achtmonatigen Beteiligungsverfahren war im Sinne des generellen Nutzens für die Wienerinnen und Wiener insgesamt zu entscheiden. Dabei war die Schwierigkeit, Nachteile für einzelne Betroffene zu minimieren und Ausgleich bzw. Entlastung anzubieten (z.B: Ersatz für verloren gehende Kleingärten).

  • Integrierte Verkehrslösung

Die Entscheidung brachte insofern eine Novität, als erstmals der Bau einer (urbanen Bedingungen angepassten !) Straße kombiniert wurde mit Maßnahmen der Verkehrsberuhigung und der Beschleunigung des Öffentlichen Verkehrs im Umfeld.

  • Akzeptanz

Wurde vor Beginn des Bürgerbeteiligungsverfahrens zur B3 das Vorhaben von Bürgern, Initiativen und Oppositionspolitikern heftigst kritisiert, so wurde nachher konzediert, dass Transparenz gegeben war und die Entscheidung letzten Endes zweckmäßig war.

Gemeinsame Elemente der Mediations- und Bürgerbeteiligungsverfahren in Wien:

  • Transparenz
  • vollständige und offene Informationspolitik
  • verständliche, nachvollziehbare Planung
  • Variantenbildung im Dialog mit Experten unter Berücksichtigung
    der Bürgerwünsche
  • klare Aufgaben- und Rollenverteilung zwischen Bürgern,
    Politikern und Experten

Bürger bringen Wünsche, Ängste, Vorbehalte und Ideen ein. Experten leisten zwischen den Dialogrunden konzeptive Planungsarbeit. Die zuständigen Politiker haben unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten im Sinne der Optimierung des Gemeinwohls zu entscheiden.

Ziele des Wiener Modells der Bürgerbeteiligung:

  • Die Bürger sollen in kommunalen Fragen mitwirken: Das ist keine
    Gnade der Politik, es sind viel mehr die eigenen
    Angelegenheiten, in die sich die Bürger selbständig einmischen
    sollen.
  • Zielfindung und Lösungsentwicklung in komplexen, mit
    Zielkonflikten beladenen Problemsituationen

Die wichtigsten Spielregeln (am Beispiel: B3) sind:

  • Konzentration der Arbeit auf die Variantenprüfung B3 - Donaufeld
    (kein Ablenken auf Nebenschauplätze oder in allgemeine Debatten)
  • Offene, faire Diskussion
  • Spielregeln eines guten Dialoges einhalten
  • Abstimmung nur über Verfahrensfragen, nicht über
    Trassenvarianten
  • Minderheitenmeinungen werden protokolliert
  • Zeitplan einhalten

Wesentlich für Glaubwürdigkeit und Erfolg der Wiener Verfahren war die neutrale Moderation. Die Beauftragung eines Supervisors, der nicht unmittelbar ins Verfahren involviert wird, aber die Einhaltung der Verfahrensregeln ebenso wie die fachliche Konsistenz begutachtet, hat sich beim Verfahren zur B3 bewährt. (Schluss) lei

(RK vom 15.09.1999)