Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 15.02.1999:
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Brauner: Wienerinnen wollen Eigenständigkeit

Wien, (OTS) Bezugnehmend auf die soeben vorgelegten ersten Ergebnisse einer Erhebung des Frauenbüros der Stadt Wien unter dem Titel "Wiener Frauenbarometer - Arbeitswelt" (IFES, 2300 Befragte) nahm Frauenstadträtin Mag. Renate Brauner Montag, gegenüber der Rathauskorrespondenz Stellung zu den Anforderungen an die ...

Wien, (OTS) Bezugnehmend auf die soeben vorgelegten ersten Ergebnisse einer Erhebung des Frauenbüros der Stadt Wien unter dem Titel "Wiener Frauenbarometer - Arbeitswelt" (IFES, 2300 Befragte) nahm Frauenstadträtin Mag. Renate Brauner Montag, gegenüber der Rathauskorrespondenz Stellung zu den Anforderungen an die Politik, die auf Grundlage der Wünsche der Frauen im Vordergrund stehen sollten. "Hauptthema all unserer Bestrebungen muss die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sein - für Frauen und für Männer," so Brauner.

Wunsch der Frauen nach Eigenständigkeit respektieren

Politische Maßnahmen dürften an folgenden Fakten vorbeigehen:

  • drei Viertel aller Frauen wollen berufstätig sein,
  • die damit verbundene Eigenständigkeit sehen sie als grössten
    Vorteil der Berufstätigkeit an,
  • 86 Prozent der berufstätigen bzw. karenzierten Wienerinnen
    wollen trotz der Nachteile (ungleiche Lohnverhältnisse und
    Aufstiegsschancen) ihren Beruf behalten, auch wenn der Mann bzw.
    Lebenspartner mehr verdienen würde.

"Diesen Wünschen der Frauen muss seitens der politischen Ebene der angemessene Respekt zukommen, ein Zugang also, den ich in der Debatte bisher vermisst habe, " zeigte sich Brauner irritiert. Genauso sei bisher in der Debatte die Verantwortung der Männer für Haushalt und Familie zu kurz gekommen.

Frauen wollen Beruf und Familie

"Die Studie des Frauenbüros der Stadt Wien zeigt eindeutig, dass eine überwältigende Mehrheit der Frauen Beruf und Familie, Kind und Job, Karriere und Partnerschaft haben will," sagte Brauner. "Die Zeiten, in denen Frauen zwischen Beruf und Familie wählen müssen, sind endgültig vorbei. Die große Mehrheit der Frauen - egal ob jünger oder älter - will beides, und das mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie die Männer," folgerte die Wiener Frauenstadträtin. Allererster Auftrag an die Politik sei es daher, Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen und die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer zu verbessern.

Brauner wandte sich gegen Massnahmen, die Frauen aus der Berufstätigkeit und damit langfristig in eine Abhängigkeits- und Armutsfalle treiben würden. "Von Massnahmen wie dem Kinderbetreuungsscheck und dem Karenzgeld nach dem Giesskannenprinzip profitieren ausschliesslich Frauen, die noch nie berufstätig waren, während Frauen mit niedrigen Einkommen, also vorwiegend Alleinerzieherinnen, sogar verlieren," zitierte Brauner aus der Studie des Wiener Frauenbüros über die Auswirkungen eines Kinderbetreuungsschecks auf Wien (Finder, 1998).

Brauner für Beibehaltung des Versicherungsprinzips beim Karenzgeld

"Die von konservativer Seite eingebrachte Absage an das Versicherungsprinzip beim Karenzgeld stellt einen Schlag ins Gesicht der berufstätigen Frauen, die nicht zuletzt auch mit den Beiträgen aus ihrer Arbeit in den Familienlastenausgleichsfonds einzahlen," kritisierte Brauner.

Sie werde nicht müde, zu betonen, dass es notwendig sei, jenen zu helfen, die besonders benachteiligt sind, also AlleinerzieherInnen, die von einer Erhöhung des Karenzgelds, dem Recht auf Teilzeitarbeit und einem passenden Kinderbetreuungsangebot am meisten profitieren würden," sagte die Frauenstadträtin.

"Gerade AlleinerzieherInnen aber würden mehr von einer gesicherten Kinderbetreuung als von einer Ausdehnung der Karenzzeit profitieren - die Unterbrechung der Berufstätigkeit wird kürzer, damit sind tendentiell weniger Wiedereinstiegsprobleme vorhanden," bekannte Brauner. Dennoch sollten aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit Alleinerzieherinnen einen Anspruch auf zweijährigen Karenzgeldbezug erhalten. Auch seien zusätzliche Hilfen für StudentInnen denkbar, die es in Wien im Rahmen der Sozialhilfe des Landes bereits gäbe, um die Unterbrechung der Ausbildung von studierenden Eltern abzufedern. Die Schaffung eines eigenständigen Karenzanspruchs für Väter wäre ein wichtiges Signal für eine Gesellschaft, die sich zu einer geteilten und partnerschaftlichen Verantwortung der Eltern für die Kinderbetreuung bekennt.

Brauner: FLAF-Überschuss für Beschäftigungspolitik und Leistungen der Länder für sozial schwache Familien nützen

Es sei daher sinnvoll, anstelle an Modellen, denen "aus ideologischen Gründen ein unausgewogenes Giesskannenprinzip zugrunde liegt, an Maßnahmen zu arbeiten, die eine Verbesserung der Eigenständikeit von Frauen zum Ziel haben und Frauen wie Männer bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützen", sagte Brauner.

Die Wiener Frauenstadträtin sprach sich dafür aus, den erwarteten FLAF-Überschuss für positive Massnahmen mit einem positiven beschäftigungspolitischen Effekt einzusetzen (Senkung der Lohnnebenkosten, aktive Arbeitsmarktpolitik) und für eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie - gerade bei sozial schwachen Familien - zur Verfügung zu stellen. "In Wien könnten wir damit Familien in sozial besonders schwierigen Fällen treffsicher und besser helfen und mehr Massnahmen für Frauen, die wieder in den Beruf einsteigen wollen oder einen besonderen Qualifizierungsbedarf haben, setzen," so Brauner abschließend. (Schluß) mk

(RK vom 15.02.1999)