Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 18.06.1996:
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Die "neue" Bauordnung für Wien ist fertig
Wien, 18.6. (RK-KOMMUNAL) Am Montag wurde die neue Bauordnung, mit Ausnahme jener Teile, die noch einem Notifizierungsverfahren durch die EU bedürfen, im eigens eingesetzten "Unterausschuß Bauordnungsreform" abgesegnet und im zuständigen Gemeinderatsausschuß für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Außenbeziehungen der ...
Wien, 18.6. (RK-KOMMUNAL) Am Montag wurde die neue Bauordnung, mit Ausnahme jener Teile, die noch einem Notifizierungsverfahren durch die EU bedürfen, im eigens eingesetzten "Unterausschuß Bauordnungsreform" abgesegnet und im zuständigen Gemeinderatsausschuß für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Außenbeziehungen der Stadt Wien beschlossen.Auch die Neufassung des Wiener Garagengesetzes stand auf der Tagesordnung und fand einhellige Zustimmung - hier gibt es zahlreiche Verknüpfungspunkte zur Bauordnung für Wien.****
Die neue Bauordnung wird dem Wiener Landtag am 27. Juni zur Beschlußfassung vorgelegt; das Inkrafttreten hängt von noch einzuhaltenden Fristen (Einspruchsrecht der Bundesregierung) ab und steht in engem Zusammenhang mit der erforderlichen Schulung all jener vielen Mitarbeiter (Planungsdienststellen, Baubehörde, etc.), für die diese Gesetzesmaterie Basis ihrer täglichen Arbeit ist.
Planungsstadtrat Dr. Hannes SWOBODA Dienstag im Pressegespräch des Bürgermeisters zur Fertigstellung der neuen Wiener Bauordnung: "Man kann zweifellos sagen, daß die neue Bauordnung für Wien ein revolutionäres Reformwerk ist. Die derzeit geltende Bauordnung besteht seit immerhin 65 Jahren und mußte immer wieder schrittweise novelliert werden. Die Folge davon war Unübresichtlichkeit und zum Teil Unklarheit der Bestimmungen. Durch die Radikalkur der Generalreform wurde dies jetzt beseitigt."
Die neue Bauordnung ist
- einfacher,
- schlanker,
- bürgerfreundlicher, sie ist aber auch
- ökologischer.
13.000 Bauansuchen pro Jahr
"Wie wichtig die Generalreform war und ist, zeigt auch die Tatsache, daß es immerhin rund 13.000 Bauansuchen pro Jahr gibt", sagte Swoboda. Die Bauordnung und ihre Regelungen betreffen also bei weitem keine Minderheit. Nunmehr haben wir mit der neuen Wiener Bauordnung ein beispielgebendes Gesetzeswerk für den Aufbruch ins 21. Jahrhundert, und wir haben mit ihr einen Riesenschritt zu einer noch offeneren, flexibleren und moderneren Stadtverwaltung gemacht."Die wichtigsten Zielsetzungen der neuen Bauordnung kurz zusammengefaßt:
- weniger Verwaltungsaufwand
- weniger Reglements im privaten Lebensbereich
- weniger Wirtschaftshemmnisse durch kürzere Verfahren und
weitestgehende Deregulierung - mehr Spielraum für Architekten und Bauherren
- mehr Individualität für die Objektnutzer
- wesentliche Schritte zur Erhaltung zw. Wiedergewinnung der
natürlichen Ressourcen.
Wesentliche Inhalte der Generalreform
Die nachfolgenden Beispiele stellen selbstverständlich nur einen kleinen Auszug der neuen Wiener Bauordnung dar. Dabei ist außerdem klar, daß anhand der praktischen Erfahrungen da oder dort Nachjustierungen notwendig sein werden.- Die für Bauherren und Behörden wohl einschneidendste Verbesserung
ist das sogenannte "Vereinfachte Bauverfahren":
Der Baubwerber hat der Behörde lediglich die Plangrundlagen vorzulegen, die von einem Zivilingenieur nachweislich überprüft sein müssen. Diese prüft dann innerhalb von längstens 3 Monaten, ob das Vorhaben allen gesetzlichen Erfordernissen entspricht. Der Baubeginn wird schließlich nur noch durch eine Baubeginnsanzeige bekanntgegeben. Dieser für alle Beteiligten wesentlich erleichterte Ablauf bringt aber gleichzeitig ein Mehr an Verantwortlichkeit der einzelnen Bauherren und Planer mit sich.
Damit wird auch ein leider oftmals zu beobachtender Mißbrauch ausgeschaltet, indem sich Anrainer ihre Zustimmung "abkaufen" ließen, obwohl klar war, daß ihre Einsprüche keine Chance gehabt hätten. Allein die drohende beträchtliche Verzögerung hat diesem Mißbrauch aber zunehmend Vorschub geleistet.
- Eine Bausperre wird künftig nicht mehr verhängt und verlängert,
sondern generell drei Jahre ohne Verlängerungsmöglichkeit
gelten (ausgenommen übergeordnete Verkehrstrassen maximal 2 x 3
Jahre). Das bedeutet weniger Verwaltungsaufwand (die zweimalige
Verlängerung um je ein Jahr und die damit verbundenen, aufwendigen
Verfahren entfallen). Andererseits wird durch die insgesamt
erfolgte Verkürzung (3 Jahre anstatt 2 + 1 + 1) die Erarbeitung
eines neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes beschleunigt. - Die sogenannte "Gehsteigverpflichtung" wird neu geregelt: in
Hinkunft wird es nicht mehr nötig sein, daß der Bauwerber den
Gehsteig als Naturalleistung erbringt (und mit mühsamen und
langwierigen Verfahren belastet wird), sondern es wird der
Gehsteigverpflichtung in Form einer Geldleistung nachgekommen.
Die Stadt Wien kann den Gehsteig dann zu gegebener Zeit "in
einem" errichten und übernehmen, ohne daß der Anlieger damit
behelligt wird. - Die Widmung "ÖZ" (Grundfläche für öffentliche Zwecke) kann künftig
nicht mehr unbegrenzt aufrecht erhalten werden, ohne daß der
Widmungszweck erfüllt wird (begrenzt auf 12 Jahre) - wesentliche
Verbesserung für "betroffene" Grundeigentümer. - Für Einkaufszentren kann künftig zur Sicherung bestehender
Strukturen der Nahversorgung für die Bevölkerung auch festgelegt
werden, daß nur Fachmärkte, aber keine Einkaufszentren für
Lebensmittel errichtet werden dürfen. - Die Bauklassen (zulässige Gebäudehöhe) werden in Hinkunft nach
unten und oben flexibler gestaltet. Dadurch wird mehr
Individualität ermöglicht und etwa auch der Dachbodenausbau, als
wichtiges Element zur flächensparenden und somit ökologisch
inneren Verdichtung, erleichtert. - Detaillierte Definitionsvorschriften für Nebenräume entfallen und
machen funktionalen Erfordernissen Platz ("Bademöglichkeit",
Kochgelegenheit", etc.). Das bringt mehr Gestaltungsfreiheit
für den Benutzer und entschieden mehr Spielraum in den eigenen
vier Wänden. - Verglasungen von Loggien und Balkonen werden wesentlich erleichtert
- dies bedeutet nicht nur Verbesserungen für Interessenten und
Behörde, sondern erzielt auch nicht zu unterschätzende allgemeine
und individuelle energiewirtschaftliche Effekte.
- So wird künftig nicht mehr jede Wohnung von vornherein in allen
Details behindertengereicht gebaut werden müssen, wenn der
Nachweis erbracht wird, daß durch einfache Umbaumaßnmahmen eine
behindertengerechte Ausgestaltung möglich ist. Damit wird das
Bauen wesentlich erleichtert (und auch verbilligt), und
gleichzeitig ist gewährleistet, daß gegebenenfalls den
individuellen Anforderungen an die Wohnung auf Grund der jeweiligen
Behinderung besser entsprochen werden kann.
- Darüber hinaus werden künftig auch mechanische Aufstiegshilfen
(Schrägaufzüge, etc. - weniger Platzverbrauch als Rampen) für
die Gewährleistung der Zugänglichkeit von Gebäuden für behinderte
oder gebrechliche Menschen vom Gesetz akzeptiert. - Ziel ist es, alle Gebäude und baulichen Anlagen künftig so zu
gestalten, daß sie von allen unbehindert und barrierefrei
benützt werden könne, weil es auch für nichtbehinderte Menschen
angenehmer und bequemer ist, im täglichen Leben nicht ständig mit
Stufen und anderen Hindernissen konfrontiert zu werden. Dieses
Ziel findet in zahlreichen Bestimmungen der neuen Bauordnung
immer wieder seine Entsprechung.
- Fast als eigenen "Themenkomplex" könnte man die nunmehr nochmals
neu zu fassende Wärmeschutzverordnung, deren Novellierung vor zwei
Jahren bereits einen bedeutenden Fortschritt dargestellt hat,
bezeichnen. Zusammengefaßt wird nunmehr vom "k-Wert"
(Wärmedurchgangskoeffizient - starres Maß für einzelne Bauteile)
abgegangen und auf eine Wärmebedarfsberechnung für das gesamte
Objekt umgestellt. Dies bringt Wärmeenergieeinsparungen bis
zu 11 Prozent, wodurch eine deutliche Annäherung an das Niveau
des sogenannten "Niedrigenergiehauses" erreicht wird. - Beispielhaft für zahlreiche weitere Maßnahmen im Gesetz, die das
Energiesparen erleichtern, ist der künftige Entfall des Gebots
zur Vergrößerung der Fensterfläche bei tieferen Räumen
(Energieverlust oder hohe Kosten für "Sondergrößen" bei
Wärmeschutzfenstern). Sinn dieser Bestimmung war die Sicherstellung
einer ausreichenden Belichtung des einzelnen Aufenthaltsraumes,
die nunmehr durch die Summe der Belichtung aller Aufenthaltsräume
ersetzt wird. Auch hier entsteht zudem der positive Effekt der
individuelleren Gestaltungsmöglichkeit für den Benutzer. - Auch die oft geforderte und von vielen gewünschte reine
Holzbauweise wird durch zahlreiche Erleichterungen ermöglicht,
zumal auch die modernen technischen Möglichkeiten hinsichtlich
Feuchtigkeits-, Wärme- oder Brandschutz dies inzwischen ohne
weiteres zulassen. - Eine weitere Neuerung ist auch die Möglichkeit, in bestimmten
Gebieten die Einleitung der Niederschlagswässer in den Kanal zu
untersagen. Dies geschieht im Interesse des Grundwasserhaushaltes
und ist ein ganz bedeutender Faktor. - Eine weitere Änderung in Richtung Ökologisierung ist, daß bei
größeren Bauplätzen ein gewisser Anteil davon unversiegelt
(unterirdisch und oberirdisch unbebaut) bleiben muß, was vor allem
im dicht bebauten Stadtgebiet wichtig ist, - um der zunehmenden
Bodenversiegelung entgegenzuwirken. - Wo künftig die gärtnerische Ausgestaltung festgelegt wird, sind
entsprechende Gestaltungspläne zur Sicherstellung einer auch zu
realisierenden qualitätsvollen "Erstausstattung" auszuarbeiten.
Generell wird es künftig bei Neubauten Aufgabe des Magistrats
sein, zu überprüfen, ob das, was an gärtnerischer Ausgestaltung
angeboten wird, auch tatsächlich ökologisch und gestalterisch
zeitgemäßen Anforderungen genügt. - Darüber hinaus wurde ein "Baumpflanzgebot" in das Gesetz
aufgenommen, das lautet: Für gärtnerisch zu gestaltende Flächen
ist pro 250 Quadratmeter ein Baum zu setzen.
Das neue Wiener Garagengesetz
Diese Novellierung enthält zahlreiche Modernisierungen und Anpassungen an heutige Erfordernisse und moderne technische Standards und steht in weiten Bereichen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bauordnung für Wien. Darüber hinaus enthält das neue Garagengesetz wesentliche Aspekte, die den Inhalten des Wiener Verkehrskonzepts entsprechen und damit den Auftrag des Wiener Gemeinderats, der dieses Verkehrskonzept beschlossen hat, erfüllen.- Enthalten ist das grundsätzliche Verbot, Kraftfahrzeuge auf
gärtnerisch auszugestaltenden Flächen abzustellen (Schutz der
"grünen Innenhöfe"). Ausnahmen gibt es nur in besonderen Fällen
(Seitenabständen, Vorgärten) und unter bestimmten Voraussetzungen. - Es ermöglicht dem Gemeinderat außerdem, Verordnungen zu erlassen,
wodurch in bestimmten Gebieten von der Erfüllung der "normalen"
Stellplatzverpflichtung abzugehen ist. Ein aktuelles Beispiel
ist die "Autofreie Siedlung". Durch solche Verordnungen kann z.B.
auch die Herstellung von Stellplätzen untersagt und die Entrichtung
der Ausgleichsabgabe vorgeschrieben werden (z.B. Fußgängerzonen,
Schutzzonen). Dieses verkehrspolitisch bedeutsame
Regulierungsinstrument gewährleistet auch, daß etwa dort, wo ein
Mehr an Verkehrsaufkommen zu massiven Problemen führen würde,
dennoch notwendige Wohnungen errichtet werden können. Oder, daß
an Geschäftsstraßen mit unmittelbarem U-Bahn-Anschluß
(Favoritenstraße, Mariahilfer Straße) nicht alle Pflichtstellplätze
für ein Geschäftshaus errichtet werden müssen. Heute führt das oft
zu technisch kaum bewältigbaren, bzw. wirtschaftlich
unverkraftbaren Problemen, die letztlich ein sinnvolles Projekt zu
verhindern imstande sind.
(RK vom 18.06.1996)
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