Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 06.12.1995:
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"ULF kommt"

Wien, 6.12. (RK-KOMMUNAL) Mitte Mai 1995 wurden den Wiener Linien von derHerstellerfirma SGP-Verkehrstechnik zwei Prototypen der neuen WienerNiederflurstraßenbahn übergeben. Nach ausführlichen Tests hat dieAufsichtsbehörde nun ihr "Okay" erteilt. Der voraussichtlich etwaeinjährige Probebetrieb mit Fahrgästen kann daher noch vor Weihnachtenbeginnen, teilte Stadtrat Johann HATZL Mittwoch anläßlich der erstenAusfahrt mit Fahrgästen mit.****

Zwtl.: Die entscheidenden Vorteile der neuen Technik Mit demNiederflur-Gelenktriebwagen SGP ULF 197 der Typen A (kurze Version) und B(lange Version) stehen den Wiener Linien und ihren Fahrgästen nun Fahrzeugemit der weltweit niedrigsten Einstiegshöhe von 18 cm zur Verfügung. Der Wagenboden ist völlig eben, ohne Rampen oder Stufen. Dadurch wird denFahrgästen ein Einstiegs- und Fahrkomfort geboten, der bislang nur von derU-Bahn her bekannt war. Möglich wurde diese Konstruktion durch eineFahrwerksanordnung, die auf durchgehende Achsen verzichtet und statt dessenelektrisch angetriebene Einzelräder verwendet. Im Bedarfsfall kanndurch eine "Kneeling-Einrichtung" die Einstiegshöhe noch weiter - bis auf10 cm - reduziert werden. Außerdem ist bei der ersten Tür eine ausfahrbareRampe für Rollstühle angebracht. o Die Motoren (Type A verfügt über sechs,Type B über acht Drehstrommotoren mit einer Dauerleistung von je 60 kw)sind mit den Antriebsrädern und den Bremseinrichtungen als Einheit in tragende Portale eingebaut. o Die Steuerung der radialen Einstellung derRäder des führenden Portals erfolgt über das nachlaufende Fahrwerk, diePortale stellen sich bei der Bogenfahrt ebenfalls radial ein. o Diegesamte elektrische Ausrüstung befindet sich auf dem Dach des Fahrzeuges.o Etwa 20 Prozent der beim Fahren aufgenommenen Netzenergie wird beimBremsen wieder in das Fahrleitungsnetz zurückgespeist. oMikroprozessorgesteuerte Leittechnik macht diagnosegestützte Wartungmöglich und erleichtert dadurch die Arbeit der Wagenrevision. o DerFahrerstand der neuen Niederflurstraßenbahn wurde nach neuestenergonomischen Erkenntnissen gestaltet und stellt dadurch einen optimalenArbeitsplatz dar.

Zwtl. Vom "Roll-out" bis zum Fahrgast-Testbetrieb Nach derAuslieferung im Mai begann für die beiden Prototypen des ULF die Phase derInbetriebnahme, in der bei Testfahrten und Simulationen alle technischenEinrichtungen auf ihre Tauglichkeit für den täglichen Einsatz imPersonennahverkehr überprüft wurden. Bei diversen Testfahrten erfolgtezunächt die Einstellung der Anfahrbeschleunigungs- und Bremswerte sowie dieOptimierung des Gleit- und Schleuderschutzes, der verhindert, daß die Räderbeim Bremsen blockieren bzw. beim Beschleunigungen durchdrehen. Darauffolgte eine Serie von Bremsproben in den verschiedenen Beladungszuständenvon "leer" über "normal besetzt" bis "überbesetzt". ULF läßt sich in allenFällen sicher zum Stillstand bringen. Anfang Juli begann dasbehörliche Abnahmeverfahren. Im Zuge dieses Verfahrens wurde unter anderemmit Hilfe einer Computersimulation der Nachweis erbracht, daß dieKonstruktion auch einem Crash mit einem LKW sicher standhält. ImAugust standen Versuchsfahrten zur Erprobung des Überfahr-Schutzes - dieserdient der Sicherheit von Fußgängern - auf dem Programm. Die Erprobung desÜberfahr-Schutzes wurde im Oktober mit einer Versuchsreihe mit "Dummies"abgeschlossen. Mitte August bis Mitte September fanden Meßfahrten zurErprobung der thermischen Auslegung der Geräte bei verschiedenenBelastungszuständen sowie Belüftungstests und Luftmengenmessungen statt.Zwischendurch wurde ULF bei Testfahrten im gesamten Schienennetz der WienerVerkehrsbetriebe praktisch erprobt. Ende September absolvierten diePrototypen Meßfahrten gemäß Lärmschutzverordnung zur Feststellung derLärmentwicklung. Die Anrainer werden mit ULF zufrieden sein können: Dieradial einstellbaren Einzelradfahrwerke sorgen für optimales Laufverhaltenund reduzierte Geräuschentwicklung. Im Oktober schließlich wanderte ULF füreinige Tage in eine Klimakammer im Arsenal, um im Rahmen einerVersuchsreihe seine Wintertüchtigkeit - auch bei Schnee und Eis - unterBeweis zu stellen. Inzwischen hat nicht nur das neue Fahrzeug alleTests erfolgreich bestanden, sondern auch die technischen Aufsichtsbehördenihr "Okay" erteilt, sodaß der Probebetrieb mit Fahrgästen noch vorWeihnachten beginnen kann.

Zwtl.: ULFs Fahrplan für den Probebetriebe Die ersten "Begegnungen"zwischen ULF und den Fahrgästen finden in Favoriten auf der Linie 67 statt.Die Garnituren der neuen Niederflurstraßenbahn werden in der Anfangsphasezunächst nicht in den regulären Fahrplan eingebunden, sondern alsZusatzangebot zwischen den regulären Zügen zum Einsatz kommen. So wird auchkeine Lücke entstehen, wenn ULF in der Testphase vorübergehend aus demBetrieb genommen werden muß. Während der ersten Wochen -voraussichtlich bis Weihnachten - fungieren in erster Linie die Mitarbeiterder Schulungsabteilung der Wiener Linien als ULF-Piloten. Sie werden in derersten Phase des Testbetriebes wertvolle Erfahrungen sammeln, die dann indas Ausbildungsprogramm der Fahrerinnen und Fahrer einfließen werden. Fürs erste werden etwa 30 Fahrerinnen und Fahrer am ULF ausgebildet,darunter auch Mitarbeiter der Revisionswerkstätte. Weitere Schulungenwerden dann je nach Bedarf erfolgen. In der Folge wird ULF dann auchals regulärer Fahrplanzug eingesetzt. Im Laufe des nächsten Jahres werdendie Fahrgäste der Linien 67, 65, 0 und 6 die Gelegenheit haben, ULFkennenzulernen. Bei positivem Erprobungsergebnis wird in der zweitenHälfte des Jahres 1996 die Freigabe der bei der Ausschreibung festgelegtenOption auf 150 Fahrzeuge erfolgen, die innerhalb der nächsten 10 Jahregeliefert werden sollen. Die Lieferung des ersten Serienwagens ist für Mai1997 geplant, weitere acht Wagen werden noch 1997 folgen. In dendarauffolgenden Jahren werden dann jährlich 15 bis 18 Fahrzeuge an dieWiener Linien geliefert. Über die Linien, die zuerst mit der neuenStraßenbahngeneration ausgestattet werden, wird 1996 endgültig entschieden.(Schluß) emw/bs nnnn

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OTS073 1995-12-06/11:05