Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 08.09.1995:
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte (Termine, Kontaktmöglichkeiten,...) möglicherweise nicht mehr aktuell sind.

Der autofreie Stadtteil in Floridsdorf

Wien, 8.9. (RK-KOMMUNAL) Stadtrat Mag. Christoph CHORHERR sowieWohnbaustadtrat Werner FAYMANN und Planungsstadtrat Dr. Hannes SWOBODAstellten heute, Freitag, im Rahmen eines Pressegespräches das erste Projekteines autofreien Stadtteils in Wien vor.

o Die Idee: Gesucht werden Menschen, die bereit sind, ohne eigenesAuto zu leben. Konkret heißt dies, daß man sich im Regelfall zu Fuß, mitdem Rad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegt, einRestbestand an "Car-Sharing"-Autos jedoch bereitsteht, um gelegentlicheAutobenützung zu ermöglichen ohne den - teuren - Zwang zum eigenen Auto.Statt wie üblich ein Stellplatz pro Wohnung werden dort höchstens 10Prozent der Stellplätze errichtet.

o Der Ort: Im 21. Bezirk, im westlichen Donaufeld, zwischenFultonstraße und Donaufelder Straße, wird der autofreie Stadtteil - ca. 250Wohnungen für ca. 700 bis 800 Personen - errichtet. Dieser Standortbefindet sich zwischen U 1 Kagran und U 6 Franz-Jonas-Platz unmittelbar aneiner Straßenbahnhaltestelle der Linie 26. Mittelfristig - im Zuge derEntwicklung des Donaufeldes - wird genau dort eine neue Straßenbahnlinie -der 27er - vorbeiführen. In kurzer Gehentfernung befindet sich die AlteDonau (Erholung). Einkaufsmöglichkeiten sind bereits jetzt dort gegeben.Wenige hundert Meter entfernt wird auch das Pilotprojekt"Frauen-Werk-Stadt" errichtet.****

o Die Vorteile: Alle profitieren von "autofrei": Die Bewohnerinnen undBewohner, weil sie die Vorteile der Autofreiheit (Grün- und Ruhelage)genießen können, sowie umweltfreundlich und billiger als bei individuellemAutobesitz mobil bleiben. Stadtplanerisch wird natürlich darauf geachtet,entsprechende Nahversorgungseinrichtungen (fußläufig) zeitgerecht zuentwickeln. Die Stadt profitiert doppelt. Einerseits reduziert sichdie Umweltbelastung (weniger Autoverkehr, weniger Lärm und Abgase),andererseits spart sich die Stadt viel Geld: Sie muß deutlich wenigerStellplätze bauen lassen bzw. fördern, erspart sich also in MillionenhöheWohnbauförderungsmittel, welche z.B. in soziale oder kulturelleInfrastruktur gesteckt werden könnten (Kindergarten, Sporthalle,Bibliothek, Solarenergie, etc.).

o Mitbestimmung: Bei diesem autofreien Stadtteil sollen diezukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner rechtzeitig in die Planungsphaseeingebunden werden, um in einem straffen Mitbestimmungsprozeß möglichstviele Wünsche zu berücksichtigen. Entsprechende zivilrechtliche Verträgesollen eine Nachhaltigkeit in der Autofreiheit sichern.

o Die autofreie "Bindung": Der autofreie Stadtteil ist einPilotprojekt. D.h. es soll gezeigt werden, ob es möglich ist, langfristigsicherzustellen, ohne eigenen Autobesitz maximale, ja verbesserte Mobilitätaufrechtzuerhalten. Mittels einer privatrechtlichen Vereinbarungzwischen Bauträger und zu bildendem Bewohnerverein werden für den Fall desindividuellen Autokaufs die Teilkosten der Errichtung einer Garage demBewohner übertragen. So war es auch Wunsch des Bezirkes, die technischeMöglichkeit der Garagenerrichtung auf dem Bauplatz sicherzustellen.

o Ökologische Orientierung: Der autofreie Stadtteil wird nachumfassenden ökologischen Kriterien entwickelt (Niedrigenergiekonzept,Solarenergie, Regenwassernutzung, optimale Lichtausnutzung, Qualität derGrünflächengestaltung, etc.).

o Wer wird dort einziehen? Interessentinnen und Interessenten könnensich bei der MA 50 (z.H. Hrn Bartl, Kennwort "Autofrei") 1010 Wien,Doblhoffgasse 6, voranmelden. Je nachdem, wieviele Menschen sichvoranmelden, wird nach nachvollziehbaren Kriterien eine Auswahl getroffen.Das Datum der Voranmeldung ist sicherlich ein Kriterium.

o Welche Wohnungen werden geabau? Es werden geförderte Mietwohnunggebaut, welche von gewerblichen oder gemeinnützigen Bauträgern im Rahmender Wiener Wohnbauförderung errichtet werden.

o Die gesetzlichen Neuerungen: Der Bauwerber muß der Behörde glaubhaftmachen, daß der künftige Stellplatz seiner Wohnhausanlage geringer ist alsein Drittel der allgemein geltenden Stellplatzverpflichtung. Er muß dabeinachweisen, daß die Reduzierung der Stellplätze u.a. keine nachteiligenAuswirkungen auf den ruhenden Verkehr der Umgebung hat. Nach Prüfung durchdie Behörde unter Beiziehung der zuständigen Fachabteilungen entscheidetüber einen derartigen Antrag der Bauausschuß der Bezirksvertretung. Im Fallder Bewilligung einer Reduzierung wird keine Ausgleichsabgabe für die nichterrichteten Stellplätze vorgeschrieben. Bezüglich der Reduzierung derStellplatzverpflichtung sollen am konkreten Projekt Erfahrungen gesammeltwerden, weshalb der Novellentwurf vorsieht, die Geltungsdauer dieserBestimmungen vorerst bis 31. Dezember 1997 zu begrenzen. Da dieAusgleichsabgabe ihrer Höhe nach jeweils den Baukosten eines Stellplatzesangepaßt werden soll, wird gleichzeitig auch der gesetzliche Rahmen für dieHöhe der Ausgleichsabgabe von derzeit 80.000 Schilling auf 250.000Schilling angehoben. In welcher Höhe diese Ausgleichsabgabe tatsächlichkünftig festgesetzt wird, hat die Landesregierung in einer gesondertenVerordnung zu beschließen.

o Zeitplan: Im Herbst wird das Garagengesetz (derzeit: Zwang, jeWohnung auch einen Garagenplatz zu errichten) novelliert, damit derartigePilotprojekte ermöglicht werden. Ebenso wird bis Dezember 1995 ein Beschlußüber die Flächenwidmung vom Wiener Gemeinderat gefällt. Weiters ist einBauträgerwettbewerb in Vorbereitung, bei welchem zwei geeignete"Partner-Bauträger" ermittelt werden sollen, die mit dem Projektteam imRathaus die autofreie Mustersiedlung umsetzen werden. Die Einrichtungdieses Projektteams, in welches auch der 21. Bezirk eingebunden ist, solleine koordinierte, ganzheitliche Umsetzung bis nach der Besiedlungermöglichen. Der Baubeginn soll Anfang 1997 sein, die Besiedlung 1998erfolgen. (Schluß) jh/gph/bs nnnn

*****ORIGINALTEXT-SERVICE UNTER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS*****

OTS069 1995-09-08/11:20