Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 29.11.1989:
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15 Jahre Gebietsbetreuungen - 15 Jahre "sanfte" Stadterneuerung

=Wien, 29.11. (RK-KOMMUNAL) Heute, Mittwoch, findet im GartenhotelAltmannsdorf ein eintägiges Symposium zum Thema "15 Jahre Gebietsbetreuungin Wien" statt. Rund 200 Experten und Vertreter aus Politik, Verwaltung,Planung, Bau- und Wohnungswesen, Forschung, Kammern,Bevölkerungsinitiativen, Bundesländern und dem Ausland diskutieren dieErfahrungen, Probleme, Grenzen und Anforderungen der Tätigkeit derGebietsbetreuungen in den Wiener Stadterneuerungsgebieten. Seit 15Jahren bestehen in Wien sogenannte "Gebietsbetreuungen", derzeit elf Teamsvon - insgesamt etwa 50 - Fachleuten (vorwiegend Architekten), die imAuftrag der Stadt in den besonders sanierungsbedürftigen Gebieten Wiens dieStadterneuerung vorantreiben. Ihre Hauptaufgaben bestehen in oInformation und Beratung der Gebietsbevölkerung über Förderungs- möglichkeiten, Wohnrechtsfragen usw. o Motivation der Hauseigentümer zurSanierung ihrer Häuser o Initiative und Planung für Verbesserungsmaßnahmenim öffentlichen Raum (Begrünung, Parks, Verkehrsberuhigung usw.) oKoordination aller an der Stadterneuerung Beteiligten DieseGebietsbetreuungen sind damit eines der wichtigsten Instrumente einer"sanften", bewohnerorientierten, partizipativen Stadterneuerung. Daß dieSanierung alter Wohnviertel in Wien weitgehend konfliktfrei und zunehmendunter aktiver Mitwirkung der Bevölkerung erfolgt, ist sehr wesentlich dasVerdienst dieser Gebietsbetreuung. Als unbürokratische Informationsstellen,als außerhalb der Magistratshierarchie stehende Koordinationsstellezwischen Politik, Verwaltung, Betroffenen und Bevölkerung, als Ideensammlerund unkonventionelle Planer haben sie seit 15 Jahren wesentlich zurVerbesserung der Wohnn und Lebensqualität in diesen Vierteln beigetragenund dafür - oft unbeachtet von den Medien - bei der Bevölkerung Zuspruchund bei Fachleuten, Beamten und Politikern Anerkennung gefunden, erklärteWohnbaustadtrat Rudolf EDLINGER in einer Pressekonferenz am Rande desSymposiums. Der jährlich aus dem Budget der Stadt Wien zur Verfügunggestell- te Betrag von rund 30 Millionen Schilling für den Personal- undSach- aufwand der Gebietsbetreuungen nimmt sich im Verhältnis zu denöffentlichen und privaten Gesamtinvestitionen in der Stadterneuerungvergleichsweise gering aus. Heuer werden allein für den Neubau und dieSanierung von Wohnungen und Wohnhäusern in Wien von privater undöffentlicher Seite rund 10 Milliarden Schilling investiert, denn Wien hatimmer noch einen der größten Althausbestände Europas.

Zwtl: Symposium und Ausstellung über die Gebietsbetreuungen DieErfahrungen dieser 15 Jahre, vor allem auch die Probleme und Grenzen ihrerTätigkeit (Gebietsbetreuungen haben keine Kompetenz gegenüber Verwaltungoder gar Politik und keine eigenen Budgetmittel zur Realisierung vonMaßnahmen, sie sind auf ihre Argumente und Überzeugungskraft angewiesen)und die künftig zu erwartenden Anforderungen (hoher Sanierungsbedarf,zunehmende Einwanderung aus Osteuropa, zunehmende Verkehrsprobleme,regionale Spekulationstendenzen infolge der Weltausstellung usw.), sindThema des Symposiums, in dessen Rahmen auch eine Ausstellung über dieArbeit der elf Gebietsbetreuungen zu sehen ist. Diese Ausstellung soll inden kommenden Monaten durch Wien "wandern". Und es gibt bereits Interesseaus mehreren Landeshauptstädten, sind doch die Gebietsbetreuungen nicht nurin Östereich, sondern in ganz Europa ein bisher einzigartiges Instrumentpartizipativer Stadterneuerung.

Zwtl.: Gebietsbetreuungen werden immer wichtiger Sicher ist bereitsjetzt, daß die Gebietsbetreuungen auch in Zukunft als wichtigstespraktisches Instrument "sanfter", partizipativer, bevölkerungsorientierterStadterneuerung nicht nur erhalten, sondern auch ausgebaut werden. Nachdemin den vergangenen 15 Jahren die vordringlich erneuerungsbedürftigenStadtteile zu Stadterneuerungsgebieten erklärt und mit Gebietsbetreuungenausgestattet wurden, werden derzeit die bestehenden Gebiete - je nachNotwendigkeit - verändert und ausgeweitet. Derzeit umfassen die elf WienerStadterneuerungsgebiete eine Fläche von über sechs Millionen Quadratmetermit über 160.000 Menschen. Das sind etwa 10 Prozent der bebautenStadtfläche und über elf Prozent der Wiener Bevölkerung, wobei dieBetreuungstätigkeit in der Regel sogar über die Gebiete hinausreicht. Die künftigen Aufgaben der Gebietsbetreuungen ergeben sich aus dem immernoch sehr hohen Stadterneuerungsbedarf. So hat sich bereits seit 1985 dasVolumen geförderter Wohnhaussanierungen und Wohnungsverbesserungen in Wienvon 1,3 auf rund 4 Milliarden Schilling verdreifacht. In vielen Fällen giltes, die Interessen der Bewohner zu wahren, Mißverständnisse aufzuklären undKonflikte beizulegen. Will man beispielsweise erreichen, daß es biszum Jahr 2007 in Wien weder überbelegte noch Substandardwohnungen gibt, soist dafür ein privater und öffentlicher Gesamtinvestitionsbedarf durchNeubau und Sanierung von Wohnraum im Umfang von mindestens 200 MilliardenSchilling notwendig. Die Gebietsbetreuungen werden angesichts der zuerwartenden Weltausstellung und der noch gar nicht abzusehendenEntwicklungen in Ost-Europa in Zukunft auch besondere Bedeutung bei derBewahrung sozialer Stabilität, bei der Konfliktlösung und -vermeidungzwischen einheimischer und ausländischer Bevölkerung und besonders bei derVermeidung von Spekulation haben. Immer wichtiger wird schließlich dieVerbesserung der städtischen Wohn- und Lebensqualität durch Maßnahmen imWohnumfeld (Grün- und Verkehrsmaßnahmen, Blocksanierung).

Zwtl.: Hohe Förderung und eigentümerunabhängige Mieterbetreuung DieGebietsbetreuungen können und werden aber nicht das einzige Instrument"sanfter" Stadterneuerung in Wien sein. Die Förderung mieterorientierterHaussanierungen, die Förderung der Bürgerbeteiligung bei der Gestaltung desWohnumfeldes bedarf entsprechender gesetzlicher, politischer undadministrativer Voraussetzungen. Dazu zählt im Bereich derWohnhaussanierung insbesonders die sehr hohe öffentliche Förderung (bis zu80 Prozent der Sanierungskosten übernimmt das Land Wien) sowie die Bindungdieser Förderung an bewohnerorientiertes Vorgehen, etwa durch eineeigentümerunabhängige Mieterbetreuung. Die Mitbestimmung der Mietee bei derSanierung und die Arbeit von Mieterbetreuern läßt Hauseigentümer rascherzur Förderung kommen (es gibt Pluspunkte bei der Bewertung desSanierungsprojektes ddrch den "Stadterneuerungs- fonds"), außerdem sinddiese Kosten ein Teil der förderbaren Gesamtkosten einer Sanierung.

Zwtl.: Entwicklung der Gebietsbetreuungen in Wien 1974 bis 1989 1974 Ottakring (16. Bezirk) (bis 1983) 1977 Ulrichsberg (7. Bezirk) (bis1983) 1979 Himmelpfortgrund (9. Bezirk) Wilhelmsdorf (12.Bezirk) 1982 Gumpendorf (6. Bezirk) Storchengrund (15. Bezirk)1984 Karmeliterviertel (2. Bezirk) Margareten-Ost (5. Bezirk) Inner-Favoriten (10. Bezirk) Neulerchenfeld (16. Bezirk)1986 Mobile Gebietsbetreuung 1988 Kalvarienbergviertel (17./18.Bezirk) Augartenviertel (20. Bezirk) 1989/90 diverseGebietsvergrößerungen (2., 5., 6., 12., 15. Bezirk) (Schluß) ah/bs/gg nnnn

OTS044 1989-11-29/11:10 0127/0902/7220