Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 26.06.1989:
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Expertenkommission stand Rede und Antwort

=Wien, 26.6. (RK-KOMMUNAL) Unter dem Vorsitz von Univ.-Prof. DDr. KarlFELLINGER stellte sich die Expertenkommission Lainz am Montag nachmittagden Fragen der Journalisten. Einleitend dankte Bürgermeister Dr. HelmutZILK den Mitgliedern der Kommission. "Wenn diese Kommission etwas bewirkt",so Zilk, "dann eine umfassende Reform des gesamten Gesundheitswesens." Univ.-Prof. Dr. Fellinger betonte zunächst, daß es die Aufgabe und derAuftrag der Kommission gewesen sei, Schwachstellen aufzuzeigen undKorrekturen vorzuschlagen. Sie habe dies in dem Bewußtsein getan, daß es inWien insgesamt eine ausgezeichnete medizinische Versorgung aufinternationalem Standard gebe. Positives, wie etwa die Psychiatriereform,komme in diesem Bericht naturgemäß nicht vor. Im einzelnen nahmen dieKommissionsmitglieder unter anderem zu folgenden Punkten Stellung: oÄrztedienstzeiten: Das Krankenhaus brauche vormittags und nach- mittagseine volle ärztliche Besetzung. Es sei klar, daß die Ver- wirklichungdieser Forderung zu einer Stellenvermehrung führen müsse. o Holding: DieKommission spricht sich für ein modernes Spitals- management - dasKrankenhaus als Dienstleistungsbetrieb - aus. Die Führung sollte nichtkameralistisch, sondern nach betriebs- wirtschaftlichen Gesichtspunktenin gemeinwirtschaftlicher (nicht privatwirtschaftlicher) Form erfolgen.Die Entscheidungen sollen auf jene Ebene verlegt werden, wo sie sichtatsächlich auswirken (also in das jeweilige Krankenhaus). Die künftigeFührung des neuen AKH als eigene Magistratsabteilung 16 sei ein Schrittin die richtige Richtung, die Kommission schlägt aber grundsätzlich eine noch stärkere Unabhängigkeit der Spitäler vor. o UmfassendesGesundheitssystem: Das Krankenhaus soll im Rahmen eines umfassendenGesundheitssystems eine neue Funktion bekommen und seine Monopolstellungverlieren. Das Gesundheitssystem beginne bei der Gesundheitsberatung; diegesamte Infrastruktur müsse er- weitert werden, um die Spitäler zuentlasten. o Spezifische Wien-Kritik: Auf die Frage an die ausländischen Kommissionsmitglieder, welche Mängel spezifisch in Wien aufgefallen seien, wurde auf folgende Punkte verwiesen: Volle ärztliche An- wesenheitnur am Vormittag, "Radldienst" des Pflegepersonals, Gang- betten,geringer Gehaltsunterschied zwischen diplomiertem Personal undStationsgehilfinnen, nachrangige politische Priorität des Ge- sundheitswesens. o Krankenpflegeausbildung: Die Ausbildung beginne in zujungen Jahren, die Werbung für den Krankenpflegedienst müsse verbessert werden, die Möglichkeit zur universitären Weiterbildung wird verlangt.o Das Gesundheitswesen kostet Geld! Die Kommission fordert vehement eingrundsätzliches Umdenken. Es müsse akzeptiert werden, daß ein funktionierendes Gesundheitswesen sehr viel Geld koste. Die in derVergangenheit in der Öffentlichkeit immer wieder erhobene Forderung, daßdas Gesundheitswesen billiger werden müsse, sei problematisch. oBezugsarzt: Wichtig erscheint der Kommission ein "Bezugsarzt" für diePatienten auf jeder Station. Der Kontakt der Ärzte zu den Patienten seiderzeit meist zu gering. o Gesetzesreform: Die Kommission hält eineRechtsbereinigung für den gesamten Gesundheitsbereich für dringend nötig.Es gebe derzeit zu viele Gesetze, die die Krankenhäuser betreffen, teils Bundesgesetze, teils Landesgesetze, darüberhinaus Dienstan- weisungenund Verträge. o Schuldzuweisung: Die Kommission sprach sich gegen eine personalisierte Schuldzuweisung aus. Damit würde man es sich, so derdeutsche Univ.-Prof. Dr. Hans-Georg WOLTERS wörtlich, "gar zu einfach"machen. Es gehe um ein gesamtgesellschaftliches Klima und um die Setzungneuer Prioritäten. (Schluß) ger/fk/gg nnnn

OTS129 1989-06-26/15:23 0068/0476/3809