Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 23.06.1989:
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Bericht der Internationalen Expertenkommission Lainz

=Wien, 23.6. (RK-KOMMUNAL) Bürgermeister Dr. Helmut ZILK übergab am Freitagim Rahmen einer Pressekonferenz den erst vor wenigen Stundenfertiggestellten "Bericht der Internationalen Expertenkommission zurBeurteilung der Vorfälle im Krankenhaus Lainz und ihrer strafrechtlichnicht relevanten Hintergründe, sowie der Erstellung von Vorschlägen für dieVerbesserung des Spitalswesens im Bereich der Stadt Wien". DieserBericht wird am Montag in einem nichtöffentlichen Hearing diskutiertwerden, sagte Zilk, wobei im Anschluß daran die Mitglieder der Kommissionin einer Pressekonferenz auch zum Inhalt des Berichtes Stellung nehmen undfür Fragen zur Verfügung stehen werden. "Ich trete für absoluteTransparenz ein", betonte Zilk und dankte den Mitgliedern der Kommissionfür ihre Tätigkeit.

Zwtl.: Reformkommission für Gesundheitswesen im Herbst Zilk kündigteeine Reformkommission für das Gesundheitswesen an, die bereits im Herbstzusammentreten soll. In dieser Kommission sollen auch externe Fachleutemitarbeiten. Der Bericht selbst gliedert sich in vier Abschnitte: oStrukturprobleme o Ärztlicher Dienst o Krankenpflegedienst o DieBetreuungssituation alter Menschen Anhänge befassen sich mit folgendenThemen: o Die Betreuungssituation alter Menschen o Extramurale geriatrischeBetreuung zur Entlastung der Anstalten o Supervision in der geriatrischenPflege und Betreuung.

Zwtl.: Die Zusammenfassung des Berichtes im Wortlaut:

Expertenkommission fordert höhere politische Priorität für dasGesundheitswesen Höhere Priorität für das Wiener Spitalswesen alsbisher verlangt die Expertenkommission als Konsequenz aus den LainzerVorfällen. Anstelle der zur Zeit kameralistisch und administrativausgelegten Führung der Wiener Krankenanstalten sollte im Rahmen einerHolding eine gemeinwirtschaftliche Organisationsform treten. Damit sollteeine betriebswirtschaftliche Führung der Krankenanstalten und dieDelegation der Verantwortung auf jene Ebenen gewährleistet sein, auf denenEntscheidungen wirksam werden. Die Krankenhäuser sollten künftigeigenständige Einrichtungen außerhalb der Gemeindeverwaltung werden, indenen sich organisatorische Fragen dann besser, überschaubarer undfunktionsgerechter lösen lassen und auch eine positive Motivation derMitarbeiter erwartet werden kann. Die Leistungen in denKrankenanstalten sind ohne zusätzliche extramurale Einrichtungen in Zukunftnicht mehr denkbar. Diese müssen entsprechend ausgebaut undweiterentwickelt werden. Innerhalb der Krankenhäuser müssen dieDienstleistungen am Patienten, also die Bedürfnisse erkrankter Menschen,Vorrang vor anderen Funktionen wie Ausbildung und Forschung haben. Anstelleder unzureichenden Dienstzeitregelung für Ärzte (bis 13 Uhr) mußsichergestellt werden, daß Stationsärzte, Oberärzte und Primarärzte denPatienten auch nachmittags zur Verfügung stehen. Nachtdienste, Urlaube undKongreßbesuche sind so zu organisieren, daß sie dem Primat derPatientenversorgung Rechnung tragen. Dazu bedarf es einer entsprechendenStellenvermehrung. Die Bestellung des ärztlichen Personals sollte auf aalenEbenen auf Zeit erfolgen, um eine ausreichende Motivierung der Mitarbeiterzu sichern. Beim Pflegepersonal ist vor allen Dingen für eineausreichende Personalausstattung und eine leistungsgerechte Entlohnung zusorgen. Hinreichende Weiterbildungsmöglichkeiten sind zur Verfügung zustellen. Durch Einstellung von Schreibkräften und Reinigungspersonal müssenberufsfremde Tätigkeiten eingeschränkt werden. GeeigneteArbeitszeitregelungen sollen die Attraktivität der Pflegeberufe sosteigern, daß die kurze Verweildauer im Beruf vermieden wird. Diekollegiale Führung auf Krankenhausebene muß effizienter werden. Anstelledes bisherigen Nebeneinander muß die Zusammenarbeit zwischen denBerufsgruppen auf allen Ebenen durch regelmäßige Besprechungen und ähnlicheMaßnahmen gesichert werden. Gewerkschaften und sonstigeInteressensvertretungen sollen, im Rahmen der ihnen anvertrauten Wahrungvon Dienstnehmerinteressen, keinen sachfremden Einfluß aufinnerbetriebliche Entscheidungen im Spital nehmen. MißverstandeneGruppeninteressen dürfen keinesfalls zu einer Beeinträchtigung desPatientenwohls oder von Interessen einzelner Dienstnehmer führen. DasProblem kranker und alter Menschen kann nicht allein auf der Spitalsebenegesehen und gelöst werden. Bestehende und zu schaffendeVersorgungseinrichtungen müssen über ihre eigentliche Aufgabe hinaus zueiner Bewußtseinsbildung und damit zu einer Betreuung und Versorgung alterMenschen außerhalb des Krankenhauses beitragen. Familienangehörige sollendurch eine derartige Hilfestellung in die Lage versetzt werden, an derBetreuung ihrer pflegebedürftigen Angehörigen mitzuwirken. DieKommission hat sich einer Bewertung der Vorkommnisse in Lainz bewußtenthalten, weil diese Gegenstand verschiedener anderer Verfahren sind.(Schluß) red/gg nnnn

OTS060 1989-06-23/11:57 0087/0624/4995