Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 20.06.1989:
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Vorbereitungen zum Kulturprogramm der Weltausstellung 1995

Utl.: Kultur als integrierender Bestandteil der Weltausstellung =Wien,20.6. (RK-KULTUR) Kulturstadträtin Dr. Ursula PASTERK berichtete amDienstag im Pressegespräch des Bürgermeisters über den Stand derVorbereitungen zum Kulturprogramm der Weltausstellung 1995. Pasterkbetonte, daß die Kultur die Weltausstellung konzeptionell mitbestimmenmüsse, nicht nur Aufputz sein dürfe. Die vorhandene kulturelleInfrastruktur in Wien - auch die des Bundes - müsse verbessert werden, einsiebenköpfiges Gremium, das im Laufe des Herbstes bekanntgegeben werde,solle Konzepte für das Kulturprogramm der Weltausstellung 1995 entwickeln.Dem bis dahin hoffentlich 50jährigen Frieden in Europa solle eineGroßausstellung gewidmet werden.**** Das Kulturprogramm derWeltausstellung 1995 wird sich nicht darauf beschränken, ein bloßesZusatzprogramm zu einem riesigen Unterhaltungs- und Medienspektakel zusein, sagte Pasterk. Es wird nicht nur das mancherorts zitierte "Pantheon"parallellaufend zum "Disneyland" abgeben. Vielmehr soll es sich wesentlichan der Konzipierung des politischen und kulturellen Ideengehalts derVeranstaltung sowie an deren stadtplanerischen und architekto- nischenGestaltung beteiligen. Kulturpolitisch entscheidend ist für die WienerKulturstadträtin die Frage: Was bleibt in den letzten Jahren unseresJahrhunderts an qualitätsvoller Architektur, an Strukturverbesserung fürdie Stadt und an Botschaften für die Weltöffentlichkeit übrig. DerBlick wird nicht ausschließlich auf die sechs Monate des Jahres 1995,sondern auch auf die Jahre davor und die Jahre danach gerichtet seinmüssen. Konzepte, die neben den Besucherzahlen, neben dem internationalenMedienecho, auch die Verbesserung der Ausstrahlung und Lebensqualitätunserer Stadt berücksichtigen, sollten nicht als "akademisch", sondern alsgesamtkulturell angesehen werden. Das Kulturprogramm wird sich an demBegriff eines "Europa der Differenzen" orientieren, entsprechend derAnalyse des Historikers Jacob Burckhardt: "Jede nivellierende Tendenz, seisie politisch, religiös oder sozial, ist für unseren Kontinentlebensgefährlich. Was uns rettet, ist unsere Vielfalt." Das Fehlen vonAnsprüchen auf europäische Großmachträume wird uns hoffentlich einen bisdahin 50jährigen Frieden beschert haben. Diesem Frieden als Grundlagejeglicher Kultur wird eine Großausstellung gewidmet sein. Damit soll derJugend der Welt ein Problem vor Auggn geführt werden, das sie aus eigenemErleben nicht mehr kennt. Die unschätzbare Qualität des europäischenFriedens im Kontrast zu anderen Kontinenten soll in dieser Großausstellungerfahrbar werden. Die weiteren Programmpunkte sind in Ausarbeitung.Wien Kultur wird diesbezüglich durch einen aus internationalen Fachleutenfür Theater, Oper, Musik, Bildende Kunst, Architektur, Multimediabestehenden Beirat, der von einem Geschäftsführer/einer Geschäftsführerinkoordiniert wird, beraten. Die Zusammensetzung dieses Konzeptions-Gremiumswird in nächster Zeit bekanntgegeben werden. Jede vorzeitige Namensnennungwürde begreiflicherweise die laufenden Verhandlungen von der Kostenseiteher nur belasten. Kulturstadträtin Ursula Pasterk wird sich nebenselbst konzipierten Veranstaltungen und Ausstellungen auch darum bemühen,für den Zeitraum der Weltausstellung die Zeitraster der großen kulturellenInstitutiooen wie Bundesmuseen, städtische Museen, Bundestheater undprivate Theater insofern zu verändern, daß für den Besucher derWeltausstellung z.B. Oper und Burgtheater auch im Sommer spielen, diegroßen Museen auch - wie international üblich - abends geöffnet halten. Einwesentlicher Schritt zur Verbesserung der Infrastruktur im Kunstbereich mußbis 1995 gemacht sein: die Errichtung einer großen Kunsthalle imMessepalast.

Zwtl.: Konkrete Planungsschritte Drei Ansatzpunkte:

1. Veränderung der vorhandenen Kultur-Struktur Alle Museen müssen imZeitraum der Weltausstellung für längere Öffnungszeiten am Abend sorgen. Sämtliche Bundestheater müßten im Sommer geöffnet sein.

Da diese Veränderung nicht nur Wiener, sondern auch Bundes-kultur-Einrichtungen betrifft:

Erstellung eines Forderungskataloges an die Bundes- Kulturinstitutionen. o Die Bundesmuseen und deren Direktoren werden jetzt schon ersucht, Konzepte zu erarbeiten, wie sie sich für den Besucheransturm von Mai bisOktober 1995 rüsten wollen: Manche Sammlungen werden umgruppiert,womöglich auch geschlossen werden müssen, besonders heikle Objektezumindest besonders geschützt. o Die Staatsoper ist jetzt schon gebeten,dafür Vorsorge zu treffen, daß das Haus im Sommer 1995 bespielt werdenkann. Mit den Wiener Philharmonikern sind jetzt schon die dementsprechenden Verträge abzuschließen, um dies zu gewährleisten. Für den Fall dispositioneller Engpässe sollten in der Staatsoper auchinternationale Gastspiele für den Sommer 1995 geplant werden.

2. Maßnahmenpaket der Stadt Wien Für die Programmgestaltung und dieErstellung von Einzelprojekten wird ein aus internationalen Fachleutenfür Oper, Theater, Musik, Bildende Kunst, Architektur und Multimediabestehender Beirat ernannt. Die Aufgaben dieses Beirates: siehe vorne Erst durch die jetzt schon in Angriff zu nehmende Veränderung der vorhandenen Kulturstruktur und durch die zeitgerechte Erstellung vonEinzelprojekten (also, erst wenn 1 und 2 erfüllt sind) kann folgendesZiel erreicht werden:

3. Kultur soll innerhalb der Weltausstellung weder bloßes Rahmenprogrammnoch bloße "Damenspende" sein. Anzustreben ist eine durchgehende"Kulturisierung" der Weltausstellung. Wer Wien "verkaufen" will, wirddie Kultur verkaufen müssen. Kultur wird die "Software" sein innerhalbder "Hardware" Weltausstellung. (Schluß) gab/sk nnnn

OTS081 1989-06-20/13:06 0103/0727/5820