Wiener Landtag 21. Wahlperiode 13. Sitzung vom 21. Juni 2022 Wörtliches Protokoll Inhaltsverzeichnis 1. Entschuldigte Abgeordnete S. 3 2. VER-1298182-2022-KVP/VL: Gemäß § 120 (4) WStV Einberufung des Wiener Landtages durch Präsident Ernst Woller mit dem Thema "Klares Nein zum Wiener Weg der SPÖ - Keine Entwertung der Staatsbürgerschaft!" S. 3 3. Mitteilung des Einlaufs S. 3 4. VER-1298182-2022-KVP/VL: Debatte zum Verlangen des ÖVP-Klubs der Bundeshauptstadt Wien zu unter Punkt 2 genanntem Thema Rednerinnen bzw. Redner: Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM S. 3 StR Karl Mahrer S. 5 StR Dominik Nepp, MA S. 7 Abg. Dipl.-Ing. Selma Arapovic S. 9 Abg. Mag. Dietbert Kowarik (tatsächliche Berichtigung) S. 10 Abg. Nikolaus Kunrath S. 11 Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher S. 13 Abg. Maximilian Krauss, MA S. 15 Abg. Mag. Dolores Bakos, BA S. 17 StR Peter Kraus, BSc S. 19 Abg. Mag. Caroline Hungerländer S. 20 Abg. Mag. Dolores Bakos, BA (tatsächliche Berichtigung) S. 22 Abg. Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi S. 22 Abg. Stefan Berger S. 24 Abg. Mag. Aygül Berivan Aslan S. 26 Abg. Mag. Laura Sachslehner, BA S. 28 Abg. Dr. Mireille Ngosso S. 29 Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM (tatsächliche Berichtigung) S. 30 Abg. Hannes Taborsky S. 30 Abg. Christian Deutsch S. 32 Abg. Mag. Caroline Hungerländer (tatsächliche Berichtigung) S. 34 Abg. Ömer Öztas S. 34 Abstimmung S. 35 (Beginn um 9.03 Uhr.) Präsident Ernst Woller: Einen schönen guten Morgen, sehr geehrte Damen und Herren! Ich begrüße Sie zur 13. Sitzung des Wiener Landtages, die erste Sitzung des Landtages in dieser Sitzungsperiode wieder im traditionellen Sitzungssaal - ohne Plexiglas, das ist höchst erfreulich. Schön, dass Sie alle da sind! Ich hoffe, dass Sie alle gesund sind und auch gesund bleiben. Die Sitzung des Wiener Landtages ist eröffnet. Entschuldigt sind ganztägig die Abgeordneten Anderle, Dr. Laschan, Ludwig-Faymann, Ing. Meidlinger - Abg. Novak ist da, wenn ich gerade richtig sehe, dann kann ich sie hier streichen -, Abg. Stark, Abg. Weninger. Zeitweise entschuldigt sind Abg. Emmerling ab 11 Uhr, Abg. Gorlitzer von 9.30 bis 11 Uhr, Abg. Huemer bis 11.30 Uhr, Abg. Kunrath ab 11 Uhr und Abg. Schober ab 10.30 Uhr. Vom ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien wurde ein Verlangen auf Einberufung einer Sitzung des Landtages zum Thema "Klares Nein zum Wiener Weg der SPÖ - Keine Entwertung der Staatsbürgerschaft!" eingebracht. In Entsprechung des § 120 Abs. 4 der Wiener Stadtverfassung im Zusammenhalt mit § 8 der Geschäftsordnung des Landtages für Wien wurde zu dieser Sitzung eingeladen. Die Geschäftsordnung sieht vor, dass in Sitzungen des Landtages auf Verlangen keine Geschäftsstücke verhandelt werden. Der Entfall von Fragestunde, Aktueller Stunde und dringlichen Initiativen ist in der Fraktionsvereinbarung festgeschrieben. Bevor wir zur Erledigung der Tagesordnung kommen, gebe ich gemäß § 15 Abs. 2 der Geschäftsordnung bekannt, dass von Landtagsabgeordneten des ÖVP-Klubs der Bundeshauptstadt Wien vier, des Grünen Klubs im Rathaus zwei schriftliche Anfragen eingelangt sind. Die Abgeordneten Abrahamczik, Taucher, Stürzenbecher, Emmerling und Konrad haben am 24. Mai 2022 gemäß § 30b der Geschäftsordnung eine Gesetzesvorlage betreffend die Schaffung des Wiener Berufungssenates eingebracht. Dieser Antrag wurde dem Ausschuss für Klima, Umwelt, Demokratie und Personal zugewiesen. Die Abgeordneten Abrahamczik, Anderle, Stürzenbecher, Auer-Stüger, Pipal- Leixner haben am 31. Mai 2022 gemäß § 30b der Geschäftsordnung eine Gesetzesvorlage betreffend eine Änderung des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien eingebracht. Dieser Antrag wurde dem Ausschuss für Klima, Umwelt, Demokratie und Personal zugewiesen. Die Abgeordneten Taucher, Rychly, Bozatemur, Ornig, Arapovic haben am 3. Juni 2022 gemäß § 30b der Geschäftsordnung eine Gesetzesvorlage betreffend ein Gesetz, mit dem das Wiener Landesgesetz über den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, Wiener Hinweisgeberinnen- und Hinweisgeberschutzgesetz, erlassen wird und die Dienstordnung 1994, die Vertragsbedienstetenordnung 1995 und das Wiener Bedienstetengesetz geändert werden, eingebracht. Dieser Antrag wurde dem Ausschuss für Klima, Umwelt, Demokratie und Personal zugewiesen. Die Abgeordneten Wagner, Deutsch, Florianschütz, Mautz-Leopold und Gara haben am 14. Juni 2022 gemäß § 30b der Geschäftsordnung eine Gesetzesvorlage betreffend ein Gesetz, mit dem das Wiener Krankenanstaltengesetz 1987 geändert wird, eingebracht. Dieser Antrag wurde dem Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Sport zugewiesen. Wir kommen nun zur Besprechung des Verlangens. Ich eröffne die Debatte. Zur Begründung hat sich Herr Abg. Dr. Wölbitsch-Milan zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm, wobei ich bemerke, dass seine Gesamtredezeit zehn Minuten beträgt. Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schön, wenn man hier wieder ein bisschen Bewegungsspielraum hat, vor allem für Menschen, die gerne gestikulieren, so wie ich. Einen wunderschönen guten Morgen! Wir haben uns ein Thema für diesen Sonderlandtag vorgenommen, das aus unserer Sicht sehr relevant und wichtig ist, wenn nicht sogar eines der wichtigsten Themen in einer Demokratie. Wir haben den Titel "Klares Nein zum Wiener Weg der SPÖ - Keine Entwertung der Staatsbürgerschaft!" gewählt. Alle Jahre wieder gibt es in unserem Land eine Diskussion über Erleichterungen für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, meistens von wahlwerbenden Parteien gestartet, jetzt von einem wahlwerbenden Bundespräsidenten. Alexander Van der Bellen hat in einem Zeitungsinterview gemeint, dass die Hürden für die Erlangung der Staatsbürgerschaft zu hoch seien. (Abg. Barbara Novak, BA: Bekanntlich ein Sozialdemokrat, der Van der Bellen!) Worum geht es da zwischen den Zeilen? - Es geht natürlich immer darum, Wählerstimmen zu akquirieren und vielleicht das eine oder andere Wahlzuckerl schon vorab zu verteilen. Es gibt immer wieder auch die "Pass Egal Wahl", wobei relativ klar ist, wie die Parteien dann abschneiden und dass da natürlich vor allem linke Parteien eine sehr große Mehrheit bekommen. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn diese Parteien auch solche Impulse entsprechend weitertragen und dann gleich auch die Arbeiterkammer, die SPÖ und viele andere Parteien auf den Zug aufgesprungen sind und Gedanken ventiliert haben, wie man den Zugang zur Staatsbürgerschaft entsprechend erleichtern kann. Unter anderem eben auch der Herr Bürgermeister, der in einem Zeitungsinterview gemeint hat: "Ich will einen leichteren Zugang, wenn es darum geht, bürokratische und finanzielle Hemmnisse zu reduzieren." Es gelte, zu überlegen, ob man Erleichterungen vornimmt bei jenen, die schon hier geboren sind. Sehr geehrter Herr Bürgermeister, diese Aussage entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie, denn für die tatsächlichen bürokratischen Hemmnisse in dieser Stadt ist einzig und allein die höchst überforderte MA 35 verantwortlich. Und ja, da gibt es wirklich Reformbedarf. Ja, dabei handelt es sich wirklich um ein Behördenversagen. (Lhptm Dr. Michael Ludwig: Auf Basis von Bundesgesetzen!) Liebe SPÖ und liebe NEOS, bevor irgendwelche Vorschläge für eine Erleichterung des Zugangs zur Staatsbürgerschaft von euch ventiliert werden, wäre es einmal super, wenn Menschen, die nach sechs Jahren die Staatsbürgerschaft beantragen, nicht weitere Monate oder Jahre warten müssen, bis sie überhaupt zurückgerufen werden. Das wäre einmal ein Anfang in dieser Stadt, und das wäre etwas, das ihr tun könntet. (Beifall bei der ÖVP.) Für uns ist jedenfalls klar: Die Staatsbürgerschaft darf kein billiger und wertloser Massenartikel sein, sondern sie ist ein hochwertiges und wertvolles Qualitätsprodukt. Es gibt immer wieder Versuche, am geltenden Staatsbürgerschaftsrecht zu rütteln. Wir haben heute diesen Sonderlandtag beantragt, um über dieses Thema zu diskutieren, vielleicht auch über die Konsequenzen und über, ja, Vorschläge oder Ideen, die da in den letzten Tagen und Wochen in den Raum geworfen wurden. Wir sind überzeugt davon, dass die derzeitigen Regeln für die Einbürgerung gut durchdacht sind, vor allem vor dem Hintergrund, dass sie am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses stehen sollten. Worüber reden wir eigentlich? - Es gibt im Groben zwei Möglichkeiten, die Staatsbürgerschaft zu erwerben: Erwerb durch Abstammung - also grob gesagt, wenn die Eltern, Mutter oder Vater österreichische Staatsbürger sind, erwerben Kinder dann die Staatsbürgerschaft - oder Erwerb durch Verleihung. Die offizielle Frist beträgt zehn Jahre. Viele Staatsbürgerschaften werden aber auch schon nach einer kürzeren Einbürgerungsfrist von sechs Jahren vergeben, unter anderen an Ehepartner von Österreichern, EWR-Bürger, Leute, die in Österreich geboren sind, Leute, die besonders gut integriert sind, die Deutsch auf B2-Niveau sprechen, oder an jene, die einen Beruf im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich ausüben oder sich auch durch ehrenamtliches Engagement auszeichnen. All diese Personen müssen auch eine Staatsbürgerschaftsprüfung machen, zu der wir natürlich stehen, bei der es um Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung in Österreich, um Grundkenntnisse der Geschichte in Österreich, aber auch - und gerade in Wien extrem wichtig - um Deutschkenntnisse auf B1-Niveau geht. Das alles sind Voraussetzungen, zu denen man frei nach Andreas Khol, der sich ja auch zu diesem Thema in einigen Kommentaren geäußert hat, sagen kann: Jeder, der in Österreich eine Staatsbürgerschaft bekommen möchte, kann sie auch haben - wer sechs Jahre in Österreich ist, Deutsch gelernt hat, sich erhalten kann und einen Antrag stellt, bekommt dieses wertvolle Recht. Jetzt gibt es natürlich viele Einwände, die auch in den letzten Tagen immer wieder gekommen ist, indem man gesagt hat: Na ja, dieses sich selbst erhalten Können und so, ist das wirklich eine wichtige Bedingung, oder muss das wirklich sein? - Ich sage aus Sicht der neuen Volkspartei, dass das natürlich so sein muss. Wir wollen, dass Menschen, die Staatsbürger in diesem Land werden, einen Beitrag zur Gesellschaft leisten können. Wir wollen, dass sie in der Lage sind, sich selbst zu erhalten. Was wir nicht wollen, und dazu stehen wir als neue Volkspartei, ist eine Einwanderung in das Sozialsystem. Das ist etwas, das die linken Parteien und vor allem der Linksblock hier in diesem Raum ständig forciert. Wir wollen, dass Menschen einen Beitrag leisten und nicht, dass sie in unser Sozialsystem einwandern, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.) Der zweite Punkt, der immer wieder kritisiert wird: Na ja, die Staatsbürgerschaft oder die Beantragung kostet so viel. - Ja, sie kostet etwas und aus unserer Sicht ist das auch gut so, denn alles, was nichts kostet, ist nichts wert. Was aber oft verschwiegen wird, ist, dass sich die Kosten natürlich zwischen Bund und Land in Bundesabgaben und Landesabgaben aufteilen, und jenes Bundesland, wo die Landesabgaben am teuersten sind, ist Wien. Sie haben sich in Ihrem Koalitionsübereinkommen zwar hineingeschrieben, dass Sie das senken wollen, aber bis dato ist noch nichts passiert. Also auch das hätten Sie selber in der Hand. Dann ist die Kritik, dass man sagt: Na ja, die Kriterien im Vollzug sind irgendwie so schwierig. Das wird auch in der Verteidigung der MA 35 oft erwähnt, dass man sagt: Na ja, das ist so kompliziert, und die Prüfung, und eigentlich könnte man das alles vereinfachen, dann wäre es vielleicht ein bisschen kürzer. Fakt ist aber, dass in anderen Bundesländern, die keinen so großen Druck haben oder auch nicht so hohe Fallzahlen - aber dafür ist die MA 35 ja auch viel, viel größer -, die durchschnittliche Bearbeitungsdauer unter sechs Monaten beträgt, also so kompliziert kann es dann auch wieder nicht sein. Ein Argument, das dann auch immer wieder kommt, vor allem in Richtung ÖVP, ist, dass man sagt: Na ja, es muss in eurem Interesse sein, die Staatsbürgerschaft irgendwie zu vereinfachen, wir brauchen ja Fachkräfte. - So, und was in dieser Debatte auch sehr oft passiert, ist, dass unterschiedliche Rechtsmaterien, so wie in anderen Bereichen auch, vermischt werden. (Abg. Barbara Novak, BA: So wie Sie gerade!) Es wird das Asylrecht mit hineingenommen, es wird die qualifizierte Zuwanderung mit hineingenommen und für Menschen oder für Fachkräfte, die wir in vielen Bereichen dringend brauchen, gibt es die Rot-Weiß-Rot-Karte. Ja, die NEOS haben da auch immer wieder Kritik geübt, dass da nicht alles optimal verlaufen sei. Ja, da ist nicht alles optimal verlaufen, aber die Rot-Weiß-Rot-Karte haben wir vor Kurzem im Bund, in der Bundesregierung reformiert, und ich glaube, dass das jetzt auch wesentlich besser funktionieren wird. Gerade auch für uns in Wien ist sie ein sehr wichtiges Instrument. Wenn jemand die Rot-Weiß-Rot-Karte beantragt, sechs Jahre hier gearbeitet hat und die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen möchte, dann kann er oder sie das tun und wird auch mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit die Staatsbürgerschaft bekommen. Sehr geehrte Damen und Herren, ich fasse zusammen: Das, was Sie von den NEOS und auch von der SPÖ immer wieder einfordern, nämlich dass Sie sagen, man muss es vereinfachen, man muss die Gebühren senken, all das hätten Sie selber in der Hand, all das könnten Sie selber beschleunigen. Daher sind alle Forderungen, die Sie in diesem Bereich haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, Forderungen an Ihre eigene Stadtregierung. Sie könnten schon längst etwas tun, wenn Ihnen das so wichtig ist. Fangen Sie damit an, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.) Was also wollen jetzt die Arbeiterkammer, NEOS, SPÖ, Parteien links der Mitte? - Sie gehen einmal von zwei Grundannahmen aus: Sie sagen auf der einen Seite: Na ja, es gibt ganz, ganz viele Menschen, die die Staatsbürgerschaft gerne beantragen oder gerne bekommen würden und sie derzeit nicht bekommen. Dann werden meistens EU-Bürger eben Fachkräfte genannt. Ein bissel außen vor gelassen wird meistens, dass das auch Menschen mit Asylstatus sind, die vielleicht ihren Aufenthalt verlängern wollen, das wird dann meistens totgeschwiegen. Die zweite Annahme ist, dass man sagt: Na ja, die Leute wollen die Staatsbürgerschaft, um von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Beides lässt sich entkräften: Wir haben eine Anfragebeantwortung vom Herrn Vizebürgermeister und auch eine Studie, die still und heimlich veröffentlicht worden ist, in der auch auf die Motive eingegangen wird, warum jemand eine Staatsbürgerschaft möchte. Ich nehme an, sie ist deshalb still und heimlich veröffentlicht worden, weil das, was drinnensteht, vielleicht nicht politisch opportun ist, für die NEOS und auch für die anderen Linksparteien hier in diesem Haus. Meine Kollegin Caroline Hungerländer wird aber noch näher darauf eingehen, weil es sehr aufschlussreich ist, warum Menschen die Staatsbürgerschaft wollen oder vielleicht auch nicht wollen. Das ist, glaube ich, für eine Debatte wie diese sehr wesentlich. Die SPÖ hat viele Forderungen in den Raum geworfen: Pamela Rendi-Wagner hat gesagt - sozusagen vom Abstammungsprinzip hin zum Geburtsortprinzip -, alle, die in Österreich geboren sind, sollen automatisch die Staatsbürgerschaft haben. Sie hat gesagt, die Bundesgebühren sollen ersatzlos gestrichen werden. (Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher: Stimmt überhaupt nicht!) Was ich sehr lustig fand, ist, dass sie anscheinend dem Herrn Bürgermeister nicht ausrichten wollte, dass er auch seine Landesabgaben irgendwie abschaffen soll, weil da hat sie gesagt: Na ja, die Landesabgaben sollen nur auf niedrigem Niveau vereinheitlicht werden. Die Staatsbürgerschaftsprüfung soll abgeschafft werden - auch das hat sie in den Raum geworfen -, damit das dann so wie in Wien funktioniert, nämlich dass man ganz viele Integrationskurse anbietet, ganz viel fördert, aber nichts einfordert. Das führt dazu, dass man sich dann irgendwie wundert, dass die Leute kein Deutsch sprechen oder nicht ausreichend Deutsch sprechen oder in dieser Stadt nicht gut integriert sind. Auch das lehnen wir natürlich entsprechend ab. Zusammengefasst: Die SPÖ würde es gerne schneller, einfacher, billiger machen. Das sehen wir natürlich anders, denn wozu wird es führen? - Natürlich führt das automatisch zu einer Steigerung des Pull-Faktors, sprich, es wird mehr Menschen dazu motivieren, sich Österreich als Zielland im Bereich der Migration auszusuchen. Dies, weil natürlich klar ist, dass das, wenn man relativ leicht vom Asylstatus in die Staatsbürgerschaft wechseln kann, den Aufenthalt damit verlängern kann, natürlich ein Faktor ist, der Menschen dazu bringt, sich auf den Weg zu machen und auch auf den Weg nach Österreich zu machen. Wir haben ohnehin einen sehr großen Migrationsdruck und deshalb lehnen wir das natürlich ab. Mit der Forderung wären eine halbe Million Drittstaatsangehörige auf einen Schlag österreichische Staatsbürger. Eine Einführung des Ausländerwahlrechts über die Hintertür lehnen wir natürlich auch ab, sehr geehrte Damen und Herren. Für uns ist die Staatsbürgerschaft etwas wert, die Staatsbürgerschaft soll aus unserer Sicht am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses stehen. Dafür stehen wir heute und hier und darüber hinaus. Ich freue mich auf eine spannende Diskussion und einen Austausch der unterschiedlichen Sichtweisen. - Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.) Präsident Ernst Woller: Für die nun folgenden Wortmeldungen möchte ich bemerken, dass die Redezeit für den Erstredner jeder Fraktion 20 Minuten beträgt, die Redezeit jedes weiteren Redners ist mit 15 Minuten begrenzt. Als nächster Redner ist Herr StR Mahrer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. StR Karl Mahrer: Vielen Dank. Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Herr Bürgermeister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Vor allem für jene, die uns zusehen, möchte ich mit etwas Grundsätzlichem beginnen: Mit dem Erwerb der Staatsbürgerschaft eines Landes, meine sehr geehrten Damen und Herren, gehen umfassende und tiefgreifende Rechte einher. So dürfen österreichische Staatsbürger beispielsweise an der politischen Willensbildung teilnehmen, also dem Herzstück der Demokratie, den Wahlen, teilnehmen. Sie haben das Recht auf ungestörten Aufenthalt in Österreich. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern nie die Einreise verwehrt werden darf und dass Staatsbürger nicht einmal im Falle einer Verurteilung, einer gerichtlichen Verurteilung wegen schwerer Straftaten aus unserem Land ausgewiesen werden können. Auch die Unionsbürgerschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren, und dadurch zahlreiche weitere europäische Freiheiten sind mit diesen Rechten verbunden. Österreichische Staatsbürger dürfen sich in der Europäischen Union selbstverständlich frei bewegen. Wir sind eine europäische Solidargemeinschaft, und bei der Entscheidung, wer unsere Staatsbürgerschaft erwerben darf, entscheiden wir somit nicht nur, wer bei uns in Österreich als Staatsbürger leben darf, wir tragen auch Verantwortung für andere Staaten der Europäischen Union mit. Und noch etwas: Die Dauer der Staatsbürgerschaft, das wissen Sie alle, ist zeitlich nicht beschränkt, genauso wie eine einmal erfolgte Einbürgerung grundsätzlich nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, und das ist alles gut und richtig so. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist also etwas ganz Besonderes und sollte somit auch keine leichtfertig getroffene Entscheidung sein. Meine Damen und Herren, Fakt ist, dass auf Grund der bestehenden Richtlinien für Einbürgerungen alles aus unserer Sicht wohl durchdacht und auch bewährt ist. Diese Richtlinien stellen sicher, dass die Staatsbürgerschaft, so wie es heute schon einmal ausgesagt worden ist, erst am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses steht und auch wesentliche Kriterien hinsichtlich der Sicherheit des Staatsvolks damit verbunden sind. Meine Damen und Herren, die Regeln sehen vor, dass die Staatsbürgerschaft nur dann verliehen werden darf, wenn die Staatsbürgerschaftswerber keine Gefahr für die Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie das öffentliche Interesse in Österreich darstellen. So dürfen Personen, die um Einbürgerung ansuchen, in der Vergangenheit auch nicht rechtskräftig zu einer gerichtlichen Freiheitsstrafe verurteilt worden sein. Warum sind diese Regelungen aus unserer Sicht so wichtig? - Diese Regelungen sind deshalb so wichtig und diese Voraussetzungen sind deshalb so entscheidend, damit unsere Kinder und unsere Familien in Sicherheit in Österreich leben können. (Beifall bei der ÖVP.) Einer der Punkte, der mir sehr wichtig ist - viele von Ihnen wissen das -, ist die Voraussetzung einer wirklich gelungenen Integration. Es ist aus meiner Sicht entscheidend, dass Menschen, die die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen sollen und bekommen wollen, sich auch an unsere österreichischen, an unsere europäischen Grundwerte halten und diese Orientierungen beachten. Meine Damen und Herren, ich bin ganz sicher, dass wir in dieser Frage noch einen großen Aufholbedarf haben. Wer in Österreich leben will, wer in Wien leben will, hat sich an unsere Werte zu halten! (Beifall bei der ÖVP.) Österreichische Grundwerte, europäische Grundwerte - was heißt das? Das heißt, die Grundwerte einer liberalen Demokratie, und ich glaube, zu denen stehen wir alle. Diese Grundwerte einer liberalen Demokratie haben sich bei uns durch eine lange Tradition entwickelt, und ich verlange schon, dass diese europäischen Grundwerte einer liberalen Demokratie von Menschen, die auch in Österreich Staatsbürger werden wollen, mitgetragen werden. Da spreche ich nicht von irgendetwas, da spreche ich von grundlegenden Prinzipien, wie zum Beispiel der Gleichberechtigung von Mann und Frau, wie zum Beispiel dem Recht auf Selbstbestimmung für das Leben einer Frau, fernab von Sittenwächtern und allen möglichen Auswüchsen, die wir in den letzten Jahren leider erleben mussten. Doch auch die anderen Kriterien, meine Damen und Herren, zum Erwerb der Staatsbürgerschaft sind ganz, ganz wichtig: Personen, die österreichische Staatsbürger werden wollen, müssen einen hinreichend gesicherten Lebensunterhalt vorweisen können. Ja, selbstverständlich, und dazu stehen wir, die Selbsterhaltungsfähigkeit ist eine ganz wesentliche Voraussetzung. (Beifall bei der ÖVP.) Werfen wir einmal einen Blick auf bestehende Probleme in Wien! Immer wieder sehen wir - glauben Sie mir, ich war gestern in Favoriten wieder einmal spazieren -, dass sich Parallelgesellschaften entwickeln, immer wieder hören wir, dass sich Menschen in Wien gar nicht integrieren wollen. Durch ein Aufweichen der Bestimmungen zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft würden diese Konflikte nicht weniger werden (Abg. Mag. Thomas Reindl: Geh bitte!), sondern, ganz im Gegenteil, mehr! (Beifall bei der ÖVP.) Herr Landeshauptmann, Herr Bürgermeister, Sie wissen, ich schätze Sie sehr, aber ich glaube nicht, dass Sie die Meinung der Wienerinnen und Wiener vertreten, und ich glaube auch nicht, dass Sie die Meinung aller in der SPÖ vertreten, wenn Sie heute Erleichterungen beim Erwerb der Staatsbürgerschaft fordern. (Beifall bei der ÖVP.) Sehen wir uns doch einmal die derzeitige Situation an, sehen wir uns die Situation der hier geborenen Menschen an: Wie ist die Lage in den Wiener Schulen? - Sie wissen es, auf Grund Ihrer Anfragebeantwortung haben wir dankenswerterweise die Zahlen, Daten und Fakten auch erhalten. 10.000 Volksschulkinder in Wien sind am Beginn ihrer Schulzeit in der Situation, dass sie nicht oder kaum Deutsch sprechen. Das ist eine ganz schlechte Startvoraussetzung für diese jungen Menschen. Aber es kommt leider noch schlimmer: 60 Prozent dieser 10.000 Volksschulkinder, die nicht oder kaum Deutsch sprechen, sind hier in Österreich geboren. 80 Prozent dieser 10.000 Volksschulkinder, die nicht oder kaum Deutsch sprechen, sind jahrelang in den Kindergarten gegangen. (Lhptm-Stv. Christoph Wiederkehr, MA: Was hat das mit der Staatsbürgerschaft zu tun?) Und 30 Prozent dieser 10.000 Volksschulkinder, die nicht oder kaum Deutsch sprechen, sind bereits österreichische Staatsbürger. Meine Damen und Herren, mit einer weiteren Aufweichung, die Sie fordern, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft würden Sie diesen Trend noch verstärken. Die logische Schlussforderung für mich, die logische Schlussforderung für uns ist daher ganz klar, ein Abgehen von den Voraussetzungen zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft wäre fatal. Für die Wiener Volkspartei ist deshalb ganz klar: Bestehende Regeln zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft dürfen unter keinen Umständen aufgeweicht werden! (Beifall bei der ÖVP.) Ich schätze unterschiedliche Meinungen, weil das Demokratie wirklich spannend macht, aber ich sage ganz offen, ich verstehe es einfach nicht, warum gerade Parteien im linken Spektrum immer wieder die Kriterien für den Erwerb der Staatsbürgerschaft senken wollen, nach unten schrauben möchten. Warum? Können Sie mir das erklären? Sie werden es sicher dann im Zuge der Diskussion tun. (Abg. Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi: Weil alle Menschen gleich sind! - StR Peter Kraus, BSc: Menschen mit Staatsbürgerschaft lernen ...) - Lassen Sie mich vielleicht erklären, was meine Überlegungen sind, bevor ich Ihnen dann ganz genau zuhöre. Werfen wir doch einen Blick auf das Was-wäre-wenn: Für wen wäre es zum Beispiel ein Vorteil, wenn wir noch mehr Sprachprobleme in den Wiener Schulen hätten, wenn im Zuge dieser Überbelastung dann noch mehr Pädagoginnen und Pädagogen in andere Bundesländer abwandern, weil sie es einfach nicht mehr aushalten, was sich in vielen Schulen in Wien abspielt? Für wen, meine sehr geehrten Damen und Herren - und ich höre auch Ihren Argumenten dann ganz genau zu -, wäre es ein Vorteil, wenn Schülerinnen und Schüler auf Grund der Sprachprobleme die Pflichtschule nicht mehr schaffen? (Abg. Mag. Aygül Berivan Aslan: Integrationspolitisch ...) Schon jetzt erreichen acht von zehn Kindern, Jugendlichen die Bildungsziele in den Pflichtschulen nicht mehr. (Lhptm-Stv. Christoph Wiederkehr, MA: Was hat das mit der Staatsbürgerschaft zu tun?) Acht von zehn Kindern erreichen die Bildungsziele nicht oder nur teilweise! Was bedeutet das? (Abg. Mag. Aygül Berivan Aslan: Das sind Ihre Ministerien, die dafür verantwortlich sind!) - Das bedeutet, meine Damen und Herren, da geht es um Menschen! Da geht es um Menschen, die dadurch, dass sie nicht Deutsch können, dadurch, dass sie sich auch mit unseren Werten nicht identifizieren, dadurch, dass sie auch in der Schule nicht mehr mitkommen, in Wirklichkeit nicht auf den Arbeitsmarkt kommen können, aber dort, am Arbeitsmarkt, gäbe es die Chance, dass sie Perspektiven und Hoffnung finden. - Das alles verbauen wir ihnen im derzeitigen System. Für wen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre es von Vorteil, wenn unser Sozial- und Pensionssystem, das ohnehin immer wieder vor großen Herausforderungen steht, an den Rand der Überlastung kommt, wenn Personen aus anderen Staaten, die sich selbst nicht erhalten können, bei uns als österreichische Staatsbürger leben? Für wen wäre es von Vorteil, wenn sich in Österreich und vor allem auch in Wien noch mehr Parallelgesellschaften und Konflikte auf Grund von mangelnder Integration bilden? Ich frage Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren: Für wen wäre es eigentlich von Vorteil, wenn sich bei uns immer mehr Menschen dann auch als österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ansammeln, die sich nicht mit unseren Werten identifizieren, aber unser Sozial- und Gesundheitssystem nutzen und, ich spreche es auch aus, manchmal auch ausnutzen? Für wen, und das ist meine letzte Frage in dieser Runde, wäre es von Vorteil, wenn wir Staatsbürgerschaften an verurteilte Straftäter oder an Personen, die dem österreichischen Staat schlicht und ergreifend ablehnend gegenüberstehen, vergeben? - Ich sage es Ihnen, für wen das ein Vorteil wäre: Für niemanden, außer vielleicht für jene, denen Österreich und Wien nicht am Herzen liegen! (Beifall bei der ÖVP.) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir als Wiener Volkspartei sind für die Menschen da und daher wird die Volkspartei eine Aufweichung dieser Bestimmungen niemals unterstützen. Es gibt - Dr. Markus Wölbitsch-Milan hat es heute schon ausgeführt - Baustellen in diesen Belangen, die Sie alle kennen. Ja, auch ich lade Sie ein, auch ich fordere Sie auf, und ich weiß, das ist alles nicht leicht, Herr StR Wiederkehr, die MA 35 zu reformieren, aber es ist dringend erforderlich. Anstatt Lockerungen bei der Vergabe der Staatsbürgerschaft zu fordern, sollten Sie einmal die administrativen Voraussetzungen, die personellen Voraussetzungen lösen, denn in der Magistratsabteilung 35 - und das ist in der Zwischenzeit schon Legende - hebt sehr oft niemand das Telefon ab. In der Magistratsabteilung 35 gibt es wochenlange, monatelange und jahrelange Wartezeiten für Menschen, die ja tatsächlich schon zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft anstehen würden. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Staatsbürgerschaft und alle damit einhergehenden Rechte - das möchte ich am Ende schon noch ganz deutlich sagen -, und seien wir uns dessen auch bewusst, sind ein ganz wertvolles Gut. Die österreichische Staatsbürgerschaft ist ein wertvolles Gut und damit sollte nicht wie mit einem Artikel aus dem Selbstbedienungsladen umgegangen werden. Die österreichische Staatsbürgerschaft sollte etwas sein - das sage ich auch ganz bewusst -, auf das die Menschen stolz sind. Die österreichische Staatsbürgerschaft sollte etwas sein, das etwas ganz Besonderes ist. Mit uns wird es eine undifferenzierte Willkommenspolitik gerade im Bereich der Staatsbürgerschaft nicht geben, denn das ist nicht das geeignete Mittel, um den aktuellen Herausforderungen gerade in Wien zu entsprechen. Ich fasse zusammen: Der heutige Sonderlandtag ist für uns alle wichtig, auch für die Menschen in dieser Stadt wichtig, weil sie die unterschiedlichen Haltungen erkennen, und das ist ja auch in einer Demokratie legitim. Es gibt eben die Haltung der Linksparteien hier im Rathaus, führend von der SPÖ betrieben (StR Dominik Nepp, MA: Sie sind ja selber schon eine Linkspartei!), und es gibt unsere Haltung, die Haltung der Wiener Volkspartei, die sich dazu bekennt, wirklich dazu bekennt und viele, viele Mittel dafür einsetzt, Integration zu fördern. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir fordern Integration auch ein. (Beifall bei der ÖVP.) Die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren, soll tatsächlich der krönende Abschluss eines gelungenen Integrationsprozesses sein und - im Gegensatz zur SPÖ spreche ich es noch einmal aus - nicht der Anfang. Lassen Sie uns dieses wertvolle Gut der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht durch neue und niedrigere Schwellen entwerten! An den wohldurchdachten und an den bewährten Regeln für die Einbürgerung, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf und soll nicht gerüttelt werden, und dafür, das verspreche ich Ihnen, steht die Wiener Volkspartei! (Beifall bei der ÖVP.) Präsident Ernst Woller: Als nächster Redner ist Herr StR Nepp zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. StR Dominik Nepp, MA: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir dieses wichtige Thema der Staatsbürgerschaft heute hier debattieren und diskutieren können. Ich wundere mich aber dennoch, dass gerade die ÖVP probiert, heute hier diese Show abzuziehen. Herr Wölbitsch hat es anfangs schon gesagt, Auslöser war nicht eine Aktion von Ihnen oder dass es so wichtig ist, dieses Staatsbürgerschaftsgesetz zu verschärfen und in der jetzigen Form beizubehalten, sondern Auslöser war eine Aussage von Alexander Van der Bellen. Dieser hat gemeint, man müsste das erleichtern und man müsste den Erwerb der Staatsbürgerschaft in Zukunft insofern anders gestalten, damit man schneller diese Staatsbürgerschaft bekommt. Erst auf diese Aussage hinaus ist die ÖVP wieder munter geworden und hat gemeint: Na ja, nein, so geht es hier nicht ganz! Ich habe mir dann in den letzten Tagen und Wochen angeschaut, wenn der Herr Van der Bellen so böse ist, wer diesen Herrn Alexander Van der Bellen eigentlich für die Bundespräsidentschaftswahl unterstützt. Die GRÜNEN, das ist eh logisch, er ist der eigene Kandidat. Die NEOS auch - die haben sich ja schon, so wie in Wien, selbst aufgegeben. Die SPÖ, da möchte die Führungsspitze ja auch unterstützen, also Frau Rendi-Wagner möchte Herrn Van der Bellen unterstützen. Es gibt zwar einiges Murren, vor allem aus dem Burgenland, dort hört man, dass Herr Doskozil am liebsten den Altlandeshauptmann Niessl als Kandidaten hätte. Und wer unterstützt sonst noch? - Auch die ÖVP. Das, was sie bis jetzt so verflucht - wie kann man das nur fordern -, unterstützt die ÖVP. (Widerspruch bei der ÖVP.) Die ÖVP selbst unterstützt Herrn Alexander Van der Bellen, (Abg. Mag. Caroline Hungerländer: Nein! Nein! Nein), der bei jeder Ankunft eines Afrikaners, eines Syrers oder wer sonst kommt, am besten gleich an der Grenze die Staatsbürgerschaft aushändigt. Die Grande Dame der ÖVP, Frau Maria Rauch-Kallat, hat sich ja jetzt dem Komitee angeschlossen, um Van der Bellen zu unterstützen. Es gibt den neuen Superstar der Steiermark, Herrn Drechsler, der Herrn Schützenhöfer abgelöst hat. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Stellt einmal einen Kandidaten auf! Groß reden, aber nicht einmal einen Kandidaten!) - Was sind Sie denn jetzt so nervös? Ein großes, gewichtiges Bundesland der ÖVP, die Steiermark, der Herr Drechsler, neuer Superstar und Nachfolger von Schützenhöfer, hat sich auch dafür ausgesprochen: Ja, er unterstützt mit der Steiermark Herrn Van der Bellen. Herr Wallner aus dem entferntesten Bundesland Vorarlberg meint auch: Ja, Van der Bellen ist zu unterstützen. Und selbst der mehr oder weniger freiwillig - oder unfreiwillig, man weiß es nicht - abtretende Lhptm Platter aus Tirol sagt, ja, selbstverständlich unterstützt er Van der Bellen. Große Teile der ÖVP unterstützen also Van der Bellen. Das ist derjenige, der Erleichterungen will, der jedem dann gleich die Staatsbürgerschaft aushändigen will, sobald er die österreichische Grenze übertritt. Darum sage ich, Herr Mahrer - und Frau Sachslehner redet ja nachher, glaube ich, auch noch -: Das ist ein durchschaubarer Bluff, den Sie hier abziehen. (Abg. Mag. Manfred Juraczka: Wann werdet ihr einen Kandidaten präsentieren?) Es ist wirklich plump gemacht. Da fällt nicht einmal mehr der ÖVP-Kernwähler darauf rein und geht Ihnen auf den Leim. Bei dem, was Sie hier abziehen, darf man sich nicht wundern, wenn man draußen bei der Bevölkerung nur noch als Gespött und Satireprojekt wahrgenommen wird. (Beifall bei der FPÖ. - Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Da kennt ihr euch aus!) Eine Zeit lang waren Sie auch am richtigen Kurs, das war die Zeit, als es eine FPÖ-Regierungsbeteiligung gab (Heiterkeit bei der ÖVP.), als wir auch das Staatsbürgerschaftsrecht verschärft haben, als wir geschaut haben, dass nicht - und das war damals in der Debatte - Leute, die mit dem Titel Asyl hier herkommen, noch früher eingebürgert wurden - das wurde auf Druck der FPÖ verhindert. Mir wäre es am liebsten gewesen, wenn jemand, der mit dem Titel Asyl nach Österreich kommt - das ist immerhin Flucht auf Zeit, und Sie sagen ja selbst immer, dass Asyl und Zuwanderung differenziert behandelt werden müssen -, überhaupt keinen Anspruch auf die Staatsbürgerschaft hat, weil er ja wieder zu gehen hat, wenn der Asylgrund wegfällt. (Beifall bei der FPÖ.) Dann kam der Schwank zu den GRÜNEN, Sie haben sich mit denen in das Koalitionsbett gelegt, haben dann wieder mehr oder weniger Themen und Bereiche von dort aufgeweicht. Wie Sie das "wording" der GRÜNEN übernommen haben, zeigt sich auch schon in Ihrem heutigen Antrag, den Sie hier einbringen, wo am Schluss steht: Die Vergabe der Staatsbürgerschaft steht am Ende eines erfolgreichen Integrationsprozesses. - Das war früher noch ein bisschen anders und da sieht man schon, wie Sie gar nicht merken, wie Sie sich selbst eigentlich schon dem Linksblock anschließen. Am Ende eines Integrationsprozesses steht nicht automatisch die Staatsbürgerschaft. Sie kann verliehen werden. Das, was Sie hier heute in Ihrem eigenen Antrag beschließen, das ist nämlich der Antragstext, nicht die Begründung, der Antragstext. (Abg. Mag. Caroline Hungerländer: Wo ist die Problematik?) Sie wollen hier eine automatische Vergabe der Staatsbürgerschaft nach einem erfolgreichen Integrationsprozess beschließen, und da machen wir nicht mit! Wir sagen, als Souverän können wir uns selbst aussuchen, wer Staatsbürger wird und wer nicht. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn Sie hier herauskommen und pauschal den Linksblock hier beschimpfen - ich weiß nicht, ob Sie die NEOS jetzt schon dazuzählen oder nicht, gesellschaftspolitisch ja -, weil Sie sagen, die arbeiten immer daran, Zuwanderung und Staatsbürgerschaft zu erleichtern, gebe ich Ihnen recht, aber was macht die jetzige Bundesregierung? Sie hat jetzt eine Gesetzesänderung in Bearbeitung - Sie werden es nicht mehr wissen, Herr Mahrer, weil Sie jetzt hier sitzen und nicht mehr im Nationalrat, aber vielleicht haben Sie auch daran mitgearbeitet. Sie beschließt jetzt eine Aufweichung der Rot-Weiß-Rot-Card, indem eben die Mindestanforderung eines Mindestverdiensts wieder herabgesenkt wird. Das heißt, sie erleichtert noch die Zuwanderung. (Abg. Mag. Caroline Hungerländer: Das ist Arbeitsintegration!) Wenn Sie jetzt also hier dem Linksblock vorwerfen, dass die ständig Zuwanderung erleichtern und leichtfertiger die Staatsbürgerschaft vergeben wollen, dann bitte setzen Sie sich auch automatisch in den Linksblock, denn Sie regieren mit dem Linksblock, mit den GRÜNEN auf Bundesebene. Sie wollen genau das beschließen, was Sie vorher hier bekrittelt haben. Das ist diese Scheinheiligkeit und heuchlerische Art und Weise der Politik der ÖVP, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.) Wir sind eben die Einzigen, die schon seit den 90er Jahren gesagt haben: Wir müssen schauen, wer hier die Staatsbürgerschaft bekommt. Wir müssen Integration verlangen, das ist keine Normalität und das wird auch nicht automatisch erbracht, sondern wir müssen es auch einfordern. Herr Mahrer, ich gebe Ihnen recht, inhaltlich war Ihre Analyse ja richtig, nur die Schlussfolgerung daraus war falsch beziehungsweise ist Ihr politisches Handeln nicht deckungsgleich mit dem, was Sie heute hier gesagt haben. Es gibt in Wien selbstverständlich viele Menschen, die die Staatsbürgerschaft nicht haben, das sind nämlich 37 Prozent. Es gibt allerdings viele Staatsbürger, die in Wiens Schulen sitzen und noch kein einziges Wort Deutsch sprechen können. Darum sage ich auch heute hier - auch wenn es die SPÖ und die GRÜNEN und vielleicht auch Teile der ÖVP so wollen -: Für eine automatische Staatsbürgerschaft ab Geburt hier in Österreich wird es ein Veto von Seiten der FPÖ geben. Da sage ich klipp und klar Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ein Phänomen haben wir auch dieser schrankenlosen Zuwanderungspolitik von SPÖ, GRÜNEN, aber auch teils der ÖVP hier in Wien zu verdanken: Viele Menschen leben hier in Wien, die nicht Staatsbürger sind, die aber auch gar nicht Staatsbürger sein wollen. Die bekommen sowieso alles. Die bekommen die Mindestsicherung, die bekommen Gemeindewohnungen, die müssen sich nicht integrieren, warum müssen sie überhaupt noch die Staatsbürgerschaft bekommen? (Abg. Dipl.-Ing. Selma Arapovic: Die zahlen auch Steuern!) - Wenn Sie mit dem Steuerargument kommen, das ich ja immer wieder höre, ja, die zahlen ja auch Steuern (Abg. Dipl.-Ing. Selma Arapovic: Tun sie ja auch!), was wäre dann der Umkehrschluss? - Dass die, die nicht hier Steuern zahlen, und es gibt viele Österreicher, die keine Lohnsteuer zahlen, weil sie vielleicht in prekären Arbeitsverhältnissen sind, weil Sie es nicht geschafft haben, die Arbeitsmarktpolitik so auf Vordermann zu bringen, dass die einen Job haben, in dem sie so viel Geld haben, dass sie Lohnsteuer zahlen. Das heißt, wenn Sie mit dem Steuerargument kommen, dann schließen Sie viele Menschen aus und wir kommen wieder zurück zu einem Zensuswahlrecht. Wenn Sie das wollen, dann sagen Sie es, dass nur steuerzahlende Bürger wählen dürfen. Am besten dann noch die Stimme gewichten - jene, die mehr Steuern zahlen, haben dann eine gewichtigere Stimme als jene, die nicht Steuern zahlen. Sagen Sie es, wenn Sie das wollen, aber kommen Sie mir nicht ständig mit dem Steuerargument, weil damit schießt man sich nämlich selbst ins Knie, liebe NEOS. Ich spare mir noch ein bisschen Zeit auf, weil ich mich sicher dann noch einmal zu Wort melde, wenn es wieder zur Scheinheiligkeit und heuchlerischen Politik der ÖVP kommt, aber eines möchte ich noch sagen, das mir sehr wichtig ist: Sie machen immer genau das, was gerade opportun ist. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Geh! Geh! Geh!) Als medial die große Mitleidswelle kam, waren es damals auch Minister Kurz und Generalsekretär Blümel, die gesagt haben, wir brauchen mehr Willkommenskultur, die Zuwanderer sind sowieso besser gebildet als der durchschnittliche Österreicher. Und als man dann gesehen hat, dass die Stimmung kippt, hat man wieder anders agiert. Dann hat man probiert, den harten Johnny zu spielen. Genau das Gleiche passiert jetzt auch in dieser Ukraine- Krise: am Anfang großes Mitleid. Was sagt Ihre so hochgepriesene Frau Edtstadler? - Es gibt keine Limits, wir müssen jeden aufnehmen, der kommt! - Das ist genau der gleiche Fehler, den Sie 2015 gemacht haben, der sich jetzt wiederholt. Am Anfang, nur um medial gut dazustehen und um vielleicht endlich einmal eine Welle der Sympathie zu erhaschen, denn sehr viel Sympathie schlägt Ihnen von der Wiener Bevölkerung eh nicht mehr entgegen, probieren Sie es jetzt wieder, hier, ohne Limit, zu sagen. Und jetzt passieren die gleichen Fehler wie damals. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Das habe ich jetzt schon ein paar Mal gehört!) Darum sage ich, mit Ihnen kann man keine vernünftige Zuwanderungspolitik machen oder auch nicht das Staatsbürgerschaftsrecht dahin gehend reformieren, dass es strenger gemacht wird, denn sobald die Stimmung wieder ein bisschen kippt, sind Sie wie ein Fähnlein im Wind, drehen sich in die eine oder andere Richtung. Darum bleibe ich dabei: Der einzige Garant, diese Massenzuwanderung zu verhindern und auch eine Aufweichung des Staatsbürgerschaftsrechts zu verhindern, ist und bleibt die FPÖ. (Beifall bei der FPÖ.) Präsident Ernst Woller: Das waren jetzt elf Minuten, es besteht eine Restredezeit von neun Minuten. Ich möchte mitteilen, dass Abg. Kriz-Zwittkovits heute während der Landtagssitzung teilweise entschuldigt ist und dass Abg. Öztas ab sofort entschuldigt ist. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abg. Arapovic. Ich erteile ihr das Wort. Redezeit ist 20 Minuten. Abg. Dipl.-Ing. Selma Arapovic (NEOS): Vielen Dank, Herr Präsident! Hallo, Herr Vizebürgermeister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Gleich zu Beginn ein Zitat aus den Reihen der ÖVP: "Eine leichtfertige Vergabe der österreichischen Staatsbürgerschaft wird es mit der Volkspartei nicht geben!" - Eine leichtfertige Vergabe, eine Entwertung der Staatsbürgerschaft, liebe ÖVP, das will hier keiner, denn das wäre absolut verantwortungslos. (Beifall bei den NEOS sowie von StR Karl Mahrer und Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM.) Was aber nicht sein kann, ist, dass es auf Grund der Absurditäten, die es im Staatsbürgerschaftsgesetz in Österreich gibt, es so umständlich ist, die Staatsbürgerschaft zu erlangen wie in fast keinem anderen Land. Was gefordert wird, ist nicht eine leichte Vergabe, sondern gefordert wird oft und auch von unserer Seite eine Erleichterung, eine faire und nachvollziehbare Gesetzgebung für die Erteilung der Staatsbürgerschaft und eine vollziehbare Gesetzgebung für die Behörden, um diese auch verleihen zu können. Das will aber die ÖVP nicht, und das seit mehr als 20 Jahren. Seit der ersten schwarz-blauen Koalition und den ersten massiven Verschärfungen im Staatsbürgerschafts- und Bleiberecht hat sich diesbezüglich in Österreich eigentlich nichts geändert. Eine Konstante hat es immer gegeben, egal, welche Regierungen seit den 90er Jahren zustande gekommen sind, seit der ersten schwarz-blauen Regierung gab es die Konstante der ÖVP, die dahinter war, diese Gesetze nur noch zu verschärfen und die Hürden möglichst zu erhöhen, um die Staatsbürgerschaft für die BürgerInnen und Bürger dieses Landes zugänglich zu machen. (Zwischenruf von Abg. Dr. Wölbitsch-Milan, MIM.) - Ja, es sind immer zwei, das stimmt. Für die Demokratie ist es aber tatsächlich ein großes Problem, wenn von Jahr zu Jahr laut Statistik Austria nur 0,6 bis 0,7 Prozent der in Österreich lebenden Nichtösterreicher die Staatsbürgerschaft erlangen. Sowohl das Wahlrecht, aber auch das Gleichheitsversprechen - darauf ist Herr Mahrer auch stark in seiner Rede, allerdings im ersten Teil seiner Rede, eingegangen - ist sehr, sehr stark an die Staatsbürgerschaft gebunden. Wir wissen, dass die Demokratie unter niedriger Wahlberechtigung und Wahlbeteiligung sehr, sehr leiden kann, aber auf dieses wichtige Thema werde ich jetzt nicht näher eingehen, denn dieses wichtige Thema wird, glaube ich, auch noch genügend von den Kolleginnen und Kollegen behandelt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, darüber zu sprechen, was dieses Gleichheitsversprechen für die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger Österreichs bedeuten kann und was damit eigentlich verknüpft ist. Dieses Gleichheitsversprechen kann für die persönliche Entfaltung, für das berufliche Vorankommen, aber auch für das subjektive Sicherheitsgefühl ausschlaggebend sein. Nichts von dem, was ich heute beruflich bin, könnte ich ohne Staatsbürgerschaft sein. Ich könnte keine Politikerin sein, ich könnte nicht hier reden und hier stehen, wenn ich keine Staatsbürgerschaft hätte. Ich könnte aber auch keine Ziviltechnikerin sein, denn neben dem abgeschlossenen Studium und einer fünfjährigen Berufserfahrung ist auch die Staatsbürgerschaft notwendig, um zur Prüfung der Ziviltechnikerin zugelassen zu werden. (Abg. Mag. Dietbert Kowarik: Aber ...! Frau Kollegin, das sollten Sie schon sagen! Bleiben Sie bei der Wahrheit!) Aber auch viele andere Berufe, vor allem im Justizbereich, sind an die Staatsbürgerschaft gebunden, wie RechtsanwältInnen, RichterInnen, StaatsanwältInnen, NotarInnen, aber auch Sachverständige können Sie, egal, wie gut Sie in Ihrem Fachgebiet sind, nicht sein, wenn Sie nicht die Staatsbürgerschaft haben. (Beifall bei NEOS und GRÜNEN. - Abg. Mag. Dietbert Kowarik: Das ist falsch!) Ich möchte also hervorheben, dass die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zwar für Partizipation und für die Mitgestaltung unserer demokratischen Gesellschaft sehr wichtig sind und diese stärken, aber gleichzeitig möchte ich hier wirklich unterstreichen, wie wichtig die Staatsbürgerschaft für das persönliche und berufliche Vorankommen sein kann. Aber war ich mir dessen vor 20 Jahren bewusst, als ich um die Staatsbürgerschaft angesucht habe? Habe ich damals im 2. Studienabschnitt gedacht, ich möchte Ziviltechnikerin werden, das Studium schaffe ich schon und ich brauche Berufserfahrung, also fange ich gleich mit dem Kompliziertesten an und beantrage die Staatsbürgerschaft? Oder hatte ich vor 20 Jahren eine Vorahnung, dass in 10 Jahren eine Partei gegründet sein würde, die mich irgendwie dazu motivieren wird, politisch mitgestalten zu wollen? Vielleicht hatte ich auch 30.000 Schilling am Konto und habe gedacht, okay, ich investiere sie in etwas, was die größere Miete bringt. - Nein, weder diese Weitsicht noch das Geld hatte ich damals, das muss ich zugeben. Was war damals? - Es war die Zeit der ersten schwarz-blauen Koalition. Die Gesetze, die die Ausländerinnen und Ausländer betreffen, sind immer schärfer geworden. Der politische Ton und die gesellschaftliche Einstellung haben sich damals wirklich massiv und spürbar verändert. Der Rechtspopulismus hat an Dominanz gewonnen und der oft nicht so direkt ausgesprochene Satz "Ausländer raus!" ist salonfähig geworden. Beim politischen Aschermittwoch in Ried im Innkreis, wo ich damals mit meinen Eltern gelebt habe, fallen in der Jahn-Turnhalle Sätze zur Belustigung der Menschen, wie: "Wenn einer schon Abramovich heißt, muss man sich zuerst einmal fragen, ob er eine aufrechte Aufenthaltsgenehmigung hat!" (Abg. Maximilian Krauss, MA: Adamovich!) - Adamovich. Der Name spielt dabei auch keine Rolle, aber dieser Satz, dieses ausgesprochene Misstrauen, diese pauschale Vorverurteilung und diese Ausgrenzung auf Grund des Namens, dieser Satz, ausgesprochen in einem Land, wo es zur Zeit des Nationalsozialismus Zwangsnamen gegeben hat, dieser Satz, ausgesprochen in Richtung des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes der Republik Österreich, machte mich damals wirklich fassungslos. Da habe ich beschlossen, von dieser Politik, von dieser Einstellung nicht abhängig sein zu wollen, und deswegen habe ich mich zur Flucht nach vorne entschlossen und mich in die Sicherheit der Staatsbürgerschaft begeben, denn diese Sicherheit und die Staatsbürgerschaft sind tatsächlich ein hohes, ein extrem hohes Gut - das will ich damit unterstreichen. (Beifall bei den NEOS sowie von Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher und Abg. Benjamin Schulz.) Wenn die ÖVP aber glaubt, dass diese mit horrenden Summen oder Schikanen zur Einbürgerung geschützt wird, dann muss ich sagen, dass ich das lächerlich finde. - Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie von Abg. Dipl.- Ing. Huem Otero Garcia und Abg. Mag. Heidemarie Sequenz.) Präsident Ernst Woller: Bitte um Desinfektion. Die Redezeit betrug acht Minuten. Es liegt mir eine tatsächliche Berichtigung von Abg. Kowarik vor. Ich erteile ihm das Wort und möchte noch anmerken, dass Herr Abg. Öztas nicht entschuldigt ist, sondern er hat sich zu Wort gemeldet, das war ein Missverständnis. Er ist also hier und er wird sich am Schluss zu Wort melden. - Entschuldigt ist Herr Abg. Mahdalik, er ist krank. - Das ist eine Mitteilung. Nun, eine tatsächliche Berichtigung von Herrn Abg. Kowarik. Abg. Mag. Dietbert Kowarik (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorrednerin hat sich zur Äußerung hinreißen lassen, dass für manche Ämter und Berufe in dieser Republik die Staatsbürgerschaft - ich nehme an, die österreichische - notwendig ist und hat dabei unter anderem auch den Notar genannt. Das ist schlichtweg falsch, Frau Kollegin. Informieren Sie sich besser vorher, ich lese Ihnen aus der Notariatsordnung vor - II. Hauptstück § 6 Abs. 1 Z 1 -: "Voraussetzungen für die Ernennung zum Notar sind: die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union" (Abg. Dipl.-Ing. Selma Arapovic: Eben! Eben!) "oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft." - Also nichts österreichische Staatsbürgerschaft, wird sind bereits EU-weit, als EU-Staatsbürger kann man auch Notar werden. Ob das gescheit ist oder nicht, sei dahingestellt. Ich würde Ihnen empfehlen, sich zuvor zu informieren, insbesondere auch, wenn es um Ihren eigenen Beruf geht. - Danke. (Beifall bei der FPÖ.) Präsident Ernst Woller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abg. Kunrath. Ich erteile ihm das Wort. Die Redezeit beträgt 20 Minuten. Abg. Nikolaus Kunrath (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren via Livestream! Es ist nicht selbstverständlich, dass manche von uns Landtagsabgeordneten heute hier am Rednerpult sprechen dürfen, denn wir alle hier im Saal haben eines gemeinsam, das ist unsere StaatsbürgerInnenschaft, manche nicht von Anbeginn, wie gerade erzählt, manche zufällig, auf Grund österreichischer Entscheidungen oder Entscheidungen, die durch die Eltern oder die Großeltern getroffen worden sind. Vor allem gilt nach wie vor - wie in Bertolt Brecht's Text aus "Flüchtlingsgespräche" zwischen dem intellektuellen Ziffel und dem Arbeiter Kalle, die sich im Restaurant von Helsinki in den 1940er Jahren treffen -: "Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustand kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber der Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird." Genauso wichtig ist es, damit die Staatsbürgerschaft geblieben ist. Karl Mahrer, ich gehe, so wie du, öfters in Bezirken herum, ich muss das aber nicht extra hier erwähnen, weil das nämlich unsere tägliche Arbeit ist, sich mit der Bevölkerung zu besprechen. Ich habe aber sehr oft erlebt, dass es nicht die Frage der Staatsbürgerschaft ist, wie sich Menschen auf der Straße verhalten, und ich weiß, dass es sehr oft nicht die Frage der Staatsbürgerschaft ist, wie uns begegnet wird. Ich kann mich noch gut an ein Gespräch erinnern, das ich im Herbst 1997 geführt habe. Einige von Ihnen hier im Saal waren damals noch nicht einmal auf der Welt, und trotzdem ist es mir so gegenwärtig. Kurt Stürzenbecher, damals schon Gemeinderat und heute einer meiner nachfolgenden Redner, und ich als Österreichs Vorsitzender der Europarats-Kampagne "All equal - all different", nahmen an einer Podiumsdiskussion teil. Eigentliches Thema war damals die Forderung an die SPÖ, endlich den Gemeindebau - Kollege Nepp hat das zuvor gerade erwähnt - allen Wienerinnen und Wienern zu öffnen. Schlussendlich musste sie das auf Grund des EU-Rechts ja tun. Wir kamen aber dort auch auf die StaatsbürgerInnenschaft zu sprechen. Damals hat sich Kollege Stürzenbecher noch nicht so offen für einen leichten Zugang gezeigt. Nun, das ist ja erst 25 Jahre her, und ich denke, heute würde er Rainer Bauböck's Forderung nach einer der WohnbürgerInnenschaft, wie er sie damals formuliert hat, als nach einer bestimmten Zeit mit Lebensmittelpunkt auch alle entsprechenden Rechte und Pflichten, wie auch das Wahlrecht, zu haben, anders sehen. Nun, bei euch dauert es halt noch ein bisschen, und ich verstehe ja nach wie vor nicht, Kollege Mahrer, warum du dauernd Staatsbürgerschaft mit Bildung zusammenhängst. Das hat keinerlei Zusammenhang, und es kann dir mein Kollege gerne deutlich machen, wo da die klaren Differenzen sind und wo wir uns ganz klar unterscheiden. Es hat null Zusammenhang, es gibt keinerlei Korrelation zwischen der Staatsbürgerschaft und der Bildung. Es ist nämlich wurscht, welche Staatsbürgerschaft man hat, aber mein Kollege Ömer Öztas wird das heute sicher noch näher ausführen. Ich verstehe solche Sätze überhaupt nicht. (Beifall bei den GRÜNEN.) Nachdem heute dauernd vom Linksblock gesprochen worden ist, den ich ja nicht kenne - ich weiß nicht, ob du dich dann dem Rechtsblock zugeordnet fühlst - (Zwischenruf bei der ÖVP.): Ich stelle mir das zumindest positiv herum vor, dass all die Verschärfungen für Zugewanderte in den letzten Jahrzehnten, die ja auch unter anderem von der SPÖ-Wien mitunterstützt wurden, zum Nachteil der eigenen Partei werden (StR Karl Mahrer: Eben!), wie das ja auch die von SOS Mitmensch durchgeführte "Pass Egal Wahl" immer wieder bestätigt. Bei der nächsten Landtags- und Gemeinderatswahl - vermutlich 2025, wie es derzeit ausschaut - wird es in Wien Gemeindebezirke geben, Kollege StR Kraus wird das auch noch ausführen, in denen nicht einmal mehr die Hälfte der BewohnerInnen mitwählen darf. Da müssten wir versuchen, Änderungen zu schaffen, und das lässt sich nicht nur mit Bemühungen, wie sie im VP-Antrag stehen - dass das alles ja gar nicht wahr wäre -, verändern, sondern das ist Tatsache, und das lässt sich auch durch diese von dir vorher zitierte Umfrage bestätigen. 82 Prozent der nichtwählenden Wienerinnen und Wiener ist länger als 5 Jahre in Wien. 82 Prozent! Nach 6 Jahren kann er bei entsprechenden Voraussetzungen die Staatsbürgerschaft schaffen, und ihr verhindert das, das möchte ich einmal ausdrücklich festhalten. (Beifall bei den GRÜNEN.) Ihr verhindert es mit mehreren Hürden. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Da sagt die Studie etwas anderes!) Deswegen bringe ich heute folgenden Beschlussantrag betreffend antragstellerInnenfreundliches Ausschöpfen des Ermessungsspielraumes in StaatsbürgerInnenschaftsverfahren ein: "Der Landtag spricht sich dafür aus, dass die MA 35 ihren Ermessungsspielraum, der ihr beim Vollzug des Staatsbürgerschaftsgesetzes zukommt, so ausschöpft, dass es AntragstellerInnen möglichst einfach und kosteneffizient ermöglicht wird, die jeweiligen Voraussetzungen für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erfüllen." Denn eines ist besonders wichtig: Wir dürfen und sollen Menschen besonders unterstützen, dass sie ihr Wahlrecht nutzen können und dass sie die Staatsbürgerschaft bekommen. Es darf nie wieder vorkommen, dass der Europäische Gerichtshof wie im Fall EuGH-Urteil C-118/20 gegen die MA 35 Entscheidungen trifft. Wien als Menschenrechtsstadt sollte entsprechend versuchen, den Art. 15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ernst zu nehmen: Jeder und jede haben das Recht auf eine Staatsangehörigkeit. Niemand darf seine Staatsangehörigkeit willkürlich entzogen oder das Recht versagt werden, seine Staatsangehörigkeit zu wechseln. Das ist wichtig, und das sollten wir als Menschenrecht in einer Menschenrechtsstadt Wien immer beachten. (Beifall bei den GRÜNEN.) Deswegen habe ich meinen Antrag auch so formuliert. Wir müssen die Bevölkerung über Vorteile und Sinnhaftigkeit informieren. Auch wenn die MA 35, und das ist ja durchaus positiv, 2021 die höchste Zahl aller in Österreich stattgefundenen Einbürgerungen durchgeführt hat - 42 Prozent aller Einbürgerungen fanden hier statt - liegt das auch an der Zahl der Anträge. Ausnahmsweise bin ich jetzt einmal dafür, die gute alte Zeit zu betonen, die ja hier immer wieder beschworen wird: In der Habsburger Monarchie wurde in den 22 Jahren von 1811 bis 1833 jeder niedergelassene Fremde automatisch und ohne eigene Einwilligung oder Zustimmung des Herkunftsstaates per kaiserlichen Dekret eingebürgert. Es wäre schön, wenn wir das heute in diesem Punkt noch immer so hätten. Solche Praktiken wurden jedoch gerade von den Herkunftsländern leider auch in vielen Punkten bekämpft. Bis in die 70er Jahre war es auch in liberalen Demokratien üblich, dass zum Beispiel Frauen mit der Heirat automatisch die Staatsbürgerschaft ihres Ehemannes erhielten - oder annehmen mussten - und damit gleichzeitig ihre bisherige Staatsbürgerschaft verloren haben. Diese Regel gilt übrigens nur mehr in ganz wenigen Staaten der Welt noch immer. In Österreich haben bis 1983, also noch nicht so lange her, ehelich geborene Kinder ausschließlich die Staatsbürgerschaft des Vaters erhalten. Österreichischen Frauen wurde damit versagt, ihre österreichische Staatsbürgerschaft an ihre eigenen Kinder weiterzugeben. Das war nur dem Vater erlaubt. (Abg. Stefan Berger: Das finden Sie toll?) Das finde ich gar nicht toll, und ich finde, dass genau das geändert werden soll. Ich hätte dazu auch heute einen Antrag eingebracht. Diesen Antrag werden wir jetzt nicht einbringen - wir haben ihn zurückgezogen -, sondern wir werden ihn dann in der Menschenrechtsgruppe, wie mit der SPÖ und mit den NEOS besprochen, zusammen mit dem Leiter der MA 35 Georg Hufgard-Leitner als Fachexperten auch entsprechend behandeln und bearbeiten. Es zeigt aber, wie absurd es ist, dass wir vor 49 Jahren noch immer dieses Gesetz hatten. In ihrem Buch "Migration und Staatsbürgerschaft" - das ich übrigens jedem zu lesen empfehlen würde, um zu wissen, was es zu Staatsbürgerschaften tatsächlich zu sagen gibt, und sich dann auch manche, die da Irrtümern unterliegen, zum Beispiel im Bildungsbereich, näher informieren könnten - schreiben Gerd Valchars und Rainer Bauböck, dass die Toleranz von Mehrfachstaatsangehörigkeit erhöht werden sollte, und zwar nicht nur, wenn diese bei Geburt entsteht, weil die Eltern mehrere unterschiedliche Staatsbürgerschaften haben, sondern auch bei Einbürgerung. Irland war schon 1935 einer der ersten Staaten Europas, und mit zeitlichem Abstand kamen schlussendlich dann auch andere Staaten dazu: Tschechien, Dänemark und Norwegen 2020, um nur einige Beispiele zu nennen. Mehr und mehr Staaten akzeptieren diese Doppel- und Mehrfachstaatsbürgerschaften, und wir werden uns bemühen müssen, dass da etwas weitergeht. Dieser deutliche Trend der letzten Jahre zeigt sich nicht nur in Europa, sondern ist weltweit zu beobachten. Weltweit sehen wir, welche Vorteile das auch bringt. Österreich hingegen verweigert sich diesem deutlichen Trend noch und gehört zu jenen mittlerweile lediglich 22 Prozent der Staaten weltweit, die Doppelstaatsbürgerschaften weder bei Einbürgerungen im Inland noch bei Einbürgerung der eigenen Staatsbürgerschaft im Ausland akzeptieren. Auch bei den Ausnahmen scheint Österreich strenger zu sein, wie Bauböck und Valchars erarbeiten konnten. Deutschland und die Niederlande beispielsweise halten wie Österreich prinzipiell an der Vermeidung von DoppelstaatsbürgerInnenschaft bei der Einbürgerung fest. Sie sagen aber, anders als in Österreich, wo die Ausnahmeregelungen sehr eingeschränkt sind, möglicherweise sind nicht alle Netrebkos oder SpitzensportlerInnen, die die Staatsbürgerschaft dann aus besonderen Gründen erhalten, dass diese aber trotzdem eingegrenzt und zurückhaltend Anwendung finden. In Deutschland und in anderen Staaten wurden 60 Prozent aller Einbürgerungen mit Doppelstaatsbürgerschaft in Deutschland und den Niederlanden akzeptiert. Akzeptanz auch mehrfacher Staatsbürgerschaften heißt einerseits, dass ein größerer Teil der Wohnbevölkerung auch die Staatsbürgerschaft besitzt und daher demokratisch mitbestimmen kann, andererseits erhöht es auch die Diskrepanz, wenn im Ausland Niedergelassene die Staatsbürgerschaft behalten und weitervererben können. Das bedeutet dann, dass wir viel weniger Arbeit hätten, gerade das, was momentan in der MA 35 ein eigener Schwerpunkt ist, nämlich den Nachfolgern von Opfern der NS-Diktatur zu entsprechen. Für Mehrfachstaatsbürgerschaften öffnen sich dadurch auch die individuellen Korridore der Freizügigkeit zwischen jenen Staaten, deren Pässe sie besitzen. Meine Damen und Herren, ich halte es für ganz wichtig, dass wir uns darum kümmern, die Staatsbürgerschaft zu erweitern und sie möglichst offen zu gestalten. Ich halte das nicht als eine Frage von Links- oder Rechtsblock oder sonst eines Blocks - ich halte diese Begrifflichkeit für unerträglich -, ich halte schon gar nichts von einer Diskussion darüber, welchen Bildungsgrad diese Bürgerinnen und Bürger haben, sondern ich halte es für notwendig, um allen gleiche Chancen zu geben. Für die Gnade der Geburt, die man gehabt hat, dass man zufällig in Wien geboren wurde und nicht im Irak oder derzeit in der Ukraine, kann niemand etwas. Das sollten wir uns alle auch manchmal klar machen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit, und möchte im Ceterum Censeo sagen: Ich finde es besonders bedauerlich, dass Herr Bgm Ludwig bei seiner letzten Auslandsreise ausgerechnet mit Herrn Erdogan, nicht aber zumindest mit dem CHP- und daher Schwesterpartei-Bürgermeister von Istanbul, Herrn Imamoglu zusammengetroffen ist (StR Dominik Nepp, MA: Er war wegen der Befehlsausgabe dort!), oder gar andere HDP-BürgermeisterInnen im Gefängnis besucht hat. (Beifall bei den GRÜNEN.) Präsident Ernst Woller: Danke. Die Redezeit hat 15 Minuten betragen, es besteht eine Restredezeit von 5 Minuten. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Stürzenbecher. Ich erteile ihm das Wort. Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen zu Hause vor den Bildschirmen! Als ich gehört habe, dass die ÖVP diesen Sonderlandtag beantragt, war ich am Anfang von diesem Vorhaben durchaus positiv beeindruckt, weil ich mir gedacht habe: Ja, das ist ein Thema, das durchaus aktuell diskutiert werden sollte - ich habe natürlich gehofft, auf sachlicher Basis. Ich bin auch der Auffassung, dass man aus demokratiepolitischen, aber auch aus integrationspolitischen Gründen ganz dringend ein modernes, progressives Staatsbürgerschaftsrecht in diesem Land braucht, und deshalb ist es gut, dass wir darüber diskutieren. Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, weil es einfach untragbar ist, dass es vielen Menschen, die hier legal leben und positiv zum Gemeinwesen beitragen, unnötig schwer gemacht wird, die Staatsbürgerschaft zu erlangen und voll am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Deshalb bin ich dafür, dass wir da etwas machen sollten, und zwar wirklich zügig, und wir fordern deshalb den Bundesgesetzgeber auf, etwas zu machen. (Beifall bei der SPÖ. - Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Geht es einmal an!) Damit wir auch wissen, wovon wir im Großen und Ganzen reden, weil ja von Kollegen Mahrer auch sehr viele Sachen als Beispiel gebracht worden sind, die überhaupt nicht zur Debatte stehen. Wenn er sagt, Leute, die straffällig werden, sollen die Staatsbürgerschaft nicht bekommen: Ja, hat das irgendjemand verlangt? Hat irgendjemand von GRÜNEN, NEOS, SPÖ, was weiß ich, der katholischen Kirche, der Arbeiterkammer (Zwischenruf bei der ÖVP.) verlangt, dass das der Fall sein soll? - Natürlich nicht. Also wenn man das sagt, dann will man einfach eine Debatte auf unsachlicher Ebene führen, die dieses Hauses unwürdig ist. Das muss ich einfach sagen. (Beifall bei SPÖ, NEOS und GRÜNEN.) Worum es geht, sind sechs Punkte, die zum Beispiel die SPÖ auf Bundesebene für ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht schon länger vorschlägt. Ich sage es jetzt einmal am Anfang nur stakkatomäßig: Erstens, sechs Jahre rechtmäßiger Aufenthalt sind genug, zweitens, Anpassung der notwendigen Einkommen für den Erwerb einer Staatsbürgerschaft, drittens, Bundesgebühren abschaffen, Landesgebühren harmonisieren, viertens, ein in Österreich geborenes Kind soll automatisch bei der Geburt zusätzlich die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen, wenn zumindest ein Elternteil fünf Jahre legal im Bundesgebiet aufhältig ist, fünftens, Staatsbürgerschaftslehrgang statt der jetzt etwas komischen Staatsbürgerschaftsprüfung, und sechstens, Doppelstaatsbürgerschaften als Ausnahme, aber nach gleichen Kriterien durchaus, was man übrigens jetzt bei den Opfern der NS-Verfolgung ja sehr erfolgreich macht und was ja von allen Parteien durchaus mitgetragen wird. Also das ist es, worüber man nach unserer Auffassung reden sollte und was auch der Bundespräsident in etwa gemacht hat. (Heiterkeit bei Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Millan, MIM.) Wirklich, Herr Kollege Mahrer, Sie waren in Ihrem vorigen Beruf sehr seriös und erfolgreich, und in durchaus wichtigen Sachen. Es tut mir immer weh, wenn Leute dann in die Politik wechseln und automatisch glauben, sie müssen jetzt in der Argumentation zwei Stufen runtergehen. Ich finde, das ist nicht notwendig. Man kann auch als Politiker seriös argumentieren, und darum würde ich Sie bitten. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN. - Abg. Mag. Manfred Juraczka: Warum tun Sie es dann nicht?) - Ja, Herr Kollege Juraczka, was man sagt, ist man selber, haben Kinder oft gesagt, und das würde ich Ihnen jetzt auch zurücksagen. Kollege Mahrer, Sie haben gesagt, es darf keine Gefahr für die Sicherheit in Österreich geben - natürlich nicht, keiner von diesen sechs Punkten, die ich jetzt vorgelesen habe, bringt weniger Sicherheit -, und wir tragen eine Verantwortung für andere Staaten der Europäischen Union. Das stimmt auch, nur haben die meisten anderen Staaten in der Europäischen Union diese sechs Punkte, die ich aufgezählt habe, überwiegend erfüllt, infolgedessen ist das dort kein Problem. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.) Wir sind als Österreich restriktiv, das ist von einem Institut auch erforscht worden. Noch restriktiver - das hat der Migrant Integration Policy Index ergeben, wo eben ExpertInnen andere Staatsbürgerschaftsrechte untersucht haben - sind im Wesentlichen die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien, und das sollten wirklich nicht unsere Vorbilder sein. Wir sind in Österreich in vielem Vorreiter, da sind wir eher Nachzügler, und wir sollten durchaus darüber nachdenken, warum Deutschland es besser kann, warum es überall in Skandinavien ein besseres Staatsbürgerschaftsrecht gibt. Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, ich könnte da noch sehr, sehr viele europäische Länder aufzählen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die USA sind wieder etwas anderes, aber in dieser Hinsicht auch liberaler. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Die haben ein Sozialsystem!) Der Linksblock, wer immer das ist, da kommt man auch mit solchen Uraltbegriffen: Der Linksblock waren in den 30er Jahren oder was weiß ich, irgendwelche Parteien. Jetzt da von einem Linksblock zu sprechen, ist (erheitert) eine derartig abstruse Argumentation, die ja längst an den Realitäten vorbeigeht. Es sind sehr, sehr viele Leute für eine fairere Staatsbürgerschaftslösung (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Nicht einmal bei euch alle!), nicht nur die Linken. Das sollte man irgendwann auch wissen. Wenn es die sind, na, hoffentlich, das muss ich natürlich auch sagen. Wir haben also jetzt die Punkte in etwa aufgezählt, die zu diskutieren sind, und ich möchte auf diese teilweise eingehen. Einmal das mit den zehn Jahren: Sechs Jahre ist, glaube ich, relativ leicht, das haben wir zwar jetzt auch schon in Ausnahmefällen (Abg. Mag. Caroline Hungerländer: Die meisten nach sechs Jahren!), aber es wäre schön, wenn man grundsätzlich runtergehen würde. Das Zweite sind die notwendigen Einkommen: Es soll eine gewisse Grenze beim Einkommen geben, nur derzeit ist es so, dass man ohne Mietzahlung und ohne gewisse Verbindlichkeiten, die die Person hat, ich glaube, 1.030 EUR netto haben muss, und das ist, was zum Beispiel 15,6 Prozent der ÖsterreicherInnen netto auch nicht haben, wenn man die Miete und das alles abzieht. Da frage ich mich schon, warum man für Menschen, die die Staatsbürgerschaft erwerben wollen, strengere Kriterien beim Einkommen haben muss, als es bei sehr, sehr vielen - mehr als einer Million - Österreicherinnen und Österreichern der Fall ist. Ich wäre natürlich dafür, dass alle mehr verdienen, aber grundsätzlich, meine ich, könnte man da die Grenze senken, ohne dass man sie überhaupt aufhebt. Die Bundesgebühren abschaffen, das ist auf jeden Fall sinnvoll. Das sind zirka 1.200 EUR, unnötig. Wenn das Frau, Mann und ein paar Kinder sind, sind das alleine gleich 3.000, 4.000, 5.000 EUR, und das ist natürlich für eine Familie schon eine große Hürde. Es stimmt auch nicht, Kollege Wölbitsch, was Sie gesagt haben, dass Wien am teuersten ist. Das ist einfach falsch. Wir sind dafür, dass die Landesgebühren harmonisiert werden, und entsprechend unserem Regierungsprogramm mit den NEOS, auf niedrigem Niveau. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Dann schafft es ab!) Es soll auch nicht gratis sein, aber es soll erträglich sein und es soll etwas kosten, aber nicht viel, sondern eine gewisse Summe, die aber bei Weitem nicht so hoch sein soll wie derzeit. (Abg. Mag. Caroline Hungerländer: Dann setzt es um!) Dann glaube ich, dass das mit den in Österreich geborenen Kindern eigentlich selbstverständlich ist. Wir haben zwei Grundphilosophien im Staatsbürgerschaftsrecht weltweit, das werden die meisten wissen, ich sage es trotzdem noch einmal, das ist das ius soli, also das Recht des Bodens, oder das ius sanguinis, das Recht des Blutes, das das eher altmodische, an eher schlechte Zeiten erinnernde ist. Das Blut ist das Um und Auf, das ist das Wichtigste. Wurscht, wo man geboren ist, und sei man in Brasilien geboren, wenn man von zwei Österreichern abstammt, ist es natürlich selbstverständlich, dass man die Staatsbürgerschaft hat. Wenn man in Österreich geboren ist und lange da lebt und perfekt Deutsch kann und alles, aber man zufällig von zwei Staatsbürgern in die Welt gesetzt worden ist, die nicht die Staatsbürgerschaft haben, nützt alles nichts. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Sicher, sie können sie beantragen!) Ja, aber das ist unnötig kompliziert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn ein in Österreich geborenes Kind einen Elternteil hat, der mindestens fünf Jahre legal im Bundesgebiet aufhältig ist, dann soll das automatisch sein. Ich glaube, das ist recht und billig, und das wäre eines Rechtsstaates würdig. (Beifall bei der SPÖ.) Welche Sachen sind weiters noch zu berücksichtigen? Hinter der Staatsbürgerschaftsprüfung, die wir derzeit haben, ist im Grundprinzip eine gute Idee, aber sie ist ein bisschen ins Skurrile ausgeartet. Da müssen dann die neuen Staatsbürger in jedem Bundesland die höchsten Berge wissen und wo irgendein See ist. Wenn man das die Österreicher abfragen würde, würden mehr als die Hälfte durchfallen. (Abg. Maximilian Krauss, MA: Vielleicht bei Ihnen in der Familie!) Das muss man auch wissen, bei einem Multiple Choice Test würden das sehr viele nicht finden. Wofür ich sehr bin, ist ein Staatsbürgerschaftslehrgang, wo man wirklich unsere Grundwerte, die Grundwerte der Demokratie, und so weiter durchmachen soll und wo letztlich festgestellt wird, dass man erfolgreich teilgenommen hat. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Ohne Prüfung?) Das kann man besser machen als mit irgendeinem Multiple Choice. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Das funktioniert? Genau!) Das funktioniert in der modernen Pädagogik schon. In Ihrer ganz einfältigen Uraltmethode der Pädagogik, wie sie bis ins 19. Jahrhundert der Fall war, und dort stecken Sie ja noch, ist es vielleicht besser so, wie Sie es wollen. Wir hätten da aber modernere Zugangsweisen mit einem Staatsbürgerschaftslehrgang. Ich meine, dass das durchaus sinnvoll wäre. Westliche Werte sind durchaus etwas Sinnvolles. Ich glaube aber nicht, dass das Blut und das ius sanguinis der Kern der westlichen Werte sind, sondern ich glaube, dass das Recht des Bodens eher den westlichen Werten entspricht, und das wollen wir vorantreiben, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.) Warum macht das die ÖVP? Die gute Interpretation wäre: Sie wollen eine sachliche Debatte darüber. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Gut, dann ist es okay, und vielleicht ist es auch bei manchen von Ihnen so. Ich glaube aber, bei manchen ist es eher so: Man denkt sich, Staatsbürgerschaft ist ein gutes Thema, da könnte man wieder ein bisschen zur Kurz-Methode zurückkommen, wo es uns, der ÖVP, gelungen ist, der FPÖ möglichst viele Stimmen wegzuschnappen, indem man irgendwie ein bisschen auf rechtspopulistische Vorurteile aufbaut, Ressentiments, die es in der Gesellschaft gibt, ein bisschen befeuert, indem man denen, die ein besseres Staatsbürgerschaftsrecht wollen, falsche Sachen unterstellt - nämlich man sei damit für schrankenlose Zuwanderung, was ein Blödsinn ist (Abg. Mag. Caroline Hungerländer: Das ist das Ergebnis ...) -, um wieder selbst ein paar Punkte zu kriegen oder wieder ein paar Stimmen von der FPÖ, die inzwischen wieder zurückwandern, doch für die ÖVP zu behalten. Ich weiß, dass es dieses Match gibt. Ich weiß auch, dass die FPÖ sich lange geärgert hat, dass Kurz mit dieser Methode relativ erfolgreich war. Man sieht da jetzt aber auch eines: Man kann viele Menschen eine Zeit lang täuschen - das ist Kurz gelungen -, man kann wenige Menschen dauerhaft täuschen, aber man kann nicht viele Menschen dauerhaft täuschen, und das ist gut in der Demokratie, würde ich sagen. (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Deshalb hat er ja auch mit seinem Märchen von der geschlossenen Balkanroute Schiffbruch erlitten, und dann mit der angeblich geschlossenen Mittelmeerroute, wo noch immer unerträglich viele Menschen ertrinken und sterben, was ein Skandal für sich ist. So gesehen meine ich, dass dieses Blendwerk der ÖVP im Endeffekt nichts gebracht hat, und ich würde die ÖVP wirklich auffordern, zu einer sachlichen Debatte über das Staatsbürgerschaftsrecht zu kommen (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Ja, wir sind da!), wie sie viele christ-demokratische Parteien in der Europäischen Union auch führen. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Jetzt kommt der Experte für Christ- Demokratie!) Ich würde sagen, das würde uns viel weiter bringen, und das hat überhaupt nichts mit Zuzug zu tun. Das Staatsbürgerschaftsrecht ist ganz etwas anderes, weil es bei diesen Personen darum geht, dass sie einmal sechs Jahre legal da sind. Diese Menschen sind sowieso da, die Frage ist dann nur, ob sie unter unwürdigen Bedingungen da sind und keine Rechte haben oder ob sie unter würdigen Bedingungen da sind, die fair sind. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Was heißt, keine Rechte!) Darum geht es im Wesentlichen. Wir sollten uns dort, wo es gerechtfertigt ist, und wo es sachlich richtig ist, für ein neues Staatsbürgerschaftsrecht entscheiden, und nur darum geht es. Einen Punkt muss ich - die Zeit läuft langsam ab - natürlich schon noch ansprechen, das Demokratiepolitische ist ein wichtiges Thema. Wir haben Bezirke, wo mehr als 30 Prozent, manchmal sogar 40 Prozent der Bevölkerung im Wahlalter nicht wählen dürfen. Das ist kein guter Zustand, sage ich, das muss man einfach sehen. Da ein Zuwandererwahlrecht auch im kommunalen Bereich vom Verfassungsgerichtshof nicht gewünscht wird - das ist ein Aspekt des Staatsbürgerschaftsrechtes, nicht der einzige, aber ein wichtiger Aspekt -, sollte man auch demokratiepolitisch dafür sorgen, dass nicht zu viele, die in Österreich leben, da auf Dauer leben wollen und die Gesetze einhalten und oft auch direkte Steuern zahlen, vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Das ist ein wichtiges Prinzip. Wir wollen dieses Unrecht überwinden. (Beifall bei der SPÖ.) Übrigens das mit dem Steuerzahlen: Sie wissen, dass mehr als die Hälfte der Steuern, die gezahlt werden, indirekte Steuern sind und das zahlen alle, und die direkten Steuern, und so weiter. (StR Dominik Nepp, MA: Entschuldigung, aber das muss ich jetzt wissen: Kann ich in Europa überall wählen, weil überall kaufe ich mir ...) Nein, ist ja okay, Sie ziehen alles ein bisschen ins Lächerliche. (StR Dominik Nepp, MA: Das war Ihre Argumentation zu Ende gedacht!) Insofern habe ich eher die ÖVP angesprochen, weil ich hoffe, dass man da vielleicht eher eine sachliche Debatte kriegt. Dass man überall, wo man etwas kauft, wählen können soll, das muss nicht der Fall sein, da gebe ich Kollegen Nepp ausnahmsweise recht. Ich habe auch nicht gesagt, dass es ausschließlich nach dem Steuerzahlen sein soll. Noch zu Kollegen Kunrath, weil er irgendwie eine Diskussion mit mir im Jahr 1997 zitiert hat. Ich kann das nicht bestätigen, was er gesagt hat. Es ist immer ein bisschen leicht, zu sagen, 1997 hat der Stürzenbecher bei einer Podiumsdiskussion irgendetwas gesagt. (StR Peter Kraus, BSc: Kannst dich erinnern?) Also das ist eine ein bisschen halblustige Methode. Erstens, nach 25 Jahren gibt es in der Gesellschaft fast auf jedem Gebiet eine Weiterentwicklung (Zwischenrufe bei den GRÜNEN.), und das sollte man immer mitberücksichtigen. Wir haben damals die Öffnung der Gemeindebauten für Nichtstaatsbürger diskutiert. Wir wollten das auf sachliche und sehr seriöse Weise machen. Es ist uns da aber die Europäische Union zuvorgekommen, die die Sozialbauten mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ - Strasser und Böhmdorfer -, wenn man fünf Jahre da ist, schrankenlos geöffnet hat. (StR Dominik Nepp, MA: Das stimmt noch immer nicht!) Wir haben das zur Kenntnis genommen und sind dann dementsprechend verfahren. Wir hätten es selbst etwas intelligenter und besser gemacht, aber Tatsache ist, dass damals die Europäische Union mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ den sozialen Wohnbau geöffnet hat. Das nehmen wir auch zur Kenntnis, und darum ist es bei dieser Podiumsdiskussion vielleicht auch gegangen, ich weiß es nicht. Insgesamt, meine ich, hat dieses Thema eine seriöse Debatte verdient. Es geht um Menschen, die lange hier leben und denen es meistens nicht weiß Gott wie gut geht, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind, und denen man nicht Rechte vorenthalten soll, die sie eigentlich schon haben sollten. In diesem Sinn bin ich dafür, dass man im Sinne des Ausgeführten eine faire Weiterentwicklung und Verbesserung für ein progressives Staatsbürgerschaftsrecht anstreben sollte. Dafür lohnt es sich, fair zu diskutieren. Danke schön. (Beifall bei SPÖ und NEOS. - Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Halleluja!) Präsident Mag. Manfred Juraczka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Krauss. Ich erteile es ihm. Abg. Maximilian Krauss, MA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man könnte jetzt einiges zu den Vorrednern sagen, ob es Kollegin Arapovic ist, die ihr mittlerweile posthumes Jörg-Haider-Trauma hier ein bisschen aufgearbeitet hat (Heiterkeit bei Abg. Dipl.-Ing. Selma Arapovic.) und Menschen zu österreichischen Staatsbürgern erklärt hat, die in Wahrheit russische Oligarchen sind (Abg. Thomas Weber: Das sind Ihre Freunde!), oder Herr Stürzenbecher, der die gleiche Mär wie immer erzählt hat, dass die FPÖ irgendetwas damit zu tun hätte, dass Sie den sozialen Wohnbau für Ausländer geöffnet haben, oder der behauptet, es darf am Ende eines Staatsbürgerschaftsprozesses auch keine Prüfung mehr geben, weil alle Österreicher gar nicht wissen, wie der Wörthersee heißt. Herr Stürzenbecher, das gilt vielleicht für Ihr privates Umfeld, vielleicht auch für Ihre Sektion, aber beleidigen Sie nicht alle Wienerinnen und Wiener! (Beifall bei der FPÖ und von Abg. Wolfgang Kieslich. - Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher: Sie haben ... beleidigt! Ich bin empört!) Neben diesen kleinen Ausrutschern von Kollegen Stürzenbecher muss man aber natürlich in erster Linie schon die Doppelbödigkeit der ÖVP ansprechen, denn Sie, Herr StR Mahrer, waren es, der bis vor wenigen Wochen im Nationalrat gesessen ist und dort höchstpersönlich die Möglichkeit gehabt hätte, Verschärfungen im Staatsbürgerschaftsrecht einzubringen. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch- Milan, MIM: Verschärfen haben wir nicht gesagt!) Sie aber haben lieber mit den GRÜNEN gemeinsam gekutscht. Sie haben den Koalitionsfrieden über den gesellschaftlichen Frieden gestellt und Sie haben mit den GRÜNEN in Wahrheit genau diesen Linksblock, den Sie hier angeblich geißeln, in die Bundesregierung geholt. Sie machen dort gar nichts, um die Staatsbürgerschaft zu schützen, zu verschärfen oder irgendwelche Maßnahmen für die Menschen zu setzen, denen sie noch ein hohes Gut ist. (Beifall bei der FPÖ und von Abg. Wolfgang Kieslich.) Was wir bräuchten, wäre eine Wiener ÖVP, die Druck auf die tatsächlich Verantwortlichen macht, und der tatsächlich Verantwortliche ist in erster Linie ÖVP-Innenminister Karner. Sie sollten hier Anträge einbringen, um Innenminister Karner aufzufordern, endlich Pushbacks an unseren Grenzen zu forcieren, anstatt 50.000 Asylanträge dieses Jahr anzunehmen. Sie sollten den eigenen Innenminister auffordern, Maßnahmen zu setzen, um unsere Grenzen zu schützen, anstatt sie weiter scheunentorweit offenzuhalten. All das machen Sie nicht. All das machen Sie nicht, weil Sie keine ehrliche Debatte wollen, weil Sie es nicht ernst meinen, weil Sie die Grenzen nicht schützen wollen, weil Sie die Staatsbürgerschaft nicht schützen wollen, sondern weil Sie hier nur ein bisschen einen Zirkus, ein bisschen ein Theater machen wollen, aber in Wahrheit mit den GRÜNEN in der Bundesregierung weiter dafür sorgen, dass unsere Grenzen offen sind und dass die Staatsbürgerschaft noch immer viel zu leicht zugänglich ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und von Abg. Wolfgang Kieslich.) Der Fisch im Integrationsbereich fängt aber wie so oft am Kopf an zu stinken, meine sehr geehrten Damen und Herren, und der Fisch in dieser Sache ist zu benennen: Das ist ÖVP-Innenminister Karner und das ist ÖVP- Integrationsministerin Raab. Die beiden sind zuständig. Die beiden tun nichts. Die beiden verpulvern Millionen im Integrationsbereich. Die beiden sind dafür verantwortlich, dass die Grenzen offen sind, und die beiden werden wir nicht aus dieser politischen Debatte entlassen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und von Abg. Wolfgang Kieslich.) Kollege Nepp hat es angesprochen: Ihr Kandidat, Herr Van der Bellen, hat als erste Forderung sofort gesagt (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: ... schon wieder los!), das Staatsbürgerschaftsrecht muss erleichtert werden. Die ÖVP-Granden haben sich in den folgenden Tagen hingestellt und haben gesagt: Das ist unser Kandidat, das ist der Kandidat, der hat das so gut gemacht (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Wer ist eurer?), seine Forderungen sind so wichtig. Alle Ihre Landeshauptleute sind dabei, aber ich gebe Ihnen die Möglichkeit: Sagen Sie doch, dass Sie als Wiener ÖVP ihn dezidiert nicht unterstützen, sagen Sie, dass Sie einen anderen Kandidaten unterstützen. Gerald Grosz hat gerade seine Präsidentschaftskandidatur bekannt gegeben. (Heiterkeit bei ÖVP und GRÜNEN. - Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die FPÖ wird einen noch besseren Kandidaten aufstellen, ob es Susanne Fürst ist oder jemand anderer. Sagen Sie, dass Sie als Personen Van der Bellen nicht unterstützen. Sagen Sie, dass Sie einen Kandidaten unterstützen, der das Staatsbürgerschaftsrecht nicht lockern wird, ansonsten sind Sie total unglaubwürdig. (Beifall bei der FPÖ und von Abg. Wolfgang Kieslich.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere freiheitlichen Positionen sind klar: Es darf keine Aufweichung der Staatsbürgerschaftsvergabe geben, es darf keine Selbstaufgabe geben. Das darf nicht zur Debatte stehen. Der burgenländische Landeshauptmann, der ja eine ganz andere Position als die Wiener SPÖ hat, der ja auch in vielen Bereichen das Ohr viel näher bei den Bürgern hat als die Wiener SPÖ, der ja auch im Gegensatz zur Wiener ÖVP durchaus hadert, ob er diesen Präsidentschaftskandidaten Van der Bellen unterstützen kann, meldet, dass täglich 250 Registrierungen von Asylanten an der burgenländischen Grenze stattfinden, und Integrationsministerin Raab rechnet mit 50.000 Asylanträgen dieses Jahr. Meine sehr geehrten Damen und Herren, solange die ÖVP zuschaut, wie unsere Grenzen überrannt werden, wie unsere Staatsbürgerschaften verschenkt werden, solange sind Sie total unglaubwürdig, und solange können Sie sich Sondersitzungen wie die heutige sparen. (Beifall bei der FPÖ und von Abg. Wolfgang Kieslich.) Natürlich ist da aber auch die Wiener SPÖ in der Verantwortung, denn sie hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten dafür gesorgt, dass Wien zum Magneten für Sozialtouristen geworden ist, dass Wien ja auch bis heute das einzige Bundesland ist, das nach wie vor Mindestsicherung an Menschen auszahlt, die einen rechtskräftigen negativen Asyltitel haben. Menschen, die von Gerichten beschieden bekommen haben, dass sie das Land verlassen müssen, bekommen in Wien weiter Wohnungen und Sozialgelder. Ja, da darf man sich nicht wundern, dass Wien zum Hot Spot für Asylanten geworden ist, dass Wien zum Hot Spot für illegale Migration geworden ist und dass Wien zum El Dorado für all diese Leute verkommen ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihr Motto ist, alle Menschen nach Wien zu locken, um Wähler zu generieren. Wir Freiheitlichen machen da nicht mit. (Beifall bei der FPÖ und von Abg. Wolfgang Kieslich.) Die Einbürgerungen waren 2021 mit über 16.000 um 80 Prozent höher als im Jahr 2020. (Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher: Das sind die Doppelstaatsbürgerschaften für NS-Opfer! - StR Dominik Nepp, MA: Nein, nicht in dieser Zahl!) Da sieht man ja schon, wie diese Bundesregierung sich widerspiegelt. Da erkennt man, wie das Motiv ist, da erkannt man Ihre Motivlage. Wenn dann auch Bgm Ludwig jetzt in Istanbul war, Präsident Erdogan getroffen hat - sein Büro ist ja bestens mit der AKP vernetzt -, dann erkennt man, dass es nicht darum geht, Integrationsbemühungen zu unterstützen, sondern man erkennt, dass es darum geht, vielleicht gemeinsame Interessen abzuwägen, sich vielleicht auch den einen oder anderen politischen Befehl abzuholen. Das ist keine Integrationspolitik. Das ist genau das Gegenteil. Sie forcieren Parallelgesellschaften von höchster Stelle. (Beifall bei der FPÖ und von Abg. Wolfgang Kieslich.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir Freiheitlichen sagen als einzige Partei glaubhaft, dass die Staatsbürgerschaft das höchste Gut ist und dass sie auf keinen Fall automatisch am Ende irgendeines Integrationsprozesses stehen muss. Wir fordern vor diesem Hintergrund auch ganz klar, dass es keine Änderung des Abstammungsprinzips geben darf und dass es keine weiteren Aufweichungen im Staatsbürgerschaftsrecht geben darf. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir fordern und beantragen das auch - etwas, das auch selbstverständlich sein muss -, dass der Differenzierung von Asyl und Einwanderung auch beim Staatsbürgerschaftsprozess endlich nachgekommen werden muss. Es kann nicht sein, dass Menschen, die unter einem Asyltitel nach Österreich eingewandert sind, egal, ob nach fünf oder nach zehn Jahren die Staatsbürgerschaft verliehen bekommen. Nein, Asyl ist Recht auf Schutz auf Zeit, manchmal für einige Monate, manchmal für einige Jahre. Wenn dieser Schutz aber nicht mehr benötigt wird, dann muss die Reise in die Heimat angetreten werden, und dann muss auch die ursprüngliche Staatsbürgerschaft noch vorhanden sein, um diese Reise überhaupt antreten zu können. Deswegen wollen wir ein Ende der jetzigen Situation, dass es eine Zuwanderungsmöglichkeit beziehungsweise eine Staatsbürgerschaftsmöglichkeit über den Asyltitel gibt. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. (Beifall bei der FPÖ und von Abg. Wolfgang Kieslich.) Präsident Mag. Manfred Juraczka: Als nächste Rednerin ist Frau Abg. Bakos zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr. Abg. Mag. Dolores Bakos, BA (NEOS): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Keine Entwertung der Staatsbürgerschaft fordert also die ÖVP, während Österreich mit einer Einbürgerungsrate von exakt 0,6 Prozent zu den absoluten Schlusslichtern innerhalb Europas gehört. Laut dem Migrant Integration Policy Index ist der Zugang unter 52 verglichenen Staaten nur noch in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Saudi-Arabien noch strenger als in Österreich, wenn es um die Erlangung der Staatsbürgerschaft geht. Ich gehe jetzt nicht näher darauf ein, anders formuliert, ich möchte erst gar nicht den Versuch wagen, warum es zu einer Entwertung, zu einer Aufweichung des Staatsbürgerschaftsrechtes kommt, wenn es Menschen gibt, die sich diesem Land zugehörig fühlen und das auch nach außen bekennen wollen, die sich ganz explizit dafür entscheiden, Österreicher und Österreicherinnen werden zu wollen, die dafür auch Konsequenzen in Kauf nehmen, Stichwort Zurücklegung der bisherigen Staatsbürgerschaft. Darüber möchte ich jetzt gar nicht sprechen, weil ich alleine das Wort "Entwertung" schon so menschenfeindlich finde, dass ich darauf nicht näher eingehen möchte. Ich möchte die Zeit vielmehr dazu nutzen, noch einmal ein bisschen Sachlichkeit hereinzubringen und noch einmal aufzudröseln, worum es in dieser Debatte eigentlich im Grunde geht. Was ich so mitgenommen habe und ich glaube, Sie werden mir recht geben, das Hauptargument der ÖVP ist, dass die Erlangung der Staatsbürgerschaft stets am Ende des Integrationsprozesses stattfinden soll. Man kann jetzt, glaube ich, darüber diskutieren, ob es überhaupt ein Ende eines Integrationsprozesses geben kann, ob das nicht etwas ist, das stets weiter voranschreitet, ob das nicht etwas ist, das nie einen Endpunkt haben kann, aber sei's drum. Worum es Ihnen geht - ich glaube, das habe ich richtig verstanden, bitte widersprechen Sie mir, aber ich höre keine Zurufe -, ist, dass lediglich gut integrierte Menschen die Staatsbürgerschaft bekommen sollen. Keine Zurufe, das finde ich super. Unter dieser Prämisse ist es für uns natürlich klar, dass nur gut integrierte Menschen die Staatsbürgerschaft bekommen sollen. Jetzt komme ich aber in die Tiefe dieser Debatte, weil es so ist, dass es Bestimmungen im Staatsbürgerschaftsgesetz oder Vorgaben an den Vollzug gibt, die genau diesen gut integrierten Menschen, die Sie meinen, die ich meine, diese Erlangung der Staatsbürgerschaft erschweren oder gar verunmöglichen, weil es Bestimmungen gibt, weil es Vorgaben gibt, finanzielle, vor allen Dingen bürokratische Hürden (StR Dominik Nepp, MA: Wenn die bürokratische Hürde darin besteht, ein Formular auf Deutsch auszufüllen!), die nicht in ein Gesetz des 21. Jahrhunderts passen, vor allen Dingen in einer globalisierten modernen Welt im Jahr 2022. (Beifall bei den NEOS. - Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Ihr könnt die Gebühren, die ihr ..., abschaffen!) Das heißt, unter dieser Prämisse Integration - ich bin mir sicher, darum geht es Ihnen - kann man sich fragen, was es mit Integration zu tun hat, wenn die Berechnung des Lebensunterhaltes je nach Lebenslage, je nach Einkommensquelle, et cetera so komplex, so dermaßen ausdifferenziert ist, dass da jeder Antragsteller, jede Antragstellerin, Sie, ich, jeder von uns aussteigen würden. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Sozialhilfebezug. Man darf ja eine gewisse Zeit nicht von Sozialhilfe gelebt haben. Es gibt in der Praxis tatsächlich Beispiele, dass nach dem Sozialhilfebezug des WG-Mitbewohners, mit dem man für drei Monate vor sechs Jahren zusammengelebt hat, an dessen Nachnamen man sich eigentlich kaum mehr erinnert, gefragt wird und beweisen muss, dass man nicht von dieser Sozialhilfe gelebt hat. Was genau hat das mit Integration zu tun? (Beifall bei den NEOS.) Genauso kann man sich eigentlich nur verwundert fragen, was es mit Integration zu tun hat, wenn es im Staatsbürgerschaftsrecht etwa die Voraussetzung gibt, dass man sich maximal 20 Prozent der für die Einbürgerung nötigen Wartezeit im Ausland befunden haben darf. Diese 20 Prozent dürfen um keinen einzigen Tag überschritten werden, weil der Antrag sonst abzuweisen ist, da gibt es keinen Spielraum. Ich gebe Ihnen wieder ein Beispiel: Junge Studierende, die ins Ausland gehen, ein Auslandsjahr machen - Sie kennen Erasmus, ich glaube, auch da sind wir uns alle einig, dass das ein wahnsinnig tolles Austauschprogramm ist -, Erasmus machen. Sie kommen zurück, stellen einen Antrag auf Staatsbürgerschaft und fallen aus allen Wolken, weil ihnen Erasmus zum Verhängnis wird. Wie und was hat das mit Integration zu tun, kann man sich nur fragen. (Beifall bei den NEOS.) Genauso kann man sich verwundert fragen, was es mit Integration zu tun hat, wenn eine einzige Verwaltungsstrafe oder wenige Verwaltungsstrafen (Abg. Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi: Beim Autofahren!) - da reden wir jetzt nicht von Straftätern oder Straftäterinnen, Herr StR Mahrer, sondern von einmal falsch geparkt, einmal ein bisschen zu schnell unterwegs gewesen - tatsächlich eine Hürde, ja, ein Hindernis sein können, dass man die Staatsbürgerschaft auch bekommt. Was das mit Integration zu tun hat, das muss man mir noch erklären. Vielleicht tut das ja noch ein Nachredner oder eine Nachrednerin von der ÖVP. All diese bürokratischen Hürden, die mit einer schier endlosen Komplexität der Bestimmungen einhergehen, müssen, davon sind wir zutiefst überzeugt, von jenen, die auch im Bund in Verantwortung sind - da sehe ich jetzt die GRÜNEN, aber natürlich auch die ÖVP an -, dringend einem zeitgemäßen Realitäts-Check unterzogen werden, und bitte nicht einem Realitäts-Check aus dem Jahr 1890, sondern einem Realitäts-Check der den Anforderungen unserer Zeit - vereintes Europa, 21. Jahrhundert, diese Faktoren meine ich - tatsächlich entspricht. (Beifall bei NEOS und SPÖ.) Nachdem hier natürlich auch die MA 35 angesprochen wurde: Ich möchte keines der Probleme, und ich nenne sie auch wirklich Probleme, schönreden, aber gerade weil die Bestimmungen im Staatsbürgerschaftsgesetz, weil die Vorgaben an den Vollzug so komplex sind, ist in der Folge auch der Vollzug komplex. (StR Dominik Nepp, MA: Geh, bitte! - Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Andere Bundesländer schaffen ...) Ganz klar, er ist langwierig und geht infolge mit einem erhöhten Verwaltungsaufwand, ergo auch mit einem erhöhten Zeitaufwand einher. (Weitere Zwischenrufe von Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM.) Ich möchte ein paar Zahlen nennen: Die MA 35 hat jährlich mit 150.000 Anträgen zu tun, Tendenz steigend. Das hat unterschiedlichste Gründe. Wien ist die am stärksten wachsende Gemeinde in Österreich, der internationale Zuzug, EU-Bürger und -Bürgerinnen, Stichwort Anmeldebestätigung, Stichwort Auswirkungen der internationalen Mobilität ganz grundsätzlich, der Zuzug von Migranten, Migrantinnen. All das sind Zahlen, die uns zeigen, die MA 35 hat mit diesen Herausforderungen zu tun. Gerade deshalb aber müsste auch auf Bundesebene einiges passieren, um die Vorgaben an den Vollzug auch noch einmal zu überdenken und um diese Behörde zu erneuern. (Zwischenrufe von StR Dominik Nepp, MA und Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM.) Ja, sie ist dringend zu erneuern, das wollen wir hier überhaupt nicht schönreden, aber um diese Behörde zu erneuern, drehen wir in Wien auch an allen Schrauben, von den kleinen bis zu den großen. (StR Dominik Nepp, MA: Aber an den falschen! - Heiterkeit bei Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM.) Ich möchte ein paar Beispiele nennen. Neben der Aufstockung des Personals - weil hier auch erwähnt wurde, dass bei der MA 35 niemand abhebt - haben wir letztes Jahr das telefonische Servicecenter in Betrieb genommen. Da hebt sehr wohl jemand ab, Herr StR Mahrer. Wissen Sie, wie viele Anrufe seit Oktober letzten Jahres getätigt wurden, wollen Sie es wissen? Wissen Sie die Zahl? - Es waren seitdem insgesamt 200.000 Anrufe. Das muss man sich noch einmal ins Bewusstsein rufen: 200.000 Anrufe. (StR Dominik Nepp, MA: Das gibt Ihnen nicht zu denken?) Heruntergebrochen sind das 1.200 Anrufe pro Tag. (StR Dominik Nepp, MA: Wo ist das Callcenter?) Dass dieses telefonische Servicecenter ein wichtiger und richtiger Schritt war, zeigen alleine schon diese Zahlen. Dabei handelt es sich vor allen Dingen um Anrufe, die sofort erledigt werden können, mehr als die Hälfte aller Anrufe kann sofort erledigt werden. Das sind also Fragen wie: Was kann ich einreichen, oder welche Dokumente brauche ich für die Einreichung? Bei komplizierten Anfragen wird seit Oktober ein Ticket erstellt und auch ein Rückruf innerhalb von sieben Tagen garantiert. Wir haben das Business Immigration Office als zentrale Servicestelle etabliert, also einen attraktiven, zentral gelegenen One Stop Shop zu aufenthaltsrechtlichen Fragen aller Art für Schlüsselkräfte. Machen wir es einmal so, dass ich sehr bescheiden bin: Das sind die kleinen Schrauben. Wir drehen aber auch an den großen Schrauben und haben gesagt, wir geben uns damit nicht zufrieden, sondern wir wollen einen auf Nachhaltigkeit basierenden, mehrstufigen Organisationsentwicklungsprozess auf Schiene bringen - und das haben wir getan -, der die Leistungen und das Service der MA 35 deutlich verbessert, und zwar nicht mit dem Ziel ein bisschen besser hier, ein bisschen besser da, sondern mit einer kompletten Neuausrichtung dieser Behörde, weil das notwendig ist. Derzeit laufen 21 Teilreformen. Die jeweiligen Sprecher, Sprecherinnen der Fraktionen konnten sich letzte Woche bei einer Allparteienrunde zur MA 35 darüber auch ein ganz genaues Bild machen, welche Teilreformen das sind: Unter anderem die Verfahrensdauer zu senken, ganz wichtig, die Kunden- und Kundinnenkommunikation zu verbessern, die Serviceangebote zu verbessern, Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen zu entlasten. Bis Ende 2024 soll dieser große Reformprozess abgeschlossen sein. Das heißt, wir tun wirklich alles, was hier in Wien in unserer Macht steht, um die MA 35 zu einer transparenteren, effizienteren, verfahrensbeschleunigteren und vor allen Dingen, das ist mir ganz wichtig zu betonen, serviceorientierteren Behörde zu machen. Damit ist es uns wirklich sehr, sehr ernst (Beifall bei NEOS und SPÖ.), damit die, die ein Recht haben, auch zu ihrem Recht kommen. Dazu muss aber auch der Bund den Vollzug in den gerade ausgeführten Punkten dringend überarbeiten. Nicht eine drohende Entwertung der Staatsbürgerschaft oder die leichtfertige Vergabe von Staatsbürgerschaften ist das Problem. Das Problem sind vielmehr jene, teilweise wirklich europaweit, restriktivsten Bestimmungen, die gut integrierten Menschen - und damit schließe ich den Kreis -, teilweise hier geborenen, hier aufgewachsenen, hier zur Schule gegangenen Menschen die Erlangung der Staatsbürgerschaft entweder unmöglich erschweren oder gar verhindern. Da kommt es zur einzigen Entwertung in meinen Augen, nämlich jener von Integration und vor allen Dingen von Integrationschancen, und das ist in niemandes Interesse. Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ.) Präsident Mag. Manfred Juraczka: Als nächster Redner ist Herr StR Kraus zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. StR Peter Kraus, BSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Damen und Herren! Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe mir am Beginn dieses Sonderlandtages schon die Frage gestellt, was denn jetzt eigentlich das Thema ist, das die ÖVP da jetzt hochziehen will. Ist es Sicherheit? Ist es Integration? Geht es doch um Staatsbürgerschaftsrecht? Geht es um die MA 35? Will man jetzt Erleichterungen, will man Erschwernisse haben oder geht es irgendwie um so einen ÖVP-internen Wettbewerb, wer die NEOS öfter zum Linksblock dazuzählen kann? Also, was ist eigentlich der Sinn dieser Debatte, habe ich mir zu Beginn kurz gedacht. (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN. - Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Der Linksblock klappt! - Heiterkeit des Redners.) Wo ich mir aber sicher bin, und was wirklich sehr schräg in dieser Debatte läuft, vor allem von den Rednern - nur die Männer gemeint -, die hier heraußen stehen, die sich in ihrem Leben noch nie irgendwo integrieren mussten, und ganz, ganz tolle Tipps abgeben, wie Integration funktioniert. Mich erinnert das immer ein bisschen an die Pfarrer, die Eheberatungen machen. Es ist vollkommen absurd, es ist vollkommen absurd. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ. - Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Insgesamt bleibt dann das Gefühl übrig, dass es ein Versuch der ÖVP ist, jetzt irgendwie zwanghaft ein Thema hochzuziehen. Die Debatten sind aber vollkommen aus der Zeit gefallen. Was wir heute erlebt haben, hätte wahrscheinlich auch 1992 stattfinden können. Ich möchte jetzt ein bisschen aus einer anderen Perspektive reden, nämlich aus der Perspektive der Menschen, die in Wien leben. Um die geht es ja eigentlich, um die Wienerinnen und Wiener, die hier geboren sind, die hier hergezogen sind, und ich beginne bei mir im 15. Bezirk, dort wohne ich. Im 15. Bezirk haben 42 Prozent der Menschen, die dort leben, aktuell kein Wahlrecht. Bleiben wir einmal bei dem Thema Wahlrecht, und nehmen nur das einmal her. Bei einer der nächsten Wahlen werden dort wahrscheinlich 50 Prozent der Menschen kein Wahlrecht haben, und dann müssen wir uns schon irgendwann, aus einer demokratiepolitischen Perspektive heraus, die Frage stellen: Ist das noch richtig und ist das gescheit, wenn 50 Prozent meiner Nachbarinnen und Nachbarn nicht einmal mitentscheiden können, wer hier herinnen in diesem Gemeinderat und in diesem Landtag sitzt? Ist das überhaupt noch demokratiepolitisch richtig (StR Dominik Nepp, MA: Selbstverständlich!) oder haben wir da nicht ein Problem? Aus meiner Sicht sollen meine Nachbarinnen und Nachbarn genauso viel mitreden können (StR Dominik Nepp, MA: Warum?), wie ich mitzureden habe in dieser Stadt, weil das ein gutes Zusammenleben in einer Stadt und eine Demokratie in einer Stadt ausmacht. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ. - Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Dann möchte ich noch über die Jugendlichen und die Kinder reden, weil zuvor auch viel über Bildung, über Schule gesprochen worden ist. Ich möchte hier keine bildungspolitische Debatte anfangen, weil ich glaube, dass das eine ganz andere Debatte ist, die damit verbunden ist, aber ganz andere Fragestellungen dahinterliegen. Viele von uns, die hier im Saal sind, kennen das: Wenn man bei Schuldiskussionen ist, wenn man mit ErstwählerInnen diskutiert, dann kommt irgendwann der Punkt in diesen Schuldiskussionen, wo die Frage gestellt wird: Wer von euch ist denn überhaupt wahlberechtigt? Dann heben die Jugendlichen die Hand. Manchmal ist es die Hälfte, die die Hand hebt, manchmal sind es zwei Drittel, manchmal ist es ein Drittel, natürlich auch je nachdem, wo die Schule in Wien ist. Und dann beginnt die Diskussion. Dann beginnt die Diskussion, warum der eine Schüler das erste Mal wählen darf und die andere Schülerin bei der nächsten Wahl nicht wählen darf, obwohl sie beide in Wien geboren sind, obwohl sie beide in Wien in den Kindergarten gegangen sind, obwohl sie beide in Wien in die Schule gehen, obwohl ihre Eltern vielleicht schon hier geboren sind, obwohl sie eine quasi gleiche Biographie haben. Nur darf der eine, die eine wählen, die andere nicht wählen. Ich frage mich oft, was wir den Jugendlichen eigentlich damit sagen. Was sagen wir den jungen Wienerinnen und Wienern mit dieser Regel? Ich kenne die, weil sie meine NachbarInnen sind. Wir kennen sie auch aus der Arbeit zum Beispiel von den Jugendzentren, die immer wieder darauf Bezug nehmen und die thematisieren, dass mittlerweile 30 Prozent der 16- bis 24-Jährigen in Wien kein Wahlrecht haben. Ein großer Teil dieser Jungen ist hier geboren, hat kein anderes Zuhause jemals erlebt als Wien, ist hier geboren und hat keine österreichische Staatsbürgerschaft. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Okay, aber sie können es beantragen!) Sie können es beantragen. Wir haben vorhin von Kollegin Bakos gehört, welche Hürden es gibt, wie dieses ganze Fremdenrecht gestaltet ist, dass man überhaupt in diesen Genuss kommt. (StR Dominik Nepp, MA: Die deutsche Sprache zum Beispiel! - Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich wiederhole das jetzt nur alles, ich gebe Ihnen nur eine Zahl: 2002 gab es in Wien 40.000 WienerInnen, die in Österreich geboren wurden und keine österreichische Staatsbürgerschaft hatten, 2020 sind es knapp 90.000, das entspricht der Größe von ganz Meidling. Ich will nicht in einer Stadt leben, in der die Größe eines ganzen Bezirkes hier in Österreich geboren ist und nicht mitentscheiden darf, weil sie nicht die Staatsbürgerschaft hat. Da läuft etwas falsch, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.) Ich könnte jetzt noch viele weitere Zahlen nennen, wie hoch die Einbürgerungsrate 1982 war, weil ja früher angeblich alles besser war - sie war damals viel höher -, oder wie das in anderen Ländern geregelt wurde - wir haben heute in der Debatte schon sehr viel darüber gehört. Ich könnte über Standort und über Wirtschaft reden (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Bitte nicht!), weil Sie das vorher eingefordert haben, ob das nicht vielleicht auch eine Frage des Standortvorteiles ist, wie denn internationale Fachkräfte in Österreich und in Wien leben können, und so weiter. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Die Rot-Weiß-Rot-Card haben wir gerade reformiert!) Worauf ich aber jetzt eigentlich abschließend eingehen möchte, ist, dass man heute bei den Reden der ÖVP eines gemerkt hat, nämlich dass sie nicht mehr versteht, was Wien ist. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Aus Ihrer Sicht!) Wien ist: Wenn man auf die Türschilder bei den Klingeln an den Häusern schaut und die Namen liest, dann liest man dort Aslan und Sachslehner, dort liest man dann Ngosso und Weber, da liest man Juraczka und Emmerling, und das alles ist Wien. Hören Sie endlich auf, die Vielfalt dieser großartigen Stadt zu entwerten! Danke schön. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.) Präsident Mag. Manfred Juraczka: Als nächste Rednerin ist Frau Abg. Hungerländer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr. Abg. Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP): Vielen Dank. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Vieles wurde gesagt. Ich werde auf einige Vorredner ein bisschen eingehen, zumindest auf die, die sich sachlich geäußert haben, und dann tatsächlich versuchen, einen eigenen sachlichen Beitrag zu dieser Debatte zu leisten. Ich möchte gerne mit Ihnen beginnen, Frau Kollegin Bakos. Sie haben gesagt, so wahnsinnig schwierig, so wahnsinnig komplex. Pikanterweise stammen die Beispiele, die Sie genannt haben, alle aus Wien. Die Beispiele, die Sie genannt haben, sind aus den Berichten der Volksanwaltschaft und die beziehen sich alle auf die MA 35. Also ich weiß nicht, was genau Sie uns damit sagen wollen, außer dass es ein Chaos bei der MA 35 gibt und dass das höchst reformbedürftig ist. (Beifall bei der ÖVP.) Und um es ein für alle Mal klarzustellen: Ja, selbstverständlich, eine Selbsterhaltungsfähigkeit mit all ihrer Komplexität, eine Selbsterhaltungsfähigkeit zählt für uns sehr wohl als Zeichen der Integration. Zum Kollegen Kraus: Sie haben gesagt, Sie vertreten die Perspektive der Menschen, die in Wien leben. Nun, wir vertreten die Perspektive der Menschen, die in Österreich leben, und die sind zu 60 Prozent gegen einen erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft. Herr Kollege Krauss, das scheinen Sie nicht ganz mitbekommen zu haben. Wenn wir über die Beantragung der Staatsbürgerschaft für Menschen, die in Wien geboren sind, sprechen, sind die Gründe dafür deutlich vielschichtiger als das, was Sie angegeben haben. Ich verweise auf eine Studie, die soeben von der Stadt Wien durchgeführt und veröffentlicht wurde, und da ist eine Vielzahl von Gründen drinnen. Da ist nicht nur die Einkommenshürde drinnen, sondern da ist ein junger Mann drinnen, der sagt, er beantragt die Staatsbürgerschaft erst nach dem 35. Lebensjahr, denn da kann er nicht mehr zum Heeresdienst eingezogen werden. Das ist ein Grund. Und es gibt Menschen, die sagen, sie möchten die Staatsbürgerschaft ihres Herkunftslandes nicht aufgeben. (StR Peter Kraus, BSc: Ich habe nicht über die Staatsbürgerschaft, ich habe über das Wahlrecht geredet!) Warum nicht? Da gibt es verschiedene Gründe, sie haben Grundbesitz, vielleicht wollen sie in der Pension wieder zurück, et cetera, et cetera. Es ist deutlich vielschichtiger als das, was Sie uns versuchen zu sagen: Das ist der böse, böse Staat und die böse konservative, altväterische ÖVP, die sagt, es geht nur um das Einkommen und es geht nur um Integration. Nein, es ist ein vielschichtiges Problem, und wir haben diesen Sonderlandtag einberufen, um dieses vielschichte Problem (StR Dominik Nepp, MA: Es bleibt aber immer aktuell!) zu behandeln. (Beifall bei der ÖVP.) Und Richtung FPÖ fällt mir tatsächlich nicht mehr ein, als zu sagen, ich kann inhaltlich nichts dazu sagen. Offensichtlich sind Sie an der Komplexität der Materie gescheitert, es ist nämlich zum Thema selbst leider überhaupt nichts gekommen. Vielleicht kommt es ja noch, vielleicht hat sich irgendwer mit der Materie auseinandergesetzt - würde mich überraschen. Aber diese 08/15-ÖVP-Spottrede kennen wir schon zur Genüge, und mehr kommt halt nicht, egal, welches Thema hier verhandelt wird. (Beifall bei der ÖVP.) Schauen wir es uns inhaltlich ein bisschen an. Ich ziehe für alles, was ich sage, zwei Quellen heran. Als Basis einerseits eine Anfragebeantwortung, die wir bekommen haben - das war eine äußerst komplexe, vielschichtige und sehr lange Anfrage, die sehr gut und ausführlich behandelt wurde -, zweitens die eben erwähnte Studie, die durch die MA 17 gerade veröffentlicht wurde. Drei Dinge interessieren uns. Erstens, Sie sagen immer, ein Drittel der in Wien lebenden Menschen ist nicht wahlberechtigt. Das stimmt am Papier, aber die Frage ist ja, wie setzt sich dieses eine Drittel der Nichtwahlberechtigten zusammen. Zweitens, besteht bei diesem einen Drittel durchgängig ein Interesse, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen, oder ist das vielleicht gar nicht der Fall? Wie viel Prozent haben überhaupt ein grundlegendes Interesse, die Staatsbürgerschaft zu erlangen? Dann haben wir selbstverständlich das Thema - Sie sagen immer, der Linksblock, offensichtlich trifft Sie das (Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher: Überhaupt nicht!) -, welches Interesse hat der Linksblock an einem erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft? Und das kann man sehr wohl nachvollziehen, wenn man sich die "Pass Egal Wahl" anschaut. Und, was für uns natürlich sehr, sehr wichtig ist, mit welchem Selbstbewusstsein und mit welchem Wert verbinden wir die österreichische Staatsbürgerschaft und warum beharren wir so darauf, dass es am Ende eines Integrationsprozesses steht? Und ja, Herr Kollege Nepp, offensichtlich hinkt das Leseverständnis ein bisschen hinterher, es geht nicht automatisch, es steht am Ende eines Integrationsprozesses. Und dazu stehen wir auch absolut. (Beifall bei der ÖVP. - (StR Dominik Nepp, MA: Ja eh, entschuldige, hast du deinen eigenen Text durchgelesen?) Aber nicht automatisch! Wir haben versucht, in der Anfrage herauszufinden, wie sich dieses eine Drittel Nichtwahlberechtigte zusammensetzt, welche Aufenthaltstitel sind darin enthalten und vor allem welche Aufenthaltsdauern. Die Kurzfassung ist, die Stadt Wien weiß es nicht. Unter diesem einen Drittel der Nichtwahlberechtigten sind Menschen, die seit 10, 20 Jahren in Österreich leben, da sind aber auch Menschen, die gerade erst nach Wien zugezogen sind. Da sind drinnen der Studierende im ersten Semester, die ausländische Diplomatin, der Expat. Sie sehen also, dass dieses Drittel eine völlig bunte Zusammenmischung von unterschiedlichen Aufenthaltstiteln und unterschiedlichen Aufenthaltsdauern ist. Daher ist es nicht rechtmäßig, von einem Drittel der Nichtwahlberechtigten zu sprechen, das kann man nicht in einen Topf werfen. Man muss dieses eine Drittel aufgliedern und sich dann ganz genau anschauen, wer die Staatsbürgerschaft beantragen könnte und warum er es nicht tut, wer es gar nicht will und wer sowieso nicht in die relevante Gruppe fällt, weil er oder sie ohnehin nur temporär in Österreich bleibt oder ausländischer Staatsbürger bleiben möchte. Unser erster Punkt ist also: Es ist nicht rechtmäßig, von einem Drittel nichtwahlberechtigter Menschen in Wien zu reden. Am Papier ja, intellektuell überhaupt nicht. Das ist eine unsachgemäße Zusammenmischung von unterschiedlichen Aufenthaltsdauern und unterschiedlichen Aufenthaltstiteln. Und der folgen wir absolut nicht. (Beifall bei der ÖVP.) Wir haben auch gefragt, wie viel Prozent der ausländischen Staatsbürger leben bereits zehn oder mehr Jahre in Wien. Es wurde heute schon einmal erwähnt, es sind 55 Prozent. 55 Prozent der Menschen, die als ausländische Staatsbürger in Wien leben, könnten auf Grund der Aufenthaltsdauer die Staatsbürgerschaft bereits beantragen. Jetzt wissen wir aber - Kollege Stürzenbecher, ich muss Sie ein bisschen korrigieren -, aktuell wird die Staatsbürgerschaft am häufigsten nach sechs Jahren vergeben, nicht erst nach zehn Jahren. Also haben wir uns angeschaut, wie viel Prozent der in Wien lebenden Ausländer schon länger als fünf Jahre in Österreich sind. Und das sind 81 Prozent. Also 81 Prozent der ausländischen Staatsbürger in Wien haben bereits auf Grund ihrer Aufenthaltsdauer den Anspruch und die Möglichkeit, die Staatsbürgerschaft zu erlangen. So, dann sagen Sie, sie können nicht, weil sie zu wenig Einkommen haben. Auch das stimmt aber nicht und auch das geht aus der Anfragebeantwortung hervor, denn unter den Drittstaatsangehörigen - ich wiederhole, Drittstaatsangehörige, da rede ich nicht von EU-Bürgern - mit mehr als 10 Jahren Aufenthalt in Wien erreichen lediglich 15 Prozent das Einkommensniveau nicht. 15 Prozent! Was ist mit den restlichen 85 Prozent? Warum beantragen die restlichen 85 Prozent die Staatsbürgerschaft nicht? Das ist die relevante Frage. (Abg. Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi: Das ist ihre Entscheidung!) - Das ist ihre Entscheidung, genau, Herr Kollege Al-Rawi, wir sind einmal einer Meinung. Und genau das geht aus der Studie der Stadt Wien hervor. Es ist ihre Entscheidung, sie wollen es vielleicht gar nicht. Die EU-Bürger wollen es nicht, Akademiker wollen es nicht, das geht eins zu eins aus der Studie hervor. Wir wissen aber auch, wer es möchte. Wer möchte es? Drittstaatsangehörige, Menschen, die unter Asylmigration nach Österreich gekommen sind, also einen Asyl- oder subsidiären Schutztitel haben. Wer möchte es noch? Menschen, die sehr kurz in Österreich aufhältig sind, sprich, null bis fünf Jahre. Das sind Personen, die Interesse am Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft haben, sagt die eigene Studie. Und was bedeutet das im Rückschluss, wenn man nach den Motiven für die Erlangung der Staatsbürgerschaft fragt? Da wurde angegeben: Festigung des Aufenthaltstitels, unter anderem, natürlich ökonomischer Nutzen, unter anderem. Was aber ganz hinten erst genannt wurde, war die Möglichkeit, bei Wahlen mitzubestimmen. Und damit möchte ich herausstreichen, dass Ihre ewige verkürzte Darstellung, ein Drittel darf nicht wählen, das ist ein Demokratiedefizit, einfach nicht stimmt. Es stimmt einfach nicht. (Beifall bei der ÖVP.) Wir sprechen hier über eine wahnsinnig heterogene Menge von Menschen. Und es wäre nur redlich, dieser Heterogenität auch einen gewissen Respekt zu zollen und zu sagen, was die Studie tatsächlich sagt: 39 Prozent der in der Studie Befragten haben einen klaren Wunsch nach Einbürgerung. 39 Prozent! Und die restlichen wissen es entweder nicht oder haben keinen Wunsch nach Einbürgerung. Und das ist die einzig redliche Aussage: 39 Prozent haben einen Wunsch nach Einbürgerung. Von diesen 39 Prozent sind die meisten Drittstaatsangehörige, die meisten sind Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte und die meisten sind null bis fünf Jahre aufhältig. Das ist es, was wir empirisch gesichert aktuell wissen. (Beifall bei der ÖVP.) Da meine Redezeit auszulaufen droht, sage ich Ihnen, warum wir das für ein Problem halten, da die Studie eben zeigt, dass die kurze Aufenthaltsdauer und die besonderen Interessen der Drittstaatsangehörigen am Erlangen der Staatsbürgerschaft und der von ihnen genannte Grund der Sicherung des Aufenthalts in Österreich nichts anderes zeigt als eine Vermischung von Asyl und von Migration. Und das ist genau das, wovor wir immer warnen. Asyl und subsidiärer Schutz sind temporäre Aufenthaltstitel, und genau so werden sie vom österreichischen Staat auch gehandhabt. Was wir nicht wollen, ist, dass so, wie es die SPÖ vorschlägt, eine Person es irgendwie illegalerweise - Klammer auf, Klammer zu - nach Österreich schafft, hier fünf Jahre aufhältig ist, weil sie beispielsweise nicht abgeschoben werden kann, Stichwort Afghanistan, und ihre Kinder nach fünf Jahren in Österreich automatisch österreichische Staatsbürger werden können. Und das beginnt dann zu greifen. Dann beginnt das Recht auf Familienleben zu greifen, mit der Staatsbürgerschaft des Kindes können auf einmal die Eltern auch hier bleiben und die anderen Familienangehörigen können nachgeholt werden. (StR Dominik Nepp, MA: Danke!) Und das ist das, was wir sagen: Es gibt mit dem Vorschlag der SPÖ die reale Gefahr eines verstärkten Pull-Effektes. Dann können Sie sämtlichen 39 Millionen afghanischen Staatsbürgern sagen, schafft es irgendwie nach Österreich, ihr könnt nicht mehr abgeschoben werden und eure Kinder werden automatisch Staatsbürger. Und das wäre ein Wahnsinn für unser Land. (Beifall bei der ÖVP.) Die letzten drei Minuten verwende ich, um zu sagen, warum wir glauben, dass der Linksblock ein veritables Interesse an einer erleichterten Einbürgerung hat. (StR Peter Kraus, BSc: Bingo!) Ich erwähne die "Pass Egal Wahl" von SOS Mitmensch, 2020 das letzte Mal durchgeführt. Ich habe da die Wahlergebnisse mitgebracht: SPÖ 38 Prozent, GRÜNE 34 Prozent, NEOS 5 Prozent - leider nur, aber daran arbeitet ihr ja gerade -, 77 Prozent aller Befragten haben für den Linksblock gestimmt. Ja, das ist absolut ein guter Grund, die österreichische Staatsbürgerschaft zu entwerten, damit die eigenen Fraktionen mehr Wählerstimmen haben. (Beifall bei der ÖVP. - Abg. Mag. Aygül Berivan Aslan: Darum geht es ja!) Wir stehen dazu, dass die Staatsbürgerschaft ein hohes Gut ist, dass mit der Staatsbürgerschaft wertvoll umgegangen werden muss, dass der Verleih der Staatsbürgerschaft am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses steht. - Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.) Präsident Mag. Manfred Juraczka: Es liegt ein Antrag auf tatsächliche Berichtigung vor. Frau Abg. Bakos, ich erteile Ihnen das Wort. Abg. Mag. Dolores Bakos, BA (NEOS): Frau Kollegin Hungerländer, Sie haben gesagt, ich hätte in meiner Rede mit meinen Beispielen der tatsächlichen bürokratischen und finanziellen Hindernisse nichts anderes gesagt, als dass die MA 35 im Chaos versinkt. Ich möchte tatsächlich berichtigen, wenn Sie mir genau zugehört hätten, wüssten Sie, dass ich gesagt habe, es sind die Bestimmungen im Staatsbürgerschaftsgesetz und die Vorgaben an den Vollzug, die diese Beispiele, die ich hier genannt habe, hervorbringen. - Vielen Dank. Präsident Mag. Manfred Juraczka: Als nächster Redner ist Abg. Al-Rawi zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. Abg. Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe mir jetzt die Debatte wirklich sehr lange angehört und es verläuft in sehr vielen Bereichen, sehr viel Akademisches, sehr viel Inhaltliches, aber was wir vielleicht einmal machen sollten, ist, diese Sache einmal auch aus der Sicht der Menschen und der Betroffenen zu sehen. Wenn Frau Kollegin Hungerländer sagt, es gibt Leute, die sie nicht beantragen, es muss ja auch niemand beantragen, es geht uns darum, dass diejenigen, die sie beantragen wollen, keine Hürden bekommen, auch unter der Mannigfaltigkeit, warum viele EU-Bürgerinnen und -Bürger sie nicht beantragen. Fragen Sie einmal nach, warum: Weil Sie zum Beispiel die Doppelstaatsbürgerschaft für EU-Bürger nicht erlauben und ermöglichen wollen. Aber Kinder, die hier geboren sind, sollen die gleichen Rechte haben. Mich hat ehrlich gesagt bei der Rede vom Kollegen Mahrer, den ich wirklich persönlich schätze, dieses "wording" gestört - wenn ich es mir richtig aufgeschrieben habe -, es geht um mehr Sicherheit für unsere Kinder, wir wollen mit unseren Kindern in Sicherheit leben. Ich möchte schon feststellen, dass unsere Kinder alle Kinder sind, die in Wien sind, egal, ob sie die österreichische Staatsbürgerschaft haben oder nicht. (Beifall bei der SPÖ.) Auch die Kinder, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht haben, haben das Recht auf Sicherheit, Geborgenheit, Anerkennung, nicht die Sorge zu haben, wenn sie es mitbekommen, wie es um die prekäre Situation des Aufenthaltsrechtes ihrer Eltern steht. Alle Menschen sind an Würde gleich. Ich finde diese Debatte, es geht um eine Entwertung der Staatsbürgerschaft, wenn wir von Menschen reden, sehr verachtend, und das stört mich ehrlich gesagt sehr. (Beifall bei der SPÖ.) Es geht ja auch gar nicht darum, dass wir sagen, wir wollen erleichtern, sondern es geht um eine Weiterentwicklung, es geht darum, dass das weiterkommt. Ich erzähle ich Ihnen jetzt einmal meine persönliche Situation. Ich bin in Bagdad geboren, meine Mutter war eine Wienerin, ist in den Irak ausgewandert und hat dort als Ärztin arbeiten wollen. Man hat ihr gesagt, du kannst nur in den Staatsdienst gehen, wenn du irakischer Staatsbürger wirst. Sie hat das beantragt, hat sich vorher versichern lassen, dass sie die österreichische nicht verliert, und ist damit Doppelstaatsbürger geblieben. Wenn ich über die Integration meiner Mutter nachdenke, fällt mir nicht wirklich viel ein, sie hat so viel von ihrer österreichischen Lebensart in den Irak exportiert, egal, ob sie ihre Weihnachtsbäume und ihre Ostereier an die irakischen Kinder verteilt hat. Sie hat auch Wiener Schnitzel gekocht und ihre Erbsen, Kartoffelpüree und hat dann nachgedacht mit den ganzen Österreicherinnen, die dort wohnen, wie könnten wir aus den im Irak vorhandenen Ingredienzien ein echtes Schlagobers nachmachen. Und kein Mensch hat gesagt, das ist jetzt das Ende am Weg zu einer Integration. Und das Ärgste war ja, dass dann nach irakischem Staatsbürgerschaftsrecht ich als der dort Geborene und mit irakischer Staatsbürgerschaft in vielen Dingen als Mensch 2. Klasse behandelt wurde. Ich konnte nicht Polizist werden, ich konnte nicht Offizier werden, ich konnte nicht in den diplomatischen Dienst kommen, weil dort die Vorgabe war, es müssen beide Eltern irakische Staatsbürger von Geburt sein. Das heißt, die Staatsbürgerschaft meiner Mutter war nicht in Ordnung. Habe ich habe mir gedacht, okay, das ist eine Diskriminierung, wenn ich dann nach Österreich komme, geht's mir besser. In Österreich habe ich die Staatsbürgerschaft nicht bekommen, weil damals das Gesetz so war, dass man nur die Staatsbürgerschaft bekommt, wenn der Vater Österreicher war und nicht die Mutter - also ein diskriminierender Fall, das wurde irgendwann einmal 1983 behoben. - Wenn man eine Staatsbürgerschaft nicht entwickelt und nicht weiterführt, dann wird sich das auch nie ändern und wir kommen nicht weiter. Um das geht es hier. Ich war vorige Woche in Brüssel und habe in Vertretung des Herrn Bürgermeisters und des Landtagspräsidenten, der dann nicht fahren konnte, den Wien-Ball eröffnen dürfen. Setzen Sie sich einmal mit den Leuten dort zusammen: Da sitzen Österreicher und Österreicher, die in der Kommission arbeiten, und die sind dann stolz, zu erzählen, dass sie seit 25 Jahren dort wohnen, noch nie ein belgisches Fernsehen angeschaut haben, noch nie eine belgische Zeitung gelesen haben und Flämisch haben sie auch nicht gelernt. Und sie sind stolz in dieser Situation. Eine andere Dame sagt mir: "Ich bin jetzt mit einem belgischen Diplomaten verheiratet und würde gerne mit ihm auf Posten gehen, aber ich darf keinen diplomatischen Pass bekommen, weil ich Österreicherin bin und die Österreicher würden mir, wenn ich mich jetzt einbürgern lasse, meine Staatsbürgerschaft wegnehmen." Heute wurde sehr oft über die Vereinigten Arabischen Emirate, über Katar, über Saudi-Arabien gesprochen: Schauen Sie sich diese Länder an, was es bedeutet, wenn 90 Prozent der Menschen dort nicht eingebürgert sind. Glauben Sie, dass einer von denen dadurch jetzt eine Integration erreicht hat? Da redet keiner Arabisch, die haben keinen Bezug zu diesem Land. Und wenn wir dann von einem Demokratiedefizit sprechen: Dann gibt es vielleicht Wahlen, in einem gewissen Land leben 3 Millionen, 400.000 haben die Staatsbürgerschaft, 200.000 sind über 18, und die, die über 18 sind, wurden nicht alle zugelassen, sondern nur diejenigen, die vor 1930 die Staatsbürgerschaft bekommen haben. Da kann man natürlich dann nicht von einer repräsentativen Demokratie reden, da einfach sehr viele Leute davon ausgeschlossen sind. Vor ein paar Tagen war ich in Valencia mit einem herrlichen österreichischen Wissenschaftler zusammen. Er ist mit einer Griechin verheiratet, hat in London geforscht und gelehrt. Sie haben ein Kind und es besitzt die britische, die österreichische und die griechische Staatsbürgerschaft. Zweifeln wir an seiner Loyalität zu Österreich, nur, weil er das hat? Es ist wirklich ein altes Denken, das einfach neu überdacht werden muss. Es gilt nachzudenken, wie schaffen wir hier einen anderen Zugang. Weil die Rede von den Kindern und Jugendlichen war: Ich habe gerade mit einem Kollegen telefoniert, den ich sehr lange kenne. Er ist im Jahr 2000 nach Österreich gekommen, Mutter eine Steirerin, Vater ist gestorben, die Mutter ist 1997 nach Österreich gekommen, er ist nachgezogen. Bis heute lebt er in einer prekären Situation, obwohl er ein ausgebildeter Architekt ist. Er hat drei Kinder, die hier geboren sind, und erzählt mir - mir sind wirklich die Tränen gekommen -, die jüngste Tochter - sie heißt Rahma, übersetzt Gnade - ist 2004 in Österreich geboren, geht jetzt ins Gymnasium. Sie hat dort Probleme gehabt, denn sie kann nirgendwohin auf Sprachferien mitfahren, weil sie keinen Reisepass hat, und sagt zu ihm: "Papa, obwohl ich hier geboren bin, meine Oma eine Österreicherin ist, bin ich nicht Österreicherin!" Und er sagt: "Was soll ich ihr antworten? Weil wir zu arm sind? Weil ich zu wenig Einkommen und nicht die Chance habe, dich einbürgern zu lassen, weil Hürden für mich unüberwindbar sind?" Über diese Menschen reden wir, über dieses kleine Mädchen und Buben, die hier geboren sind, die hier aufwachsen und die nichts anderes kennen, keine andere Nation, kein anderes Land außer Österreich, außer Wien als ihre Stadt. Und wir sagen ihnen: Ja, tut leid, das ist halt so, denn wir wollen es nicht entwerten! In dem Moment, wo du vielleicht Österreicherin wirst, wirst du das entwerten! - Und Rahma, falls du mir zuhörst, wir werden daran arbeiten, dass diese Missstände nicht mehr sind. Ich entschuldige mich dafür und ich schäme mich, dass es solche Verhältnisse gibt. (Beifall bei SPÖ, NEOS und GRÜNEN.) Auch interessant ist die Aussage vom Kollegen Krauss, der sagt, jeder, der einmal ein Asylrecht bekommen hat, soll nie eingebürgert werden und soll irgendwann einmal heimgehen. Man stelle sich vor, wir hätten einem Herrn Paul Lendvai gesagt, du bist eigentlich nur auf Zeit bei uns und dort ist es schon längst nicht mehr kommunistisch, fahr heim, du wirst nie Österreicher, oder einem Pawel Kohout oder den vielen bosnischen Kindern, die hier geboren sind, nachdem sie vor einem Krieg geflüchtet sind und hier das aufgebaut haben. Oder die Kinder von den irakischen oder heutigen syrischen Asylwerberinnen und Asylwerbern. Menschen werden in eine Umgebung geboren und die Historie ihrer Herkunft mag für sie eine Rolle spielen und sie prägen. Aber zu glauben, deswegen können wird das Ganze ungeschehen machen und wollen sie nicht mehr haben, das ist einfach ein Zugang, der weder humanistisch noch rechtlich noch irgendwie zu argumentieren ist. Zur Frage der Entwertung: Sie sind eine Wirtschaftspartei und ich bin Betriebsrat eines großen Baukonzerns. Glauben Sie mir, ich bin als Betriebsrat immer mehr wert, je mehr ich Stammpersonal vertrete, und nicht Leihpersonal. Fragen Sie die Firmen, die von einem Stammpersonal, von einer guten Basis ausgehen und diese Leute aufnehmen, wie gut sie dastehen. Diese Mentalität wie bei den Saisonarbeitern: In der Landwirtschaft holen wir die Saisoniers, die sollen dann nach Hause gehen, wenn es geht. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Wir müssen nicht alle gleich einbürgern!) Wir brauchen sie nur, wenn sie arbeiten, und dann gibt es plötzlich die große Krise durch Corona, plötzlich können die nicht herkommen, und dann schauen wir, wie wir weiterkommen. Eine Nation oder ein Land wird gemessen nach der Anzahl der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Das, was ich zum Beispiel jetzt an vielen dieser Länder ... (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Wollen wir jetzt jedem automatisch die Staatsbürgerschaft geben?!) - Wenn jemand hier geboren ist. Und damit es keinen Tourismus gibt, indem ich nach Österreich fahre und sage, ich gebäre jetzt, wie es früher in England oder in Amerika war, dass es das nicht automatisch nur durch die Geburt gibt, ist unser Vorschlag, dass, wenn die Eltern fünf Jahre legal hier in Österreich wohnen und arbeiten, es keine Zufallsschwangerschaft und keine gezielte Tourismusstaatsbürgerschaft ist. Dann möchte ich sie für alle Kinder, die hier geboren sind, egal, welcher Hautfarbe, welcher Nation, welcher Religion, welcher ethnischen Zugehörigkeit. Die sind für mich ein Kind wie jedes andere, alle werden von mir gleich behandelt und für alle gilt das Gleiche. (Beifall bei der SPÖ.) Die finanziellen Hürden sind wirklich für manche unüberwindbar. Es ist auch interessant, wenn wir wissen, dass 1,4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher auf Grund dieser Einkommensgrenzen es auch nicht schaffen würden. Es gibt auch die Strafregistergeschichte - die Kollegin Bakos hat es erwähnt - wegen kleiner Delikte. Ich sage Ihnen zum Beispiel ein Geheimnis: Taxifahrer haben fast null Chance, eingebürgert zu werden. Wer Taxi fährt, hat im Rahmen seines Berufes in fünf oder zehn Jahren wahrscheinlich mindestens zwei Mal zum Beispiel eine Sperrlinie überfahren oder sich vielleicht kurz am Gehsteig eingeparkt. (StR Dominik Nepp, MA: Na geh, bitte!) - Es ist so, Dominik, die Leute kommen und sagen, wegen zwei Verwaltungsübertretungen ist es so. Du wirst ausgeschlossen, du kannst nicht eingebürgert werden. Und wer darüber nachdenkt, kann das nicht einfach so stehen lassen. Aber um noch einmal auf die "Nation building"-Geschichte zurückzukommen. Länder werden nach der Anzahl ihrer Bürgerinnen und Bürger beurteilt. Deutschland, Italien, Frankreich spielen auf Grund der Anzahl der Bürgerinnen und Bürger in der EU eine Rolle. Staaten wie Malta, die Slowakei ... (Abg. Mag. Caroline Hungerländer: Auch wirtschaftlich!) - Ja, natürlich auch wirtschaftlich, aber das geht damit einher. Aber wenn Sie sich jetzt heute Länder im Arabischen Golf ansehen, wo es 5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner gibt, machen die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger nur 5 Prozent davon aus. Das sind Menschen, die man nach dem System des Saisoniers hergeholt hat: Ihr könnt arbeiten, gut verdienen, in dem Moment, wo ihr 60 Jahre alt geworden seid, sagen wir, das war es, danke vielmals, Wiederschauen, keine Pension, keine Absicherung! Die Kinder, die dort geboren werden, bekommen nichts, die können nicht einmal studieren. Mich hat einmal ein pakistanischer Taxifahrer zu einem Fernsehsender geführt und ich habe ihn dann gefragt, wo er geboren ist. Und er sagt, er ist hier geboren. Er ist schon eigentlich die 3. Generation. Sein Großvater ist als Polizist hergekommen, sein Vater war ein Polizist, er ist jetzt auch da. Und dann sage ich: "Wieso sprichst du noch immer kein Wort Arabisch?" Sagt er: "Warum soll ich, ich brauche es nicht. Mein Vater wurde, obwohl er bei der Polizei war, nicht eingebürgert, mein Großvater wurde nicht eingebürgert, ich habe da auch keine Zukunft." Ich will damit nur sagen, wir warten auf eine Integration und man beherrscht die Sprache, das ist eine Ausrede. Meine Mutter war Ärztin, die hat die arabische Sprache alles andere als gut beherrscht und ich habe mich manchmal als Kind geniert, wenn sie Arabisch geredet hat: "Bitte Mama, lass das lieber, die Leute machen sich vielleicht lustig über deinen Akzent und wie das ist!" Wir müssen auch davon wegkommen, zu glauben, alles muss perfekt sein und bis auf den letzten Punkt stimmen. Arbeiten wir ein bisschen menschlich, humanistisch, gehen wir auf die Menschen zu. Es geht hier um Menschen, es geht hier nicht um Mythologie und es geht hier nicht darum, wer dem anderen eines auswischt und ob man etwas entwertet oder nicht entwertet. Ich sage Ihnen eines: Kein Mensch, den man eingebürgert hat, hat Österreich oder unsere Staatsbürgerschaft entwertet. Im Gegenteil, auf viele von denen sind wir stolz, und ich würde sagen, wir bedanken uns bei denen, dass sie da sind und dass sie auch ihren Beitrag und ihre Anerkennung für Österreich gezollt haben. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir endlich einmal eine entspanntere Debatte führen, in der die Empathie und die Menschlichkeit im Vordergrund stehen, und nicht diese herablassende Debatte. - Ich danke vielmals. (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Präsident Mag. Manfred Juraczka: Als Nächster ist Herr Abg. Berger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. Abg. Stefan Berger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Sitzungssaal und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich möchte mit meinem Vorredner beginnen. Offenbar ist ja irgendwie der Bildungsauftrag im SPÖ-Klub in den letzten Monaten oder Jahren etwas vernachlässigt worden. Der Kollege Stürzenbecher kritisiert hier einen Fragenkatalog, wo man irgendwie daran scheitert, Seen oder Berge in Österreich benennen zu müssen, aus Ihrem Umfeld oder wo auch immer. Ich habe auch für Sie einen kleinen Literaturtipp, Herr Kollege Al-Rawi, wenn sie hier mehrfach in den Mund nehmen, Länder werden ausschließlich daran gemessen, wie viele Einwohner sie haben. Es gibt da ein sehr interessantes Buch, das nennt sich "Die Macht der Geographie" von Tim Marshall. Vielleicht führen Sie sich das einmal zu Gemüte, dann werden Sie auch erkennen, dass es hier durchaus einige Faktoren für unterschiedlichste Staaten und durchaus auch Großmächte gibt, die weltpolitisch eine Rolle spielen. Wenn man Ihnen so zuhört, insbesondere den Rednern der SPÖ, dann kommt mir schon vor, die Herrschaften sind ja wirklich alle vollkommen realitätsfremd, bekommen offenbar nicht mit, was hier im eigenen Magistrat, gewissermaßen im eigenen Haus vonstattengeht. Denn angenommen, wir setzen das Staatsbürgerschaftsrecht jetzt so um, wie Sie sich das alle vorstellen, dann brechen in Wien mehr oder weniger die Dämme. Dann kommt es zu Massenanträgen, und so weiter, und so fort. Die MA 35 ist mit dem, was jetzt und in den vergangenen Jahren schon zu bewältigen war, heillos überfordert. Man hat unterm Strich eigentlich gesehen, dass das dort wirklich ein wahrer Sauhaufen ist, was insbesondere auch Ihre Vorgänger, die Stadträte von der SPÖ hinterlassen haben. Wir nehmen da durchaus den StR Wiederkehr auch in die Pflicht, die Zeit des Welpenschutzes ist für ihn vorbei, da brauchen Sie sich keine Sorge machen. Aber die politische Verantwortung für diesen Sauhaufen in dieser Behörde tragen schlichtweg die SPÖ und ihre Stadträte, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist Ihnen offenbar noch viel zu wenig bewusst. (Beifall bei der FPÖ.) Denn die Probleme in der MA 35 sind ja nicht neu. Jedes Jahr stehen wir hier, wenn die Volksanwälte aufmarschieren, ihre Berichte abgeben, und die Behörde, die in der Vergangenheit am meisten kritisiert wurde, war die MA 35. Und Sie waren nicht willens oder imstande, dort die Probleme und die Verfehlungen abzustellen, für kürzere Verfahrenszeiten zu sorgen und auch im Bürokratieapparat wesentlich effizienter zu sein. Wir halten im Übrigen auch nichts von der Idee der ÖVP, noch weiter Personal aufzunehmen, noch mehr zu investieren. Von diesen 500 Bediensteten dort wurde der Mitarbeiterstock schon um 10 Prozent erhöht, es sind 50 weitere dazugekommen. Wir halten das für vollkommen sinnlos, den Beamtenapparat jetzt noch einmal weiter aufzublähen, sondern wir halten es für sinnvoll, zum Beispiel in Digitalisierung und in ökonomische Verfahrensabläufe zu investieren - was Gott sei Dank ja mittlerweile auch am Laufen ist, woran sich auch andere Bundesländer beteiligen. Die Herrschaften der Regierungskoalitionen bezeichnen ja Wien als die sogenannte Digitalisierungshauptstadt. Ja, gar nichts ist hier in der Vergangenheit entsprechend digital abgewickelt worden. Das waren ineffiziente Prozesse, wo man das Ganze künstlich in die Länge gezogen hat. Da muss man ansetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren, damit es hier zu einer Verbesserung insbesondere in Wien kommt. Und weil Sie immer kritisieren, die Bundesgesetze sind so schlecht und alles Mögliche, meine Damen und Herren, acht andere Bundesländer schaffen es auch. Nur Sie in Wien sind offensichtlich überfordert damit. Machen Sie Ihre Aufgaben, bevor Sie hier klagen und weinerlich hier stehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.) Zum Inhaltlichen vielleicht noch. Es gibt ja durchaus Sozialdemokraten, die nicht irgendwie in einer sozialistischen Parallelwelt leben, die durchaus das Ohr nahe am Bürger haben, mit beiden Beinen im Leben stehen. Und es ist ja durchaus auch so, dass es Landesparteiobleute der SPÖ gibt, die mit einer Aufweichung des Staatsbürgerschaftsrechtes nicht so wirklich mitkönnen. Der Kollege Krauss hat schon den Landeshauptmann des Burgenlandes erwähnt, aber auch der Kollege Dornauer in Tirol ist durchaus der Meinung, dass man die Pläne, die die SPÖ so hat, diesbezüglich nachschärfen soll. Also, so ganz unumstritten ist das Ganze bei Ihnen ja auch nicht. Und es gab durchaus auch Ansätze von Seiten der SPÖ in Wien, wo man gemerkt hat, nein, beim Staatsbürgerschaftsrecht passt vielleicht doch nicht alles und da muss man durchaus auch nachschärfen. Leider Gottes ist die Erkenntnis halt viel zu spät gekommen. Am 7.11.2020 - das war im Übrigen fünf Tage nach dem verheerenden Anschlag in Wien - ist plötzlich auch die SPÖ draufgekommen, dass man vielleicht in einzelnen Teilbereichen das Staatsbürgerschaftsrecht nachjustieren muss, dass man auch Verdächtigen, die mit dem IS sympathisieren, und so weiter, und so fort, die Staatsbürgerschaft auch entziehen können muss. Das hat der Herr Leichtfried deponiert. Der Herr Ludwig, Bürgermeister, ist damals auf diesen Zug aufgesprungen. Aber man sieht halt auch wieder, dass Sie sehr inkonsequent in diesem Bereich sind. Ich lese Ihnen eine OTS vom 1. Juli 2020 der FPÖ- Wien vor. Mein damaliger Kollege GR Haslinger hat einen Antrag gestellt, wo es genau um diesen Teilbereich gegangen ist, Herrschaften die Staatsbürgerschaft auch wieder aberkennen zu können, die einfach nicht mit unseren Werten hier leben, die sich offensichtlich militärisch irgendwo anders anschließen, die gesinnungstechnisch nicht mit unseren Werten vereinbar sind. Und ja, SPÖ, GRÜNE und NEOS haben diese Initiative an den Bundesgesetzgeber damals abgelehnt, meine sehr geehrten Damen. Das war eine fatale Entscheidung, ein fatales Stimmverhalten Ihrerseits, denn unterm Strich hätten wir wahrscheinlich tote Menschen damit verhindern können. (Beifall bei der FPÖ.) Und ja, es gibt auch außerhalb Österreichs Sozialdemokraten, deren Ideen ich durchaus einiges abgewinnen kann. Kollege Stürzenbecher hat hier mehrere europäische Länder aufgezählt. Ich sage ganz einfach, wo ich der Meinung bin, was wirklich ein progressives Staatsbürgerschaftsrecht ist, und das ist insbesondere - und das wird Sie jetzt wahrscheinlich überraschen - ein sozialdemokratisch regiertes EU-Land. Und ich nenne hier das Land: (Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher: Dänemark!) Dänemark, ausgezeichnet. Der Herr Stürzenbecher ist geistig bei meiner Rede voll dabei, das freut mich. Dänemark ist hier wirklich sehr fortschrittlich, betreibt eine sehr, sehr konsequente Entwicklung. Und was man halt über Dänemark auch sagen muss, da gibt es nicht nur vernünftige Sozialdemokraten, eine vernünftige Dänische Volkspartei, da gibt es auch vernünftige Konservative. Die ziehen dort alle an einem Strang. Und das ist die Marschrichtung, in die es gehen muss, und nicht irgendwie ein Aufweichen, ein Herumlavieren, ein Herumeiern und ein Herumsudern hier im Gemeinderatssaal. Dänemark muss unser Vorbild sein, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.) Was macht Dänemark? Hier ist erwähnt worden, wir sind angeblich schon so hart, so konsequent, so restriktiv. Ja, meine Damen und Herren, wenn ich mich als Republik Österreich selbst ernst nehme, und das tue ich als Mandatar und als Staatsbürger durchaus, dann will ich hier konsequente Richtlinien haben, dann will ich hier konsequente Voraussetzungen haben. Und ja, ich orientiere mich nicht an irgendwelchen Bananenstaaten, ich will ehrlich gesagt in Europa das konsequenteste Staatsbürgerschaftsrecht haben, die konsequentesten Einwanderungsvoraussetzungen. Das ist die Richtschnur und - insbesondere wenn wir vielleicht auch bei der Farbe bleiben - das ist der rote Faden oder die Schnur, woran ich mich orientieren will. Dänemark hat da noch ganz andere Voraussetzungen. Dort dürfen Bewerber über Jahre hinweg keine Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld empfangen haben, wenn sie die Staatsbürgerschaft beantragen wollen. Die Dänisch-Anforderungen entsprechen der Schulstufe 9, meine sehr geehrten Damen und Herren, da reden wir vom Pflichtschulabschluss, und das ist das, wonach wir uns orientieren wollen. Aber die dänische Politik geht auch weit über das Staatsbürgerschaftsrecht hinaus. Insbesondere auch integrationspolitisch werden dort die wirklich richtigen und wichtigen Maßnahmen gesetzt. Da gibt es sogenannte Präventionsgebiete, wo verhindert werden soll, dass sich Parallelgesellschaften entwickeln. Man braucht sich das nur anschauen. Wir haben das ja in einigen Bezirken oder Bezirksteilen in Wien mittlerweile genauso. Das unterscheidet mich vom Kollegen Mahrer, ich gehe täglich durch Favoriten, ich wohne dort. Ich weiß, was es für Eltern heißt, denen die Zukunft ihrer Kinder sehr wichtig ist, dort einen Kindergarten zu suchen, dort eine Schule zu suchen, wo sie nicht die einzigen Österreicher, wo sie nicht die einzigen Deutschsprechenden sind. Und auch hier ist Dänemark sehr, sehr fortschrittlich. Der dänische rote Innenminister hat selbst gesagt, wir haben hier viel zu lange die Augen vor Entwicklungen verschlossen und nur dann gehandelt, wenn die Integrationsprobleme zu groß geworden sind, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das alles wollen wir, das alles will ich auch für Wien verhindern. Nur, meine Damen und Herren, insbesondere bei den Roten oder beim sogenannten Linksblock scheint diese Erkenntnis noch nicht Einzug gefunden zu haben. Abschließend möchte ich noch zwei Anträge einbringen, die wir vorbereitet haben, die insbesondere in Richtung Bundesminister für Inneres adressiert sind. Wir sehen durchaus, dass hier viele europäische Staaten, viele EU- Staaten insbesondere auch im Bereich des Grenzschutzes der Asylpolitik sehr konsequent sind, viel konsequenter sind, als Österreich das tut, die meines Erachtens nach auch vollkommen zu Unrecht diffamiert werden, an den Pranger gestellt werden. Ich erinnere beispielsweise nur an Polen, nur an die baltischen Staaten. Ja, meine Damen und Herren, vielleicht kapieren Sie es jetzt, spätestens seit dem 24. Februar dieses Jahres, Migration wird auch als Waffe eingesetzt. Das haben wir an den polnischen Grenzen gesehen, als es zu den massenhaften Übertritten aus dem Staatsgebiet Weißrusslands gekommen ist, das haben wir auch in den baltischen Staaten gesehen. Und dementsprechend haben wir hier auch zwei Anträge, adressiert an den Bundesminister für Inneres, hier entsprechende Maßnahmen zu setzen. Aber, was wir auch nicht wollen, ist, dass es hier zu vermehrten Geldleistungen aus dem Bereich der Grundversorgung für diejenigen kommt, die ein Aufenthaltsrecht in Österreich haben. Wir wollen, dass hier weiterhin verstärkt auf Sachleistungen gesetzt wird und dass wir uns hiernach orientieren, meine sehr geehrten Damen und Herren. Diese beiden Anträge und die Politik Dänemarks, das muss die Marschrichtung sein, die wir in Österreich in puncto Staatsbürgerschaftsrecht, Aufenthaltsrecht, aber auch im Rahmen der Grundversorgung verfolgen müssen. - Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.) Präsident Mag. Manfred Juraczka: Herr Abg. Berger, es ist als Abgeordneter natürlich Ihr gutes Recht, Missstände aufzuzeigen und die gegenständliche Magistratsabteilung hat in der Tat viele Missstände, da gibt es, glaube ich, Übereinstimmung. Ich halte trotzdem nicht viel davon, wenn man eine ganze Magistratsabteilung per se als Sauhaufen bezeichnet. Ich glaube, auch dort gibt es sehr viele anständige Mitarbeiter, die sich bemühen, und ich würde Sie ersuchen, das vielleicht das nächste Mal zu überdenken. - Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.) Als nächste Rednerin hat sich Frau Abg. Aslan zu Wort gemeldet. Ich muss nur noch die Redezeit einstellen und dann erteile ich Ihnen das Wort. Abg. Mag. Aygül Berivan Aslan (GRÜNE): Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da hier immer wieder bundesgesetzliche Argumente vorgebracht worden sind, auch von den Kolleginnen und Kollegen der SPÖ, gebe ich Ihnen eine kurze Chronologie weiter, damit Sie überhaupt verstehen, warum wir heute da stehen, wo wir sind. 2015 hat es unter der Regierung Faymann das Fremdenrechtspaket gegeben, 2017 hat es das Integrationspaket und die Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes gegeben, unter Regierung Kern. 2017 hat es wieder eine Änderung des Fremdenrechtspakets gegeben, unter Regierung Kern. Und deswegen stehen wir heute da, wo wir sind. Und es freut mich, dass Sie heute das genauso sehen, dass eben das Staatsbürgerschaftsrecht und auch das Fremdenrecht ein kaputtes Recht sind und dass wir diesbezüglich gemeinsam nur etwas schaffen können, wenn wir auch die Probleme in dieser Gesetzesmaterie sehen. Ich will eigentlich einen kleinen Einblick über meine Lebensrealität geben, damit einige von Ihnen wissen, mit welchen Menschen Sie hier gemeinsam in einem Raum sitzen, und dabei gehe ich mal drei Stationen durch. Die erste Station ist, ich gehöre nun einmal nicht zu der Gruppe der Privilegierten, sondern zu der Gruppe der Nichtprivilegierten. Ich bin als Österreicherin in der Türkei als Kurdischstämmige geboren und hatte nicht die Wahl, mich zu entscheiden, welche Staatsbürgerschaft ich will. Es gibt nun einmal kein unabhängiges Kurdistan und aus diesem Grund mussten meine Eltern diese Staatsbürgerschaft annehmen, in diesem Land, wo sie sich befanden. Insofern war für diese Menschen, die aus dieser Lebensrealität kommen, das Thema Staatsbürgerschaft immer schon ein sehr heikles und auch sehr emotionales Thema. Und weil ich immer wieder gefragt werde, warum ich zwei Namen habe, einen türkischen und auch einen kurdischen: Ich hatte nicht das Privileg, in der Türkei offiziell meinen kurdischen Namen zu tragen, sondern es wurde mir offiziell ein türkischer Name gegeben, weil man mein Dasein offiziell mit einer Geburtsurkunde sozusagen bestätigen musste. Erst danach, als wir die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen haben, hatten wir das Privileg, unsere eigenen Namen zu tragen. Und das betrifft nicht nur kurdischstämmige Personen in der Türkei, das betrifft auch sehr viele christliche Minderheiten in der Türkei, die muslimische oder türkische Namen annehmen mussten, um dann nicht diskriminiert oder stigmatisiert zu werden. Und wie kam es zu dieser Einbürgerung bei meiner Familie? In den 90er Jahren beantragte meine Familie die österreichische Staatsbürgerschaft in Tirol, ich war damals noch ein kleiner Zwerg. Mein Vater begründete die Entscheidung der Staatsbürgerschaft damit, dass er sagte, das bedeutet für uns mehr Freiheit und Sicherheit, weil sie wollten, dass ihre Kinder eine menschenwürdige und eine sichere Zukunft in Österreich genießen. Das war keine Frage der Sozialhilfe, denn mein Vater hat wie ein Wahnsinniger durchgearbeitet, ohne einen einzigen Tag Arbeitslosengeld in Österreich zu beziehen, sondern das war eine Frage der Menschenwürde, einfach das zu sein, was man ist. Insofern ist es natürlich verletzlich für Menschen wie mich, wenn man von einer Abwertung der Staatsbürgerschaft redet. Und - no na ned - von den Kriminellen rede ich gar nicht, denn Kriminelle, egal, aus welcher Ecke sie kommen, Straftäter bleiben Straftäter, und dagegen sollten wir alle geschlossen vorgehen, ohne darauf zu sehen, welchen Hintergrund diese Personen haben. (Beifall bei den GRÜNEN.) Nachdem ich die Reden dieser - unter Anführungszeichen - Privilegierten gehört habe, stelle ich mir natürlich die Frage, wann ist man eigentlich nach Ihrem Verständnis Staatsbürger? Genügt es nicht für Sie, dass man hier geboren und aufgewachsen ist, ab wann sollte man das Privileg einer Staatsbürgerschaft bekommen? Wenn es Jodeln ist, dann bin ich der Meinung, dass ich viel besser jodeln kann als wir alle herinnen. (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN.) Nach welchem Kriterium bestimmt man, wo sich ein Mensch zu Hause fühlt? Wer bestimmt überhaupt, welches Heimatgefühl man haben kann, ab welchem Zeitpunkt? Ich glaube, niemand in diesem Raum kann mir in irgendeiner Art und Weise verwehren, dass ich Tirol als meine Heimat bekenne und dass ich eines Tages auch einmal, wenn ich sterben sollte - hoffentlich nicht zu früh - dort begraben werden will. Niemand kann mir das Gefühl wegnehmen. Und vielen anderen, die in diesem Land leben, geht es auch so, die sowohl die Rechte und auch die Pflichten dieses Landes akzeptieren. Dann stellt sich natürlich auch die Frage, will man den österreichischen Politikern und Politikerinnen, die in Ibiza- Skandale verwickelt sind, die in Steuerhinterziehungen verwickelt sind, die in Korruptionsskandale verwickelt sind, die Staatsbürgerschaft aberkennen? Ist es dann nicht unwürdig von jenen, die sozusagen den Ruf dieses Landes weltweit zerstören? Was wollen Sie denn mit denen machen? Wird man diese Leute dann weiterhin als Staatsbürger anerkennen? Ist es dann würdig? Mit all diesen Fragen müssen Sie sich auch einmal auseinandersetzen, wenn Sie salopp einer Gruppe von Menschen unterstellen, dass ihnen die Staatsbürgerschaft nachgeschmissen wird. Verdienen sie dann eher die österreichische Staatsbürgerschaft? Das glaube ich nicht, also diese Politiker, die diese ganzen Korruptionsskandale verantworten, verdienen sicher nicht mehr die Staatsbürgerschaft als Menschen wie ich, die sich tagtäglich für demokratiepolitische Grundwerte in Österreich einsetzen, die sich tagtäglich gegen demokratiefeindliche Gruppen stellen, die dschihadistische Netzwerke aufdecken und die trotzdem - wenn Sicherheit für den Herrn Mahrer so ein großes Thema ist - gar keine Rückendeckung für das bekommen, was sie eigentlich tun für die demokratische Grundwerte dieses Landes. Und am Ende des Tages stellt man sich wieder die Frage, wie Kollege Kraus schon gesagt hat, worum geht es überhaupt in dieser Debatte. In dieser Debatte geht es um die Angst vor einer neuen Wählerschaft, um die Angst vor anderen Mehrheiten in der Wählerschaft. Der Wählerschaft, die mehr Grundrechte einfordert, die mehr Gleichbehandlung einfordert, die gleichzeitig auch dann Pflichten erbringt. Um die Wählerschaft, die wahrscheinlich keine Hetzer und auch Rechtsextreme in den Parlamenten haben wollen. Genau darum geht es, wir diskutieren darüber. Hier geht es nicht darum, dass Menschen die Staatsbürgerschaft nachgeschmissen wird - kein Wunder bei diesen europaweit restriktiven Staatsbürgerschafts- und Einbürgerungsgesetzen. Hier geht es schlicht und einfach um eine ausgrenzende Politik gegenüber einer Menschengruppe, die es sich verdient wie alle anderen, die ohne ihr Zutun die Staatsbürgerschaft bekommen haben. Ja, wenn ich schon bei der Angst bin: Habt keine Angst vor den Menschen, die jahrzehntelang auf den Baustellen dieser Stadt gearbeitet haben. Und habt keine Angst vor Menschen, die die ganze Pflegearbeit für Sie übernehmen. Und habt auch keine Angst vor den ganzen SystemerhalterInnen mit Migrationsbiographie, die tagtäglich Enormes geleistet haben in diesem Staat. (Beifall bei GRÜNEN und NEOS.) Versteht es endlich, sie nehmen euch nichts weg, weder die Jobs noch die Wohnungen, noch wollen sie irgendwie mit euch zusammenleben. Die ganze Debatte um das Staatsbürgerschaftsthema ist nur ein Ablenkungsmanöver von den ganzen Korruptionsskandalen, von den ganzen U-Ausschüssen, die im Raum stehen. Verkauft uns nicht für blöd. Es ist einfach unnötig, wieder eine Menschengruppe herauszugreifen und denen vorzuwerfen, dass ihnen alles nachgeschmissen wird. Ja, ich gehe natürlich noch einen Schritt weiter und sage dann, diese Menschen wollen nur in diesem Land so wie alle anderen gleichbehandelt werden. Natürlich mit der Bedingung, dass sie alle Rechte und Pflichten erfüllen, no na ned, da sind wir uns alle einig. Und ja, ich gehe noch einen Schritt weiter und finde auch, dass Menschen, die in Staatsbürgerschaftsverfahren mehr als sechs Monate auf ihre Anträge und auf ihren Bescheid warten, von den Gebühren befreit werden. Deswegen bringe ich den Antrag ein, der Wiener Landtag spricht sich dafür aus, dass Antragstellerinnen und Antragstellern die Gebühren für das Staatsbürgerschaftsverfahren erlassen werden, wenn das Verfahren auf Grund von Verzögerungen seitens der MA 35 länger als sechs Monate dauert. In formeller Hinsicht beantragen wir die sofortige Abstimmung dieses Antrages. Ich hoffe, dass auch dieser Antrag von der SPÖ und auch den NEOS Zustimmung findet, denn sonst würden Sie sich ja komplett widersprechen. Man kann nicht auf der einen Seite gegen Einbürgerungshürden sein und dann auf der anderen Seite gegen derartige Anträge stimmen. - Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den GRÜNEN.) Präsident Mag. Manfred Juraczka: Als nächste Rednerin ist Frau Abg. Sachslehner zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr. Abg. Mag. Laura Sachslehner, BA (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich noch einmal auf die Debatte eingehe, die ja schon relativ fortgeschritten ist, möchte ich kurz noch auf ein paar der Vorredner replizieren. Der Herr Kollege Stürzenbecher von der SPÖ hat sich vorher darüber echauffiert, dass wir als Volkspartei immer wieder die Staatsbürgerschaft thematisieren. Und da muss ich schon ein bisschen schmunzeln, denn es ist die SPÖ, die immer wieder, in regelmäßigen Abständen, aus den unterschiedlichsten Bereichen, sei es die Arbeiterkammer, sei es der Wiener Bürgermeister mit Vorschlägen daherkommt, unser Staatsbürgerschaftsrecht aufzuweichen. (Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher: Was heißt, aufweichen? Alleine das Wort!) Und es ist die SPÖ, die das immer wieder probiert, mit populistischen Forderungen, verpackt mit einem anderen Mascherl, und es sind dann wir als Volkspartei, die natürlich ausrücken müssen, um unsere Staatsbürgerschaft zu verteidigen. (Beifall bei der ÖVP.) Und, Frau Kollegin Aslan, ich habe Ihren Ausführungen wirklich fasziniert gelauscht und muss schon sagen, ich finde es schon bemerkenswert, dass sich die Debatte bei Ihnen dann in diese Richtung hin entwickelt hat, dass Sie laut darüber nachdenken, österreichischen ehemaligen Politikern die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Ich weiß, Sie zielen nur auf eine Sache hin, es gibt meines Wissens nach auch Vertreter der GRÜNEN, gegen die es strafrechtliche Vorwürfe gibt, und ich frage mich, ob Sie denen das dann auch vorschlagen. (Beifall bei der ÖVP.) Ich möchte kurz noch einmal die zentralen Punkte zusammenfassen, es ist eh mehrmals schon gefallen, aber ich glaube, es schadet nicht, wenn man es noch einmal zusammenfasst. Zum Ersten, es hat im vergangenen Jahr in Österreich 16.000 Einbürgerungen gegeben. Ja, ein Teil davon waren Nachfahren von NS-Opfern, aber die überwiegende Mehrheit waren trotzdem Einbürgerungen anderer Art. In den Jahren davor waren es übrigens auch konstant immer 8.000 bis 10.000. (Zwischenruf von Abg. Dr. Jennifer Kickert.) Na, Sie brauchen sich nicht so aufregen, ich komme noch zu den ganzen anderen Fakten. (Abg. Markus Ornig, MBA: Es hat sich niemand aufgeregt!) Fakt Nummer 2, es ist bereits jetzt schon möglich, die Staatsbürgerschaft früher zu erlangen, zum Beispiel durch ehrenamtliches Engagement, wenn man besonders gut integriert ist. Zum Dritten, es ist, wie wir wissen, die Stadt Wien, die beim Vollzug dieser Dinge versagt. Wer heute einen Antrag in Wien stellt - dazu hat es einige Medienberichte in den letzten Tagen gegeben -, bekommt ihn frühesten im Jahr 2023, in Tirol funktioniert das innerhalb von drei Wochen. Also erklären Sie mir bitte, warum es in acht anderen Bundesländern funktioniert, aber in Wien offensichtlich de facto unmöglich ist. (Abg. Markus Ornig, MBA: Dann hätten Sie den anderen Rednern zuhören sollen, nicht nur Ihren Text lernen!) Und Fakt Nummer 4, weil das der Kollege Al-Rawi immer wieder gebracht hat, es gibt auch jetzt für jeden Menschen die Möglichkeit, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen, auch für Kinder, die hier geboren werden. Dieser Vergleich, den Sie da immer wieder treffen, ist nichts anderes als eine populistische Erzählung, die am Ende des Tages nicht standhält. Und auch diese internationalen Vergleiche, die immer von Seiten der NEOS fallen, sind in diesem Fall einfach nicht zulässig, weil Österreich natürlich ganz andere Voraussetzungen hat, auf Grund unseres Sozialsystems, auf Grund der Asylzahlen, mit denen wir jedes Jahr konfrontiert sind. (Abg. Markus Ornig, MBA: Ach so, wirklich? Gibt es sonst keine Länder mit Sozialsystem?) Ich kann es nur noch einmal wiederholen, für uns als Volkspartei ist klar, die österreichische Staatsbürgerschaft ist das höchste Gut, das dieser Staat zu vergeben hat, und das muss auch in Zukunft so bleiben. Und ehrlicherweise, jeder, der das nicht begriffen hat, hat in meinen Augen ein grundlegendes Verständnisproblem damit, was es heißt, Österreicher oder Österreicherin zu sein. Warum ist es denn für uns dieses Thema so wichtig? Warum verteidigen wir die Staatsbürgerschaft jedes Mal so vehement, wenn von der SPÖ diese Vorschläge kommen? Wir wollen, dass sich Menschen mit dem Staat Österreich und mit unseren Werten identifizieren. Wir wollen, dass sich Menschen in Österreich selbst erhalten können, und wir wollen natürlich auch, dass österreichische Staatsbürger die deutsche Sprache beherrschen. Und was wir nicht wollen, ist dieser Automatismus, von dem immer wieder gesprochen wird, wo wahllos Staatsbürgerschaften vergeben werden, ohne dass der jeweilige Einzelfall geprüft wird. Und wir wollen natürlich auch keinen weiteren Pull-Faktor im Bereich der Migration. Meine Kollegin Caroline Hungerländer hat es vorher schon gebracht, es gibt zum Beispiel dieses Modell - es kommt immer darauf an, welches Modell man sich anschaut, denn es kommen von der Arbeiterkammer oder von der SPÖ oder aus den unterschiedlichsten Bereichen immer wieder unterschiedliche Vorschläge - der Arbeiterkammer, und schauen wir uns das an. Dann ist es natürlich am Ende des Tages ein Bleiberecht durch die Hintertür, von dem hier gesprochen wird. Denn, wie es meine Kollegin schon ausgeführt hat, wenn ein Asylwerber nach Österreich kommt, sein Asylverfahren hier fünf Jahre dauert, er in dieser Zeit ein Kind bekommt, kann er, selbst wenn er dann einen negativen Asylbescheid bekommt, nicht mehr abgeschoben werden. (StR Peter Kraus, BSc: Wenn schon, bekommt sie ein Kind!) Das steht für uns als Volkspartei einfach nicht zur Debatte. (Beifall bei der ÖVP.) Es ist natürlich eigentlich eine zutiefst juristische Diskussion, aber ich möchte abschließend noch einmal betonen, die österreichische Staatsbürgerschaft ist ja viel mehr als einfach nur ein Formalakt. Es ist ja ein Bekenntnis zu unserer Demokratie, zu unserem Land, zu unseren Werten, zum Beispiel zu Werten wie der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Genau das macht sie ja so wertvoll, und deshalb ist sie ja das höchste Gut, das es zu vergeben gibt. Deshalb müssen wir sie verteidigen und deshalb müssen wir auch schauen, dass diese Staatsbürgerschaft nicht entwertet wird und dass sie sorgsam vergeben wird. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.) Präsident Ernst Woller: Das waren elf Minuten. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abg. Ngosso. Ich erteile ihr das Wort. Abg. Dr. Mireille Ngosso (SPÖ): Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuhörerInnen via Livestream! Stellen Sie sich vor, Sie bekommen einen Strafzettel über 50 EUR, und Ihnen wird deshalb die Chance auf eine Staatsbürgerschaft in Österreich verwehrt. Stellen Sie sich vor, Sie sind in Wien geboren, gehen hier in die Schule, sind hier aufgewachsen, haben vor, dieses Jahr zu maturieren, und werden abgeschoben, weil Sie keinen österreichischen Pass haben. All das ist in Österreich Realität. Unser jetziges Staatsbürgerschaftsgesetz ist veraltet und geht an modernen Lebensrealitäten komplett vorbei. Es ist eines der restriktivsten Europas, und trotzdem scheint unsere Bundesregierung, allen voran die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, stolz darauf zu sein, den letzten Platz einzunehmen. Dabei folgt die ÖVP einem elitären und hierarchischen Denkmuster, denn laut Ihnen verdienen manche Menschen den österreichischen Pass und andere Menschen entwerten ihn. Die ÖVP spricht von Verdienen und Leisten einer Staatsbürgerschaft. Da frage ich mich, was die Abgeordneten der ÖVP geleistet haben, um ihre Staatsbürgerschaft zu verdienen. Was war Ihre Leistung? (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Die Abg. Sachslehner geht so weit. Und sie macht auch kein Geheimnis draus, wen sie meint, wenn sie von einer Entwertung spricht. Es geht ihr dabei um Menschen aus Ländern wie Syrien und Afghanistan. Menschen mit Migrationsbiographie und dabei vorwiegend "people of color" als Entwertung zu bezeichnen, ist blanker Rassismus. Das kann man nicht beschönigen. Und diese rassistische Rhetorik werden wir hier im Gemeinderat niemals dulden. (Beifall bei SPÖ, NEOS und GRÜNEN.) In Wahrheit sollte es uns um die vielen, vielen Kinder gehen, die hier in Wien geboren und aufgewachsen sind. Ob es Ihnen passt oder nicht: Alle Menschen sind gleich an Würde und Rechten geboren. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.) So ist es nun einmal in der Menschenrechtskonvention verankert, und das beinhaltet auch einen gleichen Zugang zu Rechten und Möglichkeiten. Dazu kann der Erhalt der Staatsbürgerschaft zählen, denn Demokratie wird gestärkt, wenn mehr Menschen die Möglichkeit haben mitzubestimmen. Wir von der SPÖ stehen für Gleichheit und politische Teilhabe ein. Weil es Kollege Mahrer vorhin angeführt hat: Wir wollen keine Parallelgesellschaften, aber mit Ihrer Politik tragen Sie dazu bei (StR Dominik Nepp, MA: Geh bitte!) Sie tragen zur Spaltung der Gesellschaft bei und verhindern gesellschaftliche Teilhabe. Und genau das Gegenteil entsteht dadurch. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.) Alleine in Wien leben rund 97.000 Menschen, die zwar in Österreich geboren sind, aber keine Staatsbürgerschaft haben. Sie dürfen in der Regel nicht wählen. Sechs von zehn ArbeitnehmerInnen in Wien sind nicht wahlberechtigt. Insgesamt ist in Wien ein Drittel der Menschen nicht wahlberechtigt. Das schadet der Demokratie, der Integration und dem Zusammenhalt in Wien. Besonders jetzt in dieser Corona-Krise wurde ja der Verdienst von den SystemerhalterInnen hervorgehoben. Das sind oft Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft. Sie arbeiten zum Beispiel in der Pflege oder im Supermarkt. Und genau die Menschen, die uns durch diese Krise getragen haben, werden jetzt von der ÖVP als Belastung dargestellt. (Beifall bei der SPÖ.) Das, meine Damen und Herren, ist für mich nicht tragbar. Zu sagen, dass Menschen auf Grund ihrer Herkunft weniger wert sind, ist nicht nur beschämend, sondern auch gefährlich (Abg. Mag. Caroline Hungerländer: Wer sagt denn sowas?), denn es öffnet den Weg für Gedankenmuster, die wiederum zu Taten führen, die weitaus schlimmer sind als ein diskriminierender Tweet. Die ÖVP verhindert seit Jahren ein modernes Staatsbürgerschaftsgesetz. Wir fordern den Bundesgesetzgeber auf, die Hürden beim Zugang zur Staatsbürgerschaft abzubauen. (Abg. Mag. Josef Taucher: Genau!) Dabei kann Wien als Bundesland die gesetzlichen Bestimmungen zwar nicht ändern, aber die Fortschrittskoalition setzt einen wichtigen Schritt und senkt die Wiener Landesgebühren im Staatsbürgerschaftsverfahren deutlich, denn der Zugang zur Staatsbürgerschaft darf nicht von den finanziellen Möglichkeiten abhängen. Weil immer wieder von der ÖVP und FPÖ auch gesagt wurde, dass die Menschen die Staatsbürgerschaft ja eh nicht haben wollen: Bitte, es gibt eine Studie der ÖAW, der Österreichischen Akademie der Wissenschaft, die vor Kurzem erschienen ist, die wieder bestätigt hat, dass sich viele Menschen die Staatsbürgerschaft wünschen. Sie wollen ein Teil dieser Gesellschaft sein, Sie wollen eine politische Teilhabe. Es bricht mir wirklich das Herz, dass über 78.000 Kindern und Jugendlichen von unserer Regierungspartei vermittelt wird, sie seien weniger wert. Niemand kann sich aussuchen, wo man geboren wird. Das ist ein Fakt, den keine rassistische Polemik widerlegen kann. Kinder und Jugendliche, die hier geboren sind, hier zur Schule gehen, kein Bestimmungsrecht haben, wie ihre Zukunft aussehen wird, sind Kinder und Jugendliche, denen wir von Anfang an signalisieren, dass sie nicht Teil unserer Gesellschaft sind, zerrissene Kinder und Jugendliche, die weder in das Herkunftsland der Vorfahren noch im Land, in dem sie oder sogar schon ihre Eltern geboren wurden, zugehörig sind. Ich kenne viele dieser Kinder, ich war selbst eines dieser Kinder. Niemand profitiert von einem System der Ungerechtigkeit. Die ÖVP ist nicht nur eine elitäre Partei, sondern auch eine Partei, die Integration aktiv blockiert. Es wird ein Kreislauf gebildet, wo Menschen sich nicht integrieren dürfen und ihnen Perspektiven in diesem Land zerstört werden. Es ist höchste Zeit, die finanziellen Hürden abzubauen und hier geborenen Kindern den Weg zur Staatsbürgerschaft zu erleichtern. (Beifall bei SPÖ und NEOS. - Abg. Mag. Caroline Hungerländer: Machen Sie es in Wien!) Die SPÖ steht klar für echte Chancengerechtigkeit. Dafür sind wir immer und werden wir immer einstehen. Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Präsident Ernst Woller: Das waren acht Minuten Redezeit. Herr Klubobmann Wölbitsch-Milan hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM (ÖVP): Sehr geehrte Frau Kollegin! Ich habe ein gewisses Grundverständnis für emotionale Debatten und würde mich auch als einen wahrscheinlich manchmal sehr emotionalen Redner bezeichnen, aber eines möchte ich hier ganz klar sagen: Ich lasse sicher meiner Fraktion nicht einfach den pauschalen Vorwurf des Rassismus unterstellen und ersuche Sie, das zurückzunehmen, beziehungsweise, falls nicht, eigentlich um einen Ordnungsruf. Denn eines möchte ich schon klar sagen: Keiner meiner Vorredner hat irgendein Land oder irgendjemanden herabgewürdigt oder kritisiert. Ich glaube, wir haben versucht (Abg. Markus Ornig, MBA: Ständig!), die Diskussion sachlich zu führen, basiert auf Zahlen, Daten und Fakten, wer aus welchem Land zu uns kommt, et cetera. Ich würde sehr vorsichtig mit dem Begriff umgehen, denn er kennzeichnet schon einen wirklich sehr harten Missstand, und ich nehme ihn sehr ernst. Aber damit pauschal eine Debatte über ein Thema abzudrehen, halte ich ehrlicherweise nicht für sehr redlich und auch einer demokratischen Debatte nicht dienlich. Daher, sehr geehrte Frau Kollegin, nehmen Sie es entweder zurück, und wenn nicht, dann nehme ich das auch zur Kenntnis, aber eines möchte ich schon klarstellen: Niemand von uns hat hier irgendetwas in diese Richtung bedient (Abg. Dr. Mireille Ngosso: Überhaupt nicht!), und ich lasse das mir und meiner Fraktion sicher auch nicht unterstellen. Vielen Dank (Beifall bei der ÖVP.) Präsident Ernst Woller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Taborsky. Ich erteile es ihm. Abg. Hannes Taborsky (ÖVP): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Abgeordnete! Ich möchte mich noch kurz meinem Klubobmann anschließen, denn wenn Sie, sehr geschätzte Frau Abgeordnete, und die SPÖ hier über Rassismus reden, dann haben Sie darüber nicht die Deutungshoheit in diesem Raum. Schauen Sie sich vielleicht einmal die Kriminalitätsstatistik zur Ausländerkriminalität an, wo Afghanen, Syrier und Iraker führend sind bei der Suchtgiftkriminalität und beim Sozialbetrug. (Abg. Petr Baxant, BA: Es geht gleich weiter!) Darauf haben wir entsprechend repliziert. Das hat mit Rassismus nichts zu tun, außer Sie wollen der Wiener Polizei vorwerfen, dass sie rassistisch ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. - Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ, NEOS, ÖVP und GRÜNEN.) Also das Thema der österreichischen Staatsbürgerschaft und wie man sie bekommt, bewegt offensichtlich wie selten die Gemüter. Die versammelte linke Hälfte dieser Republik ergeht sich derzeit wieder in Spekulationen und Visionen, wie man mehr Frauen und Männer zu österreichischen Staatsbürgern machen könnte, und dies möglichst im Schnellverfahren, also die sogenannte Instant-Staatsbürgerschaft für jedermann und jederfrau, welche Österreich und allen voran Wien als ihr persönliches Sozialparadies entdeckt haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dafür stehen wir als ÖVP nicht zur Verfügung. (Beifall bei der ÖVP.) Wir wollen, dass Österreich das Paradies für jene Frauen und Männer bleibt, welche in der Früh oder in der Nacht aufstehen, hart arbeiten, ihre Familien versorgen, Steuern zahlen, die Gesetze einhalten und somit die Republik am Laufen halten, mit anderen Worten, den Karren ziehen. Solche Menschen sind auch willkommen, wenn sie von woanders kommen, deswegen gibt es eine reformierte Rot-Weiß-Rot-Card. Und wenn jemand aus diesem Bereich mit Arbeitserlaubnis, und so weiter nach einigen Jahren eine Staatsbürgerschaft möchte, dann gibt es dafür ein Verfahren, das als mögliches Ende eines gelungenen Integrationsprozesses steht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber ob und wie viele Wahlberechtigte es gibt, kann wohl nicht das Kriterium dafür sein, oder geht es bereits, wie meine Vorrednerin Frau Abg. Hungerländer gesagt hat, SPÖ, NEOS und GRÜNEN darum, ein neues Wahlvolk zu schaffen. Diesen Eindruck habe ich hier herinnen etwas, und das ist dann wohl eine andere Zielrichtung. Als ob wir bei drohenden neuen Asylantenströmen, ausgelöst durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und dadurch drohenden Hungersnöten, nicht andere Probleme hätten! Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung ist bereits oft angesprochen worden: Was habt ihr eigentlich getan? - Ein 45 Milliarden Paket Corona-Hilfen, 13,5 Milliarden Steuerpaket, 4,5 Milliarden Teuerungspaket, jetzt noch einmal ein 28 Milliarden Paket. Meine sehr verehrten Damen und Herren, da passiert einiges, und die Wiener Linkskoalition unter SPÖ-Führung hat als Thema offensichtlich nur die österreichische Staatsbürgerschaft. (Abg. Markus Ornig, MBA: Das ist euer Antrag! - Abg. Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara: Scherzkeks!) Die Magistratsabteilung 35 schafft nicht einmal, die bestehenden Verfahren abzuwickeln. Als Alternative will man jetzt offensichtlich das Verfahren abkürzen und jedem die Staatsbürgerschaft nachschmeißen. Wie unsere Abgeordnete Hungerländer schon ausgeführt hat, steht offensichtlich ein wahltaktisches Kalkül im Mittelpunkt, um dort Wählerstimmen für den Linksblock zu lukrieren. Nur wenige dieser Menschen haben überhaupt ein Interesse an der Staatsbürgerschaft, wie in der Pressekonferenz erst gestern klar dargestellt wurde, aber gerade jene, die ihr Bleiberecht damit verbinden. Und die Frage sollte man sich schon stellen: Ist das wirklich die Zielgruppe, die wir für die österreichische Staatsbürgerschaft im Auge haben? Sozialbetrug ist in Wien ein echtes Thema und damit die Inaktivität der Stadtregierung, denn Sie sind für die Kontrolle zuständig. Warum ist das wichtig? Sie setzen in Wirklichkeit damit die Willkommenskultur fort, weil Sie offensichtlich damit rechnen, damit Kleingeld für die nächste Wahl zu schaffen. Die Bundesregierung hat für Vollbeschäftigung gesorgt, nur Wien ist wieder einmal anders, denn in Wien gibt es das nicht, Wien hat die höchsten Arbeitslosenzahlen. Und warum ist das wichtig? - Weil Wien in der Zwischenzeit quasi Magnet für Menschen ist, die im Sozialbereich oder im Sozialsystem ihre Zukunft sehen. Und warum ist das auch in der Asyldebatte wichtig? - Ich sage Ihnen das Erlebnis eines guten Freundes von mir in einer Gemeinde im nördlichen Niederösterreich. Dort gibt es viele Damen und Herren im Asylbereich, die kümmern sich rührend um diese Leute. Die halbe Fußballmannschaft ist in der Zwischenzeit aus diesem Bereich. Das Problem, das sie nur haben, ist, sobald sie einen gültigen Asylbescheid haben, sind sie alle fort. Und wissen Sie, wohin die gehen? - Die gehen alle nach Wien, weil es offensichtlich dort angenehmer in der Ausländer-Community ist, gefördert mit Steuergeld über diverse Kulturvereine in der eigenen Muttersprache ohne Integrationsdruck leben zu können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, so funktioniert Integration in dieser Republik nicht. (Beifall bei der ÖVP.) Sie funktioniert über freiwillige Feuerwehren, Sportvereine in funktionierenden, gemischten Gesellschaften, nicht in den Wiener Ghettos, die sie leider in der Zwischenzeit errichtet haben. Sie fördern dies durch Ihre Politik der stillschweigenden Akzeptanz von Parallelgesellschaften, Demonstrationen, bei denen Konflikte aus dem Ausland auf den Wiener Straßen ausgetragen werden, und halbherzigen Staatsbürgerschaftsdiskussionen. Das ist Ihre Art und Weise der Politik. Sie wollen die Staatsbürgerschaft für jeden, der über die Grenze schaut, verschleudern. Das wird mit der ÖVP so nicht stattfinden, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.) Sie tragen aber auch Verantwortung mit dieser Debatte, denn Sie tragen Verantwortung, dass in der Zwischenzeit Schlepper weltweit mit dem Wiener Modell werben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, 2022 gibt es einen neuen Zuwachs der Asylanträge. Vielleicht zum Argument, dass man so unmenschlich ist: 9.000 Asylbescheide wurden positiv erledigt, aber 20.000 wurden abgelehnt. Erwecken von Hoffnung ist das beste Werbemittel für die Schleppermafia. Mit Ihren Aussagen zur Staatsbürgerschaft, die nicht nur in der Wiener Community verbreitet werden, sind Sie in der Zwischenzeit wahrscheinlich der Star jedes Werbevideos der Schleppermafia weltweit, denn die machen Werbung in sicheren Drittstaaten. Der Beweis ist, dass bereits heuer in den ersten 5 Monaten alleine 3.200 Anträge aus sicheren Drittstaaten gestellt wurden, nämlich aus der Türkei, aus Indien und Tunesien. Und Ihre Verantwortung ist es unter anderem dann auch, wenn dann ein 19-jähriger Marokkaner, der von einem bulgarischen Lastwagen runterspringt, auf österreichischen Autobahnen überfahren wird, obwohl er wissen hätte müssen, dass er hier kein Asyl bekommt, sich plötzlich hier gemeinsam mit der Schleppermafia befindet, der er noch etwas bezahlt hat dafür. Das sollten Sie sich auch einmal überlegen, wenn Sie über diese Dinge reden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. - Abg. Mag. Dolores Bakos, BA: Wer ist verantwortlich? - Abg. Thomas Weber: 20 Jahre ÖVP-Innenminister!) Kampf gegen Schlepper und illegale Migration ist das wichtigste Ziel, und jetzt bin ich dabei, was denn unser Innenminister macht. 311 Schlepper wurden 2020 festgenommen, 2021 441, bis Ende Mai 2022 wurden bereits 200 festgenommen. Wissen Sie, womit die Schleppermafia wirbt? Europa ist offen, man bekommt sofort Sozialversicherung, Mindestsicherung und Arbeitserlaubnis. Und im Wiener Fall wird ihnen jetzt die Staatsbürgerschaft auch entsprechend nachgeworfen. Das ist Ihre Werbung, die hervorragend funktioniert. Deshalb ist es wichtig, Asylmissbrauch zu verhindern. Jetzt komme ich zu den vier Punkten, die man im Innenministerium macht: Man hat die Abteilung für Menschenhandel und Asyl neu eingerichtet. Das ist vielleicht ein Beispiel für die NEOS, wie man so etwas entsprechend machen könnte: Nicht monatelang darüber diskutieren, wenn man weiß, man hat ein Problem in einem Verwaltungsbereich, sondern das aktiv in die Hand nehmen. Man hat die Aktion "Scharf und gerecht" eingerichtet, seit Mai wurden wieder 80 Schlepper festgenommen, es gibt eine internationale Kooperation gegen die Mafia, die Taskforce Westbalkan, Taskforce Silkroad und die Einrichtung eines Joint Operational Offices mit Vernetzung mit der Türkei und eine konsequente Asylpolitik: Asyl nur für jene Menschen, welche es auch brauchen. 76.000 Ukraine-Vertriebene, 70.000 wurden die Ausweise ausgestellt und 56.000 davon sind in der Grundversorgung. Meines Wissens hat aber noch kein Einziger einen österreichischen Staatsbürgerschaftsantrag gestellt. (Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher: Wie soll er das machen nach drei Monaten?) Das ist eben wirkliche Asylpolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren, konsequent für jene, die es brauchen. 2021 hat es 9.000 Außerlandesbringungen gegeben. Übrigens sollte man auch überlegen - der Herr Kollege von der FPÖ hat es schon angesprochen -, sich einmal das dänische Modell anzusehen. Dort gibt es einen sozialistischen Migrationsminister namens Tesfaye. Er kommt grundsätzlich aus Äthiopien, also weiß er offensichtlich, wovon er spricht. Der hat jetzt sogar angeboten, das großbritannische Modell mit einem Asylzentrum außerhalb der Grenzen der Europäischen Union mitzumachen. Man sollte sich also einmal aktiv überlegen, ob das vielleicht nicht Modelle sind, die man vernünftigerweise angehen könnte, von Menschen, die offensichtlich Experten in diesem Zusammenhang sind, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.) In Österreich wurden 2022 im Schnellverfahren bereits 4.000 negative Bescheide für Angehörige von sicheren Drittstaaten erledigt. Es gilt, ein aggressives Gegenmarketing gegen die Schlepperwerbung zu machen, nicht das, was Sie hier tun, Instant-Staatsbürgerschaft (Zwischenruf von StR Peter Kraus, BSc.) als weiteren Pull-Faktor, als Zugpferd entsprechend in den Raum zu stellen. Was macht aber die Stadt Wien? - Sie lehnt sämtliche Sicherheitsanträge, die wir gestellt haben, ab: Stadtwacheerhöhung, Heeresbudget sind nur einige Beispiele. Stattdessen schickt sie zehn fahrradfahrende Sozialarbeiter zu Demos, wo Tschetschenen und sonstige subversive Elemente aufeinander losgehen. Das ist ihre Sicherheitsalternative gewesen - leider nicht wahnsinnig erfolgreich. Zusätzlich beginnen Sie eine Staatsbürgerschaftsdiskussion, meine sehr verehrten Damen und Herren, welche eine Instant-Staatsbürgerschaft ohne Vorkenntnisse und Integration in unser Rechts- und Wertesystem - von Deutschkenntnissen ganz zu schweigen - sicherstellen soll. Mit dieser Kampagne sind Sie der Werbestar jeder Schlepperorganisation vom Westbalkan bis zum Hindukusch, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.) Solange die ÖVP diese Bundesregierung führt, werden diese Schnapsideen Gott sei Dank nie umgesetzt werden. Wir sind der Garant, dass die österreichische Staatsbürgerschaft das bleibt, was sie ist, das exklusive Recht aller Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, welche bereit sind, ihre Leistung zu bringen und sich zu unseren österreichischen Rechten und Pflichten zu bekennen. Dafür steht die ÖVP, nicht mehr und nicht weniger. Ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP.) Präsident Ernst Woller: Das war jetzt eine Redezeit von elf Minuten. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abg. Deutsch. Ich erteile es ihm. Abg. Christian Deutsch (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Verlangen der ÖVP, wie Sie gemeint haben, ein klares Nein zum Wiener Weg der SPÖ in der Integration, ist ein klares Nein zum Wiener Weg des Miteinanders. Es ist aber auch ein klares Signal für jene Menschen, die zu arm für einen Pass sind, dass Sie damit ausdrücken: Wir wollen euch hier nicht! Und damit richten Sie Menschen aus, die nicht in der Lage sind, genug Bares aufzuweisen, dass sie es nicht wert sind, dass sie unerwünscht sind, wenn Sie gleichzeitig ergänzen: keine Entwertung der Staatsbürgerschaft. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage ganz klar, damit es hier auch kein Missverständnis gibt: Unsere Position als Partei ist eine ganz klare, nämlich Integration vor Zuzug. Es ist selbstverständlich, dass nicht jeder kommen kann, der gerne kommen möchte, aber jene, die hier sind, sollen auch ordentlich und gleich behandelt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist, so meine ich, selbstverständlich. (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Es hat insbesondere der Redebeitrag des Kollegen Taborsky gezeigt - ich musste nachsehen, in welcher Fraktion er eigentlich tätig ist, aber er hat offensichtlich für die ÖVP gesprochen -: Die ÖVP hat hier keinen Plan, agiert völlig planlos, legt keine Lösungen auf den Tisch. Warum auch? Sie fühlen sich ja sonst auch Ihrer Geschäftsgrundlage entzogen. Gerade den Vorwurf des Rassismus haben Sie mit Ihrem Eingangsstatement auch bedient, Herr Taborsky. (Beifall bei SPÖ, NEOS und GRÜNEN.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, was dieses Verlangen aber auf jeden Fall ist, es ist nach dem ja immer selben Muster der ÖVP. Ich verstehe Kollegin Sachslehner schon, dass sie versucht, von dem Debakel der ÖVP, von dieser Regierungsperformance abzulenken, von einer Regierung, der 77 Prozent der Bevölkerung bereits das Misstrauen aussprechen. Sie will durch dieses Verlangen von der Teuerung ablenken (Abg. Dr. Markus Wölbitsch- Milan, MIM: Ja, in Wien! Richtig!), nämlich dass Sie hier keine Vorschläge für die Bevölkerung auf den Tisch legen, obwohl die Bevölkerung von einer hohen Inflation getroffen ist und unter exorbitanten Preisen leidet. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Waren Sie letzte Woche auf Urlaub?) Und die Regierung, die Sie anführen, ist im Schlafwagen unterwegs, statt endlich eine echte und sofortige Teuerungsbremse zu ziehen. Es ist aber in ihrer Verzweiflung auch ein Ablenken von den Korruptionsskandalen der ÖVP. Ich verstehe es ja eh aus Ihrer Sicht. In der Verzweiflung, von den Korruptionsproblemen und der eigenen Partei abzulenken, flüchtet man dann immer wieder in diese Debatte. (Abg. Mag. Josef Taucher: Der neue Stil!) Also immer, wenn die ÖVP das Thema Migration oder Staatsbürgerschaft in den Mund nimmt, weiß man, dass ein neues Korruptionsproblem am Auftauchen ist. (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Und Sie wollen von der desaströsen Performance der Bundesregierung ablenken. Es ist ja in der Tat die chaotischste, instabilste und handlungsunfähigste Regierung der Zweiten Republik, mit einer Liste von Vorwürfen, Skandalen und Verfahren gegen hochrangige Türkise und die ÖVP. Nicht zuletzt hat auch der Rechnungshof den Rechenschaftsbericht, der für 2019 abgegeben wurde, zerpflückt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, weil heute auch so viel von Verdienen und von Leistung die Rede war: Ja, es ist an der Zeit, Respekt und Anerkennung auch für jene einzufordern, die unser Land während der Corona- Krise am Laufen gehalten haben. Wir wissen - und es ist mehrfach von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern auch angesprochen worden -, dass Einbürgerung meist am Geld scheitert. Aber diese Menschen, die in der Pandemie Pflegeheime, Supermärkte, Krankenhäuser geführt haben, alles gegeben haben, sollen auch die Möglichkeit haben dazuzugehören, als Anerkennung nämlich auch als Teil dieses Landes zu gelten. Sie haben bereits Großartiges für Österreich geleistet, und daher ist es grundfalsch, wenn die ÖVP das Trennende in den Vordergrund stellt und sogar von einer Entwertung der Staatsbürgerschaft spricht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kollege Wölbitsch, der den Antrag begründet hat, hat auch keinen einzigen Vorschlag auf den Tisch gelegt. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Was? Das habe ich ja gemacht!) Er hat keinen Vorschlag auf den Tisch gelegt, er agiert planlos (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Ich war gar nicht planlos!) und hat ein Mal mehr gezeigt, dass die ÖVP in Wahrheit kein Interesse an einem gelungenen Integrationsprozess hat. Sie hat kein Interesse, dass es einen einfacheren Zugang zur Staatsbürgerschaft geben soll, sonst würde sie im Umkehrschluss ja auch nicht gut integrierte Kinder abschieben. Ich erinnere an den 28. Jänner 2021, als die zwölfjährige Tina und ihre fünfjährige Schwester nach Georgien abgeschoben wurden. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Sie kennen aber schon die Gewaltentrennung!) Sie wissen es, es war eine Abschiebung, die von massiven Protesten von Menschenrechtsorganisationen und auch der Opposition begleitet war. Hier wurden gut integrierte Kinder abgeschoben. (Beifall bei der SPÖ. - Abg. Mag. Caroline Hungerländer: Das war eine rechtsstaatliche Entscheidung! - Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Sie kennen schon die Gewaltentrennung!) Ja, ich verstehe ja Ihre Aufregung, weil es ein Widerspruch zu Ihrer Argumentation ist. Und es tut Ihnen natürlich weh, dass der verantwortliche Innenminister Nehammer war, der heutige Bundeskanzler. Das Bundesverwaltungsgericht - und jetzt kommen wir zum Schluss - hat diese Abschiebung auch als rechtswidrig bezeichnet. Es war also ein eklatantes Versagen des damaligen Innenministers, des heutigen Bundeskanzlers, der gut integrierte Kinder abschiebt, weil sie leichter zu fassen sind als so mancher Kriminelle. Diese Kinder kann man aus der Schule oder von zu Hause in der Nacht abholen, ansonsten haben Sie keinen Plan. (Beifall bei der SPÖ.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, es herrscht hier offensichtlich eine irrationale Angst. Ich habe in mehreren Beiträgen auch vernommen, dass mit der Staatbürgerschaft Menschen auch das Wahlrecht erhalten. Gerade die von Ihnen zitierte Studie, die Sie in einem anderen Zusammenhang verwenden, sagt ja umgekehrt, dass der Erwerb des Wahlrechts als Grund für die Beantragung der Staatbürgerschaft nicht erstrangig genannt wird. (Abg. Mag. Caroline Hungerländer: Na eh!) Ich frage mich also, wovor Sie sich fürchten. Aber den Vogel, finde ich, hat ja Kollege Wölbitsch gestern in seinem Pressegespräch abgeschossen. Sie waren ja auch dabei, Frau Hungerländer, Sie wissen es. Er hat den Vogel abgeschossen, als er gesagt hat: Eine Vereinfachung des Staatbürgerschaftsrechts würde nur die Migrationswelle antreiben. Also ich muss Ihnen sagen, so etwas Dummes habe ich in meinem Leben noch nicht gehört! (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Sie werden doch nicht annehmen, dass Menschen flüchten, die gefährliche Fahrt über das Meer auf sich nehmen, hunderte ertrinken, weil es um die österreichische Staatsbürgerschaft geht? (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Ja! Weil man ihnen etwas vorspielt, was man nicht halten kann!) Denken Sie doch bitte einmal nach, bevor Sie reden. (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Sie haben offensichtlich von Krieg, Hungersnot und Verfolgung noch nichts gehört. In welcher Welt leben Sie eigentlich? (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Das frage ich mich auch!) Von einer leichtfertigen Vergabe der Staatsbürgerschaft kann ebenso keine Rede sein. (Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Sie leben in einer SPÖ-Blase! Der schlechteste Generalsekretär aller Zeiten!) Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass die MA 35 zu reformieren ist, und der zuständige Stadtrat Wiederkehr hat ja die Reformen auch bereits eingeleitet. Lange Wartezeiten, hohe Einkommenshürden und Gebühren behindern die soziale Integration. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme daher auf den Punkt: Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht produziert täglich Fremde im Land. Es ist restriktiv, kompliziert, bürokratisch und vor allem kostenintensiv, und Menschen mit geringem Einkommen sind massiv belastet und letztendlich ausgeschlossen. Das ist das, was Sie offensichtlich unter gelungenem Integrationsprozess verstehen. Daher gilt es, Chancengleichheit zu fördern, Hürden abzubauen und auch die Demokratie zu stärken. Dafür legen wir im Unterschied zu Ihnen auch konkrete Vorschläge auf den Tisch, denn ein Demokratiedefizit ist nicht vermeintlich, sondern offenkundig, wenn etwa jedes fünfte Neugeborene in Österreich keine österreichische Staatsbürgerschaft erhält. Lassen Sie mich vielleicht kurz aus einem Leitartikel der Chefredakteurin Kathrin Gulnerits von "News" zitieren, die das sehr gut auf den Punkt gebracht hat und auch beschreibt, in welcher Situation sich die ÖVP befindet. Ich zitiere, sie schreibt: "Würden sie doch einfach ein anderes Wahlverhalten an den Tag legen. Ja, dann wäre vielleicht alles anders. Dieses ganze Gefasel vom ‚hohen Gut' und der ‚Integration durch Leistung', das zynische Zündeln mit Sätzen wie ‚eine Staatsbürgerschaft muss man sich verdienen' und die ewige Schwarzmalerei von drohenden Masseneinbürgerungen, die ein Staatsbürgerschaftsautomatismus auslösen würden - all das könnten wir uns dieser Tage einmal mehr ersparen. Aber nein, ein einfacher Zugang würde wohl der ÖVP keine neuen Wählerinnen und Wähler bringen. Also Ende der Diskussion." - Ende des Zitats. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann sagen Sie, worum es geht. Dann brauchen Sie nicht irgendwelche Ausflüchte verwenden, sondern sagen Sie, dass die Unberechenbarkeit der neuen Wählerinnen und Wähler, ob sie wohl die ÖVP wählen würden, Grund genug ist, hier kein neues, modernes Staatsbürgerschaftsrecht umzusetzen. So muss es auch um 1900 gewesen sein, als es um das Frauenwahlrecht gegangen ist. Und so muss es offenbar auch vor einigen Jahrzehnten gewesen sein, als es um die Wahlaltersenkung gegangen ist. Es ist die Angst vor der Unberechenbarkeit des Wählers, der neuen Wählerin. Die Menschen stehen jedenfalls bei Ihnen nicht im Mittelpunkt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme daher zum Schluss und fasse zusammen: Wir brauchen ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht, weil wir Integration eben ernst nehmen. Wenn Sie nach dem derzeitigen Gesetz verfahren, dann schaffen Sie in Wirklichkeit Menschen zweiter Klasse. Dann sorgen Sie dafür - und dafür sind Sie mitverantwortlich -, dass Parallelgesellschaften, die Sie kritisieren, überhaupt entstehen, weil Sie Menschen zweiter Klasse schaffen. (Heiterkeit bei Abg. Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc. - Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Wer hat das Gesetz beschlossen? Ihr wart in der Bundesregierung!) Dieses Gesetz ist also nicht mehr zeitgemäß. Es soll an westeuropäische Standards mit Rechten und Pflichten angepasst werden. Wir wollen Zugehörigkeit ermöglichen und damit auch die Identifikation mit Österreich stärken, gerade auch bei Kindern. Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Präsident Ernst Woller: Das war jetzt eine Redezeit von zwölf Minuten. Frau Abg. Hungerlänger hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. Ich erteile ihr das Wort. Abg. Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP): Danke schön. Um diese intellektuelle Sternstunde abzuschließen: (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Herr Kollege, Sie sind Bundespolitiker, Sie sollten es eigentlich wissen: Wir leben in einem Rechtsstaat. Es gibt so etwas wie rechtsstaatliche Abläufe. Das scheint Ihnen unbekannt zu sein. Eine Partei schiebt überhaupt niemanden ab, es schiebt auch der Innenminister ad personam niemanden ab, es schiebt auch die Regierung niemanden ab, sondern es handelte sich um rechtsstaatliche Verfahren, die sich über viele, viele, viele Jahre gezogen haben. Diese sind zu einem rechtlichen Abschluss gekommen, und die Polizei hat das exekutiert, was der Rechtsstaat auf Basis der Gesetze beschlossen hat. Wir halten es für äußerst gefährlich, die eigene Moral über das Gesetz zu stellen, wie Sie das offensichtlich gerne tun. (Beifall bei der ÖVP.) Präsident Ernst Woller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Öztas. Ich erteile ihm das Wort. (Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc: O je, jetzt kommt wieder die Moral!) Abg. Ömer Öztas (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich kurz auf das replizieren, was die SPÖ vorhin zu den schärferen Abschiebegesetzen gesagt hat. Ich kann Sie daran erinnern, dass Sie das damals im Nationalrat mitbeschlossen haben. Die SPÖ hat dafür gestimmt. (Beifall bei GRÜNEN und ÖVP.) Jetzt stellen Sie sich her und sagen, das geht nicht, das ist unpackbar. Ich würde mich da selbst an der eigenen Nase nehmen. (Beifall bei den GRÜNEN. - Abg. Mag. Josef Taucher: Ihr sitzt mit denen in der Regierung! Was ist mit den Kindern von Moria? Was ist mit euch?!) - Herr Abgeordneter, Sie können sich gerne hier herstellen, wenn Sie noch eine Wortmeldung haben. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) - Darf ich weiterreden? Ich werde jetzt zu meiner regulären Rede gehen. Ich habe mich jetzt zu Wort gemeldet, weil ich das, was die FPÖ und die ÖVP gesagt haben, nicht so stehen lassen kann. Ich möchte Sie gerne auf den Boden der Realität zurückholen, indem ich Ihnen einige Beispiele aus Lebensrealitäten nenne, die Ihnen vielleicht etwas bedeuten. Es sind Lebensgeschichten von Wienerinnen und Wienern, die hier leben und hier aufgewachsen sind. Ein Beispiel ist die Lebensgeschichte von David. David ist 21 Jahre alt, er ist in Wien geboren und aufgewachsen, hat hier seine Matura mit Erfolg abgeschlossen und studiert gerade Pädagogik. David hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Kindern in der Schule Deutsch beizubringen, weil er diese Sprache perfekt beherrscht. David zahlt Steuern, er wacht in Wien auf und geht auch in Wien schlafen. Sein ganzes Leben dreht sich um Wien, er hat Freunde hier, er hat Familie hier. Das einzige Problem, das David hat, ist, er zählt zu den 72.000 Jugendlichen, die hier in Wien leben und geboren sind, aber nicht wählen dürfen, obwohl sie genauso ein Teil dieser Gesellschaft sind (Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Warum beantragt er nicht die Staatsbürgerschaft?), wie Sie es sind, Herr Abgeordneter, und es auch ich bin. David kennt das Herkunftsland seiner Eltern nur aus Geschichten und Erzählungen und wenn er dort auf Urlaub ist. Sonst hat er nichts damit zu tun. Lassen Sie mich Ihnen ein anderes Beispiel, eine andere Geschichte geben, das Beispiel von Enes. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Enes ist 18 Jahre alt und hat nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, weil sein Vater damals entschieden hat, dass seine Kinder diese nicht bekommen sollen. Kann Enes etwas dafür? - Nein. Was erwartet der Staat aber von Enes? - Der Staat erwartet, dass Enes in dem Alter, also mit 18 Jahren bereits ein fixes Einkommen haben soll, 1.000 EUR an Gebühren auf den Tisch legen soll und Nachweise erbringen soll, die er eigentlich durch die Schule hat, aber erbringen muss. (Abg. Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Ihr seid ja in der Bundesregierung! Macht das mit der ÖVP gemeinsam!) Lassen Sie mich Ihnen ein drittes Beispiel nennen, sehr geehrte Damen und Herren, ein sehr persönliches Beispiel. Ich habe hier den Pass meines Opas mitgenommen. (Der Redner hält einen Reisepass in die Höhe.) Er war türkischer Staatsbürger, nicht, weil ihm Österreich nichts bedeutet hat. Er war seit den 60er, 70er Jahren hier. Er ist als Gastarbeiter hergekommen und hat viel für dieses Land gemacht. Er hat Tag und Nach geschuftet und mitgeholfen, Österreich zu dem zu machen, was es jetzt ist. (Abg. Wolfgang Irschik: Mein Vater auch!) - Herzlichen Glückwünsch. (Abg. Wolfgang Irschik: Mein Vater auch! Gut! Gut!) Er war schon Wiener, sehr geehrter Herr Abgeordneter, bevor vielleicht die Hälfte Ihrer Fraktion überhaupt geboren wurde, aber er hatte nicht die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen. Nicht, weil ihm Österreich wurscht war oder er sich nicht als Teil dieser Gesellschaft gesehen hat, sondern weil ihm niemand kostenlose Deutschkurse angeboten hat. Die gab es ja früher nicht einmal. Ihn hat niemand über seine Rechte als Fabrikarbeiter aufgeklärt, entweder hat er gemacht oder er wurde gekündigt. Ihn hat niemand über Grundkenntnisse des politischen Systems aufgeklärt, weil man dachte, er ist eh Gastarbeiter, er geht eh bald. Das sind Menschen, sehr geehrte Damen und Herren, die diese Gesellschaft und diese wunderschöne Stadt zu dem gemacht haben, was sie jetzt ist. Das ist keine Entwertung der Staatsbürgerschaft, wenn wir eben diesen Menschen, jenen, die anderen Menschen Deutsch beibringen, jenen, die nichts dafür können, dass ihre Eltern in der Vergangenheit Fehlentscheidungen getroffen haben, und jenen, wie meinem Großvater, der dieses Land aufgebaut hat, die Staatsbürgerschaft geben. Das ist keine Belastung für Österreich! (Beifall bei den GRÜNEN.) Was in meinen Augen aber eine riesengroße Belastung für dieses Land ist, sind 40 Jahre ÖVP in Bundesregierungen, sind 40 Jahre sture Haltung bei dem Thema. (Ruf bei der FPÖ: Ihr sitzt ja mit ihnen in der Regierung!) Diese Menschen haben wahrscheinlich mehr in ihrem Leben geleistet, sehr geehrte Damen und Herren, als die ÖVP in 40 Jahren in der Bundesregierung jemals geleistet hat. (Zwischenruf von Abg. Dr. Markus Wölbitsch- Milan, MIM.) Ich verstehe auch Ihre Haltung nicht. Ist es der Geiz? Wollen Sie den Menschen deshalb nicht die Staatsbürgerschaft geben? Haben Sie Angst, dass Ihre dadurch weggeht? Ihnen nimmt niemand etwas weg, Herr Abgeordneter! Ich denke, das ist eine richtig große Neiddebatte, die hier geführt wird, dass anderen etwas nicht vergönnt wird, was sie sich erarbeitet haben, aber einem durch die Geburt gegeben ist. Es ist eine Selbstverständlichkeit, die ich haben darf, aber die andere nicht haben sollen. Herr Taborsky, Sie haben vorhin in Ihrer Rede erwähnt, dass Sozialbetrug in Österreich ein sehr großes Problem ist. Ich stimme Ihnen bei diesem Punkt sogar zu, Sozialbetrug ist ein großes Problem, besonders wenn die ÖVP vom Non-Profit-Organisations-Topf, sei es die JVP oder der Seniorenbund, Geld schöpft, dann ist das Sozialbetrug, sehr geehrte Damen und Herren. (Abg. Mag. Josef Taucher: Das Beste aus beiden Welten! - Zwischenrufe bei der ÖVP.) - Sie können sich gerne zu Wort melden. Ich wollte mich eigentlich nicht melden, aber ich sage Ihnen: Ihre Redebeiträge haben mir so einen Hals gegeben, weil es eine Respektlosigkeit und Verhöhnung gegenüber solchen Menschen ist. Danke schön. (Beifall bei den GRÜNEN.) Präsident Ernst Woller: Das waren fünf Minuten Redezeit. Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. Ich komme nun zur Abstimmung über sechs Beschluss- und Resolutionsanträge und ersuche um entsprechende Anwesenheit und Aufmerksamkeit. Antrag 1, eingebracht von den GRÜNEN, betreffend antragstellerInnenfreundliches Ausschöpfen des Ermessensspielraumes in Staatsbürgerschaftsverfahren. Es wird der Antrag auf sofortige Abstimmung gestellt. Ich ersuche daher alle Damen und Herren des Landtages, die diesem Antrag eine Zustimmung geben, um ein Zeichen mit der Hand. - Das sind nur die GRÜNEN, daher abgelehnt. Wir kommen zum Beschlussantrag der FPÖ-Landtagsabgeordneten betreffend keine Aufweichung des Staatsbürgerschaftsrechts. Antrag Nummer 2, eingebracht von der FPÖ. Die sofortige Abstimmung ist verlangt. Wer dafür ist, bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. - Das sind nur die FPÖ und der fraktionsunabhängige Abgeordnete, gegen alle anderen Fraktionen, daher abgelehnt. Antrag 3, eingebracht von der Wiener Volkspartei, betreffend keine Entwertung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Die sofortige Abstimmung wird verlangt. Wer dafür ist, bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. - Das ist nur die ÖVP, daher abgelehnt. Antrag 4, eingebracht von der FPÖ, betreffend Asylpolitik verschärfen. Wer dafür ist, bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. - Das sind die FPÖ und der fraktionslose Abgeordnete. Das ist die Minderheit, der Antrag ist damit abgelehnt. Antrag 5, eingebracht von der FPÖ, betreffend keine Erhöhung der Leistungen in der Grundversorgung. Die sofortige Abstimmung wird verlangt. Abstimmung. - Nur durch die FPÖ und den fraktionslosen Abgeordneten unterstützt, daher abgelehnt. Antrag 6, eingebracht von den GRÜNEN, betreffend gebührenfreie StaatsbürgerInnenschaft. Wer dafür ist, bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. - Das sind nur die GRÜNEN, daher abgelehnt. Damit sind alle Beschluss- und Resolutionsantrage behandelt. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung ist erledigt. Die nächste Sitzung findet am Donnerstag, dem 23.Juni, um 9. Uhr statt. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss um 12.43 Uhr.) Landtag, 21. WP 21. Juni 2022 13. Sitzung / 3 Landtag, 21. WP 21. Juni 2022 13. Sitzung / 2 Landtag, 21. WP 21. Juni 2022 13. Sitzung / 35