Wiener Landtag 20. Wahlperiode 51. Sitzung vom 10. November 2020 Wörtliches Protokoll Inhaltsverzeichnis 1. Begrüßung und Eröffnungsrede von Präsident Ernst Woller S. 3 2. Ansprache von Lhptm Dr. Michael Ludwig S. 4 3. Festansprache von Vorsitzender des Universitätsrats Dr. Eva Nowotny S. 6 4. Schlussrede vom Ersten Präsidenten des Wiener Landtages Ernst Woller S. 8 (Beginn um 11.09 Uhr.) (Das Septett in Es-Dur, op. 20, 3. Satz von Ludwig van Beethoven wird gespielt.) (Allgemeiner Beifall.) Präsident Ernst Woller: Sehr geehrte Damen und Herren! "Der 10. November 1920 ist ein denkwürdiger Tag in der Geschichte der Stadt Wien.", sagte Robert Danneberg, der Wegbereiter der Wiener Stadtverfassung und Erster Landtagspräsident in den Jahren 1920 bis 1932. Tatsächlich feiert Wien heute ein besonderes Jubiläum. Genau heute vor 100 Jahren fand im Wiener Rathaus die erste Sitzung des Wiener Landtages statt. Nach dem Zerfall der Habsburger Monarchie und der Gründung der Ersten Republik am 12. November 1918 wurde die neue Republik Österreich demokratisch neu geordnet. Wien war bis 1920 jahrhundertelang Teil von Niederösterreich, und dieses gemeinsame Bundesland Niederösterreich-Wien war in der neuen, relativ kleinen Republik Österreich ein sehr dominanter Teil. Mehr als 54 Prozent der Menschen Österreichs lebten damals in Niederösterreich inklusive Wien. So war es insbesondere der Wunsch der anderen Bundesländer, das zu ändern. 1920 kam es zur Trennung von Wien und Niederösterreich, und Wien wurde eigenständiges Bundesland. Am 10. November 1920 trat der Wiener Gemeinderat im Wiener Rathaus erstmals als Wiener Landtag zusammen, und unter dem Vorsitz von Robert Danneberg wurde die Wiener Stadtverfassung beschlossen, die in den Grundzügen noch heute genauso gültig ist. Der Wiener Bürgermeister amtiert seit diesem Zeitpunkt auch als Wiener Landeshauptmann, die Stadträtinnen und Stadträte agieren als Wiener Landesregierung, die Abgeordneten des Gemeinderates sind auch Abgeordnete des Wiener Landtages. In der Folge wurde auch im Niederösterreichischen Landtag ein gleichlautender Beschluss gefasst. Damit wurden die politischen Voraussetzungen geschaffen, dass der Wiener Landtag eigenständig Politik machen konnte, eigenständig Gesetze beschließen konnte. Von den vielen Gesetzen erwähne ich nur eines, weil es eines der ersten und wahrscheinlich auch prägendsten war, nämlich das von Robert Danneberg und Hugo Breitner gemeinsam initiierte Wohnbaugesetz, die Wiener Wohnbausteuer, die das wirklich großartige Programm des sozialen Wohnbaus ermöglicht und finanziert hat. In der Folge wurden im Wiener Landtag viele gesetzliche Voraussetzungen für die Entwicklung Wiens in der Ersten Republik geschaffen, die letztlich als das Erfolgsmodell des Roten Wiens in die Geschichte eingegangen sind. Im Wiener Landtag wurde und wird damit Wien gemacht. Hier werden seit 100 Jahren jene Gesetze beschlossen, die Wien letztendlich zur lebenswertesten Stadt der Welt gemacht haben. Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union haben die Bundesländer - und damit auch die Landtage - zusätzliche wichtige Aufgaben übernommen. Es geht darum, dass bei einer fortschreitenden Entwicklung der europäischen Integration ein Europa der Städte und Regionen bewahrt wird, dass dieses Europa der Städte und Regionen auch gelebt wird und damit die Europäische Union näher an die Bürger und Bürgerinnen unserer Länder gebracht werden kann. Die Landtage erfüllen im Sinne des Föderalismus und der Subsidiarität eine sehr wichtige Aufgabe im politischen System der Europäischen Union, insgesamt agiert aber der Wiener Landtag hauptsächlich im Interesse der Wienerinnen und Wiener und schafft die Voraussetzungen für die so positive Entwicklung unserer Stadt. Wie bedeutend eine starke Demokratie in unserer Gesellschaft ist, ist uns auf Grund der schrecklichen Ereignisse der vergangenen Tage schmerzhaft bewusst geworden. Im Kampf gegen Hass und Terror bedarf es einer Gesellschaft, die über alle Partei- und Religionsgrenzen zusammenhält und es bedarf eines politischen Systems, das Sicherheit und Frieden garantiert. Der Wiener Landtag und dessen 100 Abgeordnete leisten dazu seit 100 Jahren einen wichtigen Beitrag. In diesem Bewusstsein haben wir uns auch entschlossen, dass wir heute zu diesem Festakt zusammenkommen, bedingt durch die Pandemiebestimmungen in sehr kleinem Kreis. Ich darf Sie, sehr geehrte Damen und Herren, damit noch einmal herzlich zu unserer Festveranstaltung begrüßen, insbesondere begrüße ich auch jene, die unserem Festakt via Livestream beiwohnen. Im Besonderen begrüße ich unseren Herrn Landeshauptmann Dr. Michael Ludwig und die Mitglieder der Wiener Landesregierung. Ich begrüße das Präsidium des Wiener Landtages, ich begrüße die Vorsitzenden des Gemeinderates und die Klubvorsitzenden aller im Gemeinderat vertretenen Parteien. Ich begrüße im Besonderen unsere Festrednerin und Vorsitzende des Universitätsrats der Universität Wien, Frau Botschafterin Eva Nowotny. Leider müssen wir unseren Herrn Bundespräsidenten, der gerne gekommen wäre, entschuldigen. Wir werden ihm auf diesem Weg auch die besten Genesungswünsche übermitteln. Als Vertreter des Landes Niederösterreich, auch in Vertretung der Frau Landeshauptfrau, begrüße ich Landtagspräsidenten Karl Wilfing und Landtagsdirektor Thomas Obernosterer. Für die Beamtenschaft begrüße ich Herrn Magistratsdirektor Erich Hechtner und Herrn Landtagsdirektor Günther Smutny. Ich darf mich an dieser Stelle auch für die vielfältigen Beiträge zu diesem Jubiläum bedanken, die die Abteilungen des Kulturressorts, die MA 7, die MA 8 und die MA 9, geleistet haben. Das Wissenschaftsreferat der MA 7 hat eine Wiener Vorlesung mit einem Gespräch mit Eva Nowotny und Erhard Busek aufgezeichnet, die heute Abend um 21 Uhr erstmals live gestreamt wird. Vielen Dank an unseren Wissenschaftsreferenten Daniel Löcker. Im Steinsaal, also im Vorzimmer des Stadtsenatssitzungssaals, sehen Sie eine vom Wiener Stadt- und Landesarchiv gestaltete Ausstellung, die in den kommenden drei Monaten auch im Vorraum des Gemeinderates für die Öffentlichkeit zugängig sein wird. Ich möchte da vor allem Barbara Steininger danken, die ich heute auch persönlich hier in unserer Mitte begrüßen darf. Die Wienbibliothek im Rathaus zeigt ab morgen eine sehenswerte Ausstellung über die Wiener Stadtverfassung und über die Trennung von Wien und Niederösterreich. Dazu ist ein neues Buch, ein Katalog über die hundertjährige Geschichte Wiens als Bundesland entstanden. Ich habe ihn heute in der Früh bekommen, er ist einfach großartig, vielen Dank an Anita Eichinger und Christian Mertens. Ich danke den Mitgliedern des Ensembles Saitenluft, sie alle sind Studierende und Absolventen der Musik- und Kunstuniversität Wien, für die musikalische Umrahmung unseres Festaktes mit den Sätzen 3 und 5 des Septetts in Es- Dur von Ludwig van Beethoven. Abschließend möchte ich noch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Büros, des Präsidialbüros, der Landtagskanzlei und auch der MA 34 für die Organisation der Veranstaltung danken. Ich danke auch den wenigen geladenen Vertreterinnen und Vertretern der Medien - wir haben auch hier eine Einschränkung machen müssen. Ich darf nun Dich, lieber Herr Landeshauptmann, ersuchen, das Wort zu ergreifen. (Allgemeiner Beifall.) Lhptm Dr. Michael Ludwig: Werte Mitglieder der Landesregierung und des Landtagspräsidiums! Werte Vorsitzende des Gemeinderates und Vorsitzende der politischen Fraktionen im Landtag! Ich freue mich sehr, Frau Botschafterin Eva Nowotny, dass Sie, dass Du heute den Festvortrag halten wirst, auf den ich mich schon ganz besonders freue. Es ist ein schönes Zeichen, dass die Landtagspräsidenten von Wien und Niederösterreich nicht nur eng zusammensitzen, sondern, wie ich weiß, auch freundschaftlich verbunden sind. Wir drei haben ja etwas gemeinsam: Wir haben alle einmal einen Teil unseres politischen Lebens im Bundesrat - der Länderkammer der Bundesgesetzgebung - verbracht und arbeiten, wie ich meine, auch insgesamt sehr gut zusammen. Deshalb freue ich mich auch sehr, dass Landtagspräsident Karl Wilfing bei uns ist und Landtagspräsident Ernst Woller für das Bundesland Wien. Ich möchte die Gelegenheit benützen, mich bei Dir nicht nur für die Ausrichtung der heutigen Festveranstaltung ganz herzlich zu bedanken, sondern auch für die vielen Aktivitäten, die damit verbunden sind und die auch die gesamte Geschichte unseres Bundeslandes, unserer Stadt Wien, der wir emotional sehr verbunden sind, wieder zurechtrücken. Viele in der Welt schauen immer ganz bewusst nach Wien, wenn es darum geht, Innovationen für andere Städte zu lernen und dazu sind wir als Land Wien, als Stadt Wien immer gerne bereit. Du hast die Veranstaltung heute so ausgerichtet, dass sie im kleinen Rahmen stattfindet, dass wir hier im Stadtsenatssitzungssaal mit Masken sitzen und dass wir mit Abstand sitzen. Ich betone immer, dass das kein sozialer Abstand ist, sondern ein räumlicher und dass wir in Wien trotz dieser Krise alles daran setzen, dass die Menschen emotional verbunden bleiben, durch Aktivitäten, durch eine andere Form der Kommunikation, die vielleicht stärker elektronisch läuft, bei der vielleicht der eine oder andere persönliche Kontakt auch in anderer Form abgewickelt wird, aber dass wir die Menschen nicht vergessen, die sonst vereinsamen. Es ist eine große Herausforderung, in der wir uns derzeit befinden. Du, lieber Landtagspräsident, hast darauf hingewiesen, dass der Terroranschlag, der uns ganz hart getroffen hat, die Bevölkerung sehr stark in ihrem Sicherheitsgefühl beeinträchtigt hat, dass wir leider in der Geschichte unserer Stadt immer wieder solche Ereignisse erleben mussten. Ich erwähne dies deshalb, weil ich heute wieder hier unter dem Bild von Maria Lassnig stehe, das Helmut Zilk darstellt und seine verletzte, seine zerstörte Hand in überdimensionaler Art und Weise präsentiert, diese Hand, die durch einen feigen Briefbombenanschlag zerstört worden ist. Was aber nicht zerstört worden ist, ist der Widerstand, den Helmut Zilk gegen jede Form von Terrorismus und Extremismus gesetzt hat. Es ist damit auch ein Symbol für unsere Stadt, dass wir uns in der Vergangenheit immer wieder bewusst gegen jede Form von Extremismus und Terrorismus zu Wehr gesetzt haben und das wird auch dieses Mal der Fall sein. Auch wenn das eine schwere Wunde in unsere Stadt geschlagen hat, werden wir auch mit dieser Situation, wie ich weiß, mit Solidarität und Gemeinsinn umgehen können. Wir befinden uns in einer starken Gesundheitskrise. Das zeigt der Umstand, dass wir heute mit Masken hier sitzen und nicht wie vorgesehen im Festsaal, und dass wir viele Menschen, die sich dafür interessiert hätten, an dieser Veranstaltung teilzunehmen, nicht begrüßen dürfen. Es ist fast erschreckend, wenn man auf die Entstehungsgeschichte des Bundeslandes Wien hinweist, dass auch damals vor ziemlich genau 100 Jahren eine furchtbare Epidemie, die sogenannte Spanische Grippe, gewütet hat. Es ist eigentlich sehr unfair, dass man diese Grippe immer mit Spanien in Verbindung bringt, denn Spanien war eines der wenigen Länder, das sehr schnell und sehr transparent über diese Krankheit, über diese Epidemie berichtet hat. Es war ein Virus, der in den USA entstanden und wahrscheinlich mit Militärtransporten nach Europa gebracht worden ist und hier ungeheuer gewütet hat. Schätzungen belaufen sich auf zwischen 20 und 50 Millionen Tote, die diese Spanische Grippe in insgesamt 3 Wellen verursacht hat, und es sind wahrscheinlich in etwa 500 Millionen Menschen weltweit von diesem Virus infiziert worden. Die Situation damals war deshalb noch viel schwerwiegender, weil sie sich an eine der großen Tragödien des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts angeschlossen hat: Dem Ersten Weltkrieg, der nicht nur Millionen Tote auf den Schlachtfeldern gefordert hat, sondern auch viele Tote in der Zivilbevölkerung, die von Hunger, Krankheiten und Unterernährung geprägt waren. Diese Umstände haben auch sehr oft zum Tod geführt. Um die Situation treffend zu beschreiben, möchte ich hier aus dem Roman von Karl Ziak zitieren, den er 1931 unter dem Titel "Heldenroman einer Stadt" publiziert hat. Wenn ich nur ein Zitat herausgreifen darf: "Der Körper verkümmert, der Magen schrumpft, die Muskeln erschlaffen, das Fett ist längst aufgezehrt. Die Widerstandskraft erlahmt. Menschen brechen auf der Straße zusammen. Menschen sterben Hungers. Eine Stadt stirbt. Auf tausend Todesfälle vierhundert Lebendgeburten." Das war die Situation 1918, 1919, 1920, in der Zeit, in der man darüber nachgedacht hat, wie man mit der Situation in der sterbenden Stadt Wien umgehen kann. Es ist den damals politisch Verantwortlichen bewusst geworden, dass es notwendig sein wird, eine Transformation durchzuführen, demokratische Strukturen zu schaffen - neue Verwaltungseinheiten, eine moderne Infrastruktur - und, wenn man so will, war die politische Karriere unserer Stadt mit einer besonders schwierigen Anfangssituation verbunden. Gerade weil die Wohnbaupolitik der Stadt Wien in der Ersten Republik angesprochen worden ist, die international große Anerkennung gefunden hat: Man darf nie vergessen, dass das deshalb notwendig war, weil die Wohnsituation davor noch in der Monarchie in Wien eine besonders triste, eine besonders schlechte war. Eine der Lungenkrankheiten hat man auch die Wiener Krankheit genannt, weil sie durch besonders dunkle, feuchte Wohnsituationen verursacht worden ist, durch Räume, die alles andere als gesund waren. Wenn am 1. Oktober die Bundesverfassung beschlossen worden und am 10. November in Kraft getreten ist, so war das auch der Beginn des eigenständigen Bundeslandes Wien, denn noch am selben Tag - am 10. November 1920 - ist die Wiener Stadtverfassung beschlossen worden. Landtagspräsident Woller hat zu Recht darauf hingewiesen, welch wichtiger Schritt in die Zukunft das war. Diese Emanzipation Wiens von Niederösterreich hat auch die Möglichkeit geschaffen, neue Wege zu gehen. Dieser Regierungswechsel und Neustart in der Stadtverfassung hat die Möglichkeit geboten, Inhalte auf den Weg zu bringen, aber auch Persönlichkeiten in politischer Verantwortung vorzufinden, die kraft ihres Amtes Innovationen eingeleitet haben, die bis heute beispielgebend sind. Wenn ich an Finanzstadtrat Hugo Breitner denke, an Gesundheitsstadtrat Julius Tandler, an den großen Schulreformer Otto Glöckel, aber auch an die Bürgermeister Jakob Reumann und Karl Seitz, die prägende Persönlichkeiten in der Ersten Republik waren, bis Karl Seitz dann im Februar 1934 hier in diesen Räumen im Wiener Rathaus aus politischen Gründen verhaftet wurde: Dieses Dreamteam hat Innovationen gesetzt, auf die wir heute noch stolz sein können. Viele Dinge, über die wir heute diskutieren, haben ihre Wurzeln auch in der damaligen Diskussion zur Stadtverfassung. Wenn ich an die nicht amtsführenden Stadträte denke, die ja Ergebnis dessen sind, dass Wien Bundesland und Stadt beziehungsweise Gemeinde ist und es nach dem Gemeindestatut ja auch vorgesehen ist, dass alle politischen Kräfte auf Grund des Wahlergebnisses ihren Niederschlag in einer Stadtregierung finden sollen: Es ist vielleicht ein typischer Wiener Kompromiss, dass man auf der einen Seite eine Trennung zwischen Regierung und Opposition vornimmt, aber trotzdem sicherstellt, dass alle politischen Parteien in einer Stadtregierung vertreten sind, dass die nicht amtsführenden Stadträtinnen und Stadträte die Möglichkeit haben, alle Akte einzusehen, an allen Abstimmungen teilzunehmen, am Entscheidungsprozess mitzuwirken und auch kontrollierend tätig zu sein. Ich erwähne das deshalb, weil diese Funktionen in der Öffentlichkeit immer sehr unpopulär dargestellt werden. Als Bürgermeister und Landeshauptmann könnte ich auch sagen, ich bin froh, wenn das abgeschafft wird, dann gibt es weniger Personen, weniger politische Funktionärinnen und Funktionäre, die mich kontrollieren. Wenn wir aber davon ausgehen, dass das Miteinander wichtig ist, gerade auch in einer Großstadt wie Wien, in einem Bundesland wie Wien, dann denke ich, macht es Sinn, auch die Opposition so stark einzubinden, dass sie sehr frühzeitig bei allen Entscheidungen mitwirken kann. Prinzipiell ist auch diese Entscheidung 1920 rund um die Beschlussfassung der Wiener Stadtverfassung getroffen worden. Dass dieses neue Wien ein ganz wichtiger, moderner, innovativer Schritt war - die Historiker nennen es immer das Rote Wien, die politisch Verantwortlichen damals haben eigentlich immer vom neuen Wien gesprochen, auch deshalb, weil sie durchaus viele ganz unterschiedliche politische Kräfte mitnehmen wollten, ein Stück des Weges mit den politisch Verantwortlichen zu gehen, und weil sie wussten, dass sie über die Parteigrenzen hinweg wirken müssen, um diese Innovationen durchzusetzen -, ist auch vom intellektuellen Wien sehr unterstützt worden. Es haben sich damals große und wichtige Persönlichkeiten, auf die wir heute noch stolz sind - die zum Teil auch Ehrenbürgerinnen und Ehrenbürger der Stadt Wien sind -, dazu bekannt und dieses Projekt unterstützt: von Sigmund Freud über Arthur Schnitzler und Karl Kraus bis Friedrich Torberg. Es war ein abruptes Ende dieser Erfolgsgeschichte in der Ersten Republik, hervorgerufen durch die globale Finanzkrise, durch eine große Depression, aber vor allem durch die Machtergreifung zweier Faschismen, die diese Erfolgsgeschichte brutal beendet haben. Das NS-Regime war sicher die schlimmste Zeit unseres Landes und unserer Stadt. Landtagspräsident Woller hat zu Recht auf die Ausstellung hingewiesen, die wir im Steinernen Saal sehen können und die von Barbara Steininger kuratiert worden ist. Ich möchte Sie, ich möchte Euch auf ein Bild ganz besonders aufmerksam machen: Es zeigt den Gemeinderats- beziehungsweise Landtagssitzungssaal in der NS-Zeit mit einem Hitlerbild, einer Hitlerbüste und den uniformierten NS-Schergen und auf der anderen Seite unter der Vorsitzführung des Landtagspräsidenten Hatzl, der 2008 die Betroffenen des NS-Regimes zu einer Fest- und Gedenksitzung eingeladen hat, bei der parteiübergreifend auch alle Vertriebenen- und Widerstandsorganisationen Gelegenheit gehabt haben, personell vertreten zu sein. Es war für viele dieser Menschen die letzte Möglichkeit, an einer offiziellen Kundgebung mitzuwirken. Die Shoah, das größte Menschheitsverbrechen, der Zweite Weltkrieg mit den Auswirkungen auf unsere Stadt, haben es erfordert, dass die politisch Verantwortlichen diese Stadt nach 1945 wieder aufgebaut haben, und zwar in großartiger Art und Weise. Wien ist zu einer toleranten, weltoffenen Stadt geworden, mit einem Sitz der Vereinten Nationen, dem einzigen Sitz der UNO in der Europäischen Union. Es war ein besonderes Verdienst von Bundeskanzler Bruno Kreisky, aber auch des damaligen Bürgermeisters Leopold Gratz, dass das gelungen ist und mittlerweile haben 40 internationale Organisationen ihren Sitz in unserer Stadt, im Bundesland Wien. Es sind viele Dinge geschaffen worden, die weltweit einmalig sind: Wenn ich an die Donauinsel denke, an den sehr schnellen Ausbau der U-Bahn und auch der Fußgängerzonen: Vieles davon ist mit dem Namen Helmut Zilk verbunden, der gerade im Kulturbereich vieles geleistet hat, mit dem Namen Michael Häupl, der Wien zur Umweltmusterstadt gemacht hat und vieles andere mehr. Kurz, um es auf den Punkt zu bringen: Sie haben Wien zur lebenswertesten Stadt gemacht. Von daher hat ein Satz an Bedeutung verloren, den der Satiriker Karl Farkas oft verwendet hat: "Wir Wiener blicken vertrauensvoll in unsere Vergangenheit." - Das ist zum Teil richtig, wir sind stolz auf Teile unserer Vergangenheit. Wir sehen manche Entwicklungen der Geschichte unserer Stadt, unseres Landes sehr kritisch, wir setzen uns auch intensiv mit der Geschichte unserer Stadt auseinander, aber wir sind auch stolz auf die Errungenschaften, wenn ich an die öffentliche Daseinsvorsorge denke und an all das, das uns von anderen, gesichtslosen Metropolen unterscheidet. Gerade jetzt in dieser Krise hat sich gezeigt, dass ein öffentlich finanziertes Gesundheitswesen von großer Bedeutung ist, dass wir aber auch neue Formen finden, mit der Wirtschaft zu kooperieren - ich denke an den Beteiligungsfonds "Stolz auf Wien" - und dass wir gerade Klein- und Mittelbetriebe sowie Ein-Personen-Unternehmen besonders unterstützen. Wir werden uns weiterhin mit der Vergangenheit, mit diesen 100 Jahren auseinandersetzen und mit der Gegenwart: Dass wir Wirtschaftsmotor in Österreich sind, mit 100 Milliarden EUR Bruttoregionalprodukt, dass wir mit Niederösterreich, aber auch mit allen anderen österreichischen Bundesländern ein gutes Einvernehmen pflegen, stolz darauf sind, dass wir in diese Gemeinschaft der Bundesländer eingebettet sind und gut zusammenarbeiten, dass wir eine offensive Stadtaußenpolitik betreiben und wichtiger Teil europäischer und internationaler Städtenetzwerke sind und auch gehört werden, wenn wir uns als Stadt, als Bundesland Wien melden. Wir haben guten Grund, mit Stolz auf diese 100 Jahre zurückzublicken, wir haben aber noch mehr Grund, sehr zuversichtlich und optimistisch in die Zukunft zu blicken. Diesen Weg gemeinsam zu gehen, dazu lade ich Sie, dazu lade ich Euch ganz herzlich ein. Glück auf! (Allgemeiner Beifall.) (Das Septett in Es-Dur, op. 20, 5. Satz von Ludwig van Beethoven wird gespielt.) (Allgemeiner Beifall.) Vorsitzende des Universitätsrats der Universität Wien Dr. Eva Nowotny: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass ich als Vorsitzende des Universitätsrats der Universität Wien eingeladen wurde, aus diesem besonders schönen Anlass hier ein paar Gedanken mit Ihnen zu teilen. Ich finde es sehr passend und sehr schön, dass die Universität Wien, die im Leben dieser Stadt wirtschaftlich, wissenschaftlich, aber auch sozial ein bedeutender Faktor ist, ihren Platz in dieser Festveranstaltung findet. Ich bin ein neugieriger Mensch und habe natürlich sofort einmal versucht, herauszufinden, wie sich diese Entscheidung in der Universität Wien widergespiegelt hat. Mit unserem Archivar, Herrn Dr. Maisel, haben wir nachgeschaut und es hat sich herausgestellt, dass das kaum einen Niederschlag gefunden hat. Es gab am 18. November 1920 eine Senatssitzung mit Rektor Alfons Dopsch. Der Rektor hat damals über die Lage berichtet und da ist auch über den Beschluss der Trennung Wiens von Niederösterreich berichtet worden. Es gab aber keine weitere Diskussion und keine weiteren Kommentare, bis auf die Tatsache, die mit einer gewissen Befriedigung festgestellt wurde, dass von nun an die Universität Wien nicht mehr nach Niederösterreich berichten würde, sondern einer eigenen Verwaltungseinheit, die damals dem Bundesministerium für Unterricht unterstanden ist. Wir erinnern in dieser Veranstaltung an die Gründung des Wiener Landtages, aber gleichzeitig treten wir damit auch in die Gründungsphase der Ersten Republik ein. Die Umstände dieser Zeit - der Herr Landeshauptmann hat darauf Bezug genommen - waren dramatisch. Es gab wirtschaftliche und politische Unsicherheit, Massenarmut, Arbeitslosigkeit, es hat die Spanische Grippe geherrscht und furchtbare Verheerungen angerichtet, es gab eine Unterversorgung der Bevölkerung mit allen Gütern des Lebens, dramatische Wohnungsnot, kurzum, ein Klima der Verzweiflung, Traumata, eine gewisse Hoffnungslosigkeit. Es ist bewundernswert, mit welchem Mut, mit welcher Weisheit, mit welcher Disziplin, mit welcher Weitsicht sich eine Gruppe von Leuten damals an die Neukonstruktion des Staates und damit auch der Stadt gemacht und diese Arbeit auf sich genommen hat. Die Diskussion über die Rechtsstellung Wiens beginnt nicht zu diesem Zeitpunkt, da gibt es schon eine lange Vorgeschichte. Das geht zurück bis ins 19. Jahrhundert, wobei zum Beispiel auch schon in den sozialdemokratischen Kommunalprogrammen der 1890er Jahre immer wieder die Forderung erhoben wurde, Wien möge eine reichsunmittelbare Stadt werden, also eine Reichsunmittelbarkeit erteilt bekommen. Interessant ist auch, dass in dieser Zeit andere große Städte Änderungen erfahren haben, was ihre Rechtsstellung im Gesamtstaat betrifft. Das betrifft zum Beispiel London, aber auch Berlin oder Basel haben ihre Stellung im Gesamtstaat neu geordnet und neu definiert. Der Wiener Gemeinderat konstituierte sich also am 10. November 1920 in seiner neuen Funktion als Landtag und stimmte der neuen Verfassung Wiens zu. Dass noch einiges zu diskutieren war und darüber gesprochen werden musste, zeigt allein die Tatsache, dass die Sitzung um 15 Uhr begonnen, aber bis spät in die Abendstunden gedauert hat. Das zeigt, dass noch wirkliche Diskussionen stattgefunden haben. Es ist ein ganz witziges Detail am Rande, dass die Drucksorten, die in dieser Sitzung verwendet wurden, noch aus der Zeit der Monarchie stammten und handschriftlich korrigiert werden mussten. Exemplare davon finden sich auch heute noch im Wiener Stadtarchiv. Worin liegt die Bedeutung dieser Trennung von Niederösterreich und des neuen Status als ein Bundesland? Es war auf der einen Seite die Voraussetzung für die wirtschaftlichen und sozialen Gestaltungsmöglichkeiten der Stadt, für autonome Entscheidungen über Steuern und Abgaben und eröffnete einen Handlungsspielraum in allen Bereichen der Kommunalpolitik, vor allem in der Wohnungs-, aber auch in der Sozial- und Bildungspolitik. Politisch von großer Bedeutung war die Entsendung von eigenen Vertretern und eigenen Mandataren in den Bundesrat, wo man eben auf diesem Weg auch auf die Gestaltung der Politik im größeren, gesamtstaatlichen Rahmen Einfluss nehmen konnte. In den nächsten Jahren, in unmittelbarer Folge dieser grundlegenden Entscheidung wurden in Wien zum Beispiel 60.000 neue Wohnungen gebaut, eine Maßnahme von ungeheurer Bedeutung, wenn man - der Herr Landeshauptmann hat darauf hingewiesen - davon ausgeht, dass um die Jahrhundertwende noch ein guter Teil der Wiener Bevölkerung eigentlich unterirdisch gelebt hat, in Keller- und Souterrainwohnungen und unter Bedingungen, die wirklich schwere Beeinträchtigungen für die Gesundheit bedeutet haben. Ich selbst habe eine enge Beziehung zu diesen Programmen: Meine Großmutter hatte eine Wohnung im sogenannten Metzleinstaler Hof, das war einer der ersten großen Gemeindebauten, die in der Zeit von Reumann gebaut wurden, nebenan der Reumannhof. Die Großzügigkeit dieser Wohnanlagen, die ja bis heute gegeben ist, mit den großen, begrünten Innenhöfen und den ganzen Infrastruktureinrichtungen, die zur Verfügung standen - die großen Waschküchenanlagen, die Badeanlagen, die Stadtbibliothek, und so weiter: Das hat damals schon Sensationswirkung gehabt. Eng verknüpft mit dieser Neuordnung der Situation Wiens war natürlich auch die Entwicklung der Bundesverfassung. Der Name Danneberg ist schon gefallen, er war mit Kelsen eng befreundet, und das Zusammenspiel zwischen diesen beiden Persönlichkeiten hat sowohl auf der Bundesebene als auch für die Stadt große Bedeutung gehabt. Es gab daneben auch große Persönlichkeiten, die diesen Prozess der Neugestaltung getragen haben: Viktor Reumann selbst, Robert Danneberg, Hugo Breitner, Otto Glöckel, nicht zu vergessen Julius Tandler, der als Arzt für das gesamte Gesundheits- und Hygienewesen Wiens verantwortlich war. Wie nachhaltig diese Atmosphäre die Menschen, die daran mitgearbeitet haben, beeinflusst hat, zeigt eine Äußerung von Hugo Breitner, der Österreich verlassen musste und nachher in die USA geflohen ist, und der am 3. Dezember 1943 noch aus seinem kalifornischen Exil schreibt, wie wunderbar diese Erfahrung war, in diesem Kreis ungewöhnlicher, hochstehender Menschen an diesen Projekten und an diesen Programmen mitarbeiten zu dürfen. Ich habe mir in diesem Zusammenhang einen Ausschnitt aus der Antrittsrede vom Bürgermeister Seitz vom 13. November 1923 herausgesucht, den ich Ihnen gerne vorlesen möchte. Ich zitiere: "Wenn man nicht selten die Ansicht vertreten hört, dass Wiens Größe begründet war in seiner Eigenschaft als Sitz eines kaiserlichen Hofes, einer Zentralstelle der Behörden und der Militärgewalt eines großen Staates, so hat die Entwicklung der letzten fünf Jahre gezeigt, dass Wien auch aus eigener Kraft bestehen kann, durch seine große leistungsfähige Industrie, durch das rege und feine Gewerbe, durch seinen blühenden Handel. In jahrhundertelanger Entwicklung ist Wien das geworden, was es heute ist und immer bleiben wird, das Verbindungstor des Westens Europas zum Osten. Unsere Stadt wird aber nicht nur bestehen als ein Wirtschaftszentrum, sondern auch als eine der ersten und ehrwürdigsten Stätten europäischer Kultur und Zivilisation." - Zitat Ende. Viel von dem gilt bis heute, und die Errungenschaften dieser Jahre begleiten uns bis heute. Wenn wir darauf stolz sind, dass Wien als Stadt jetzt zehn Jahre hindurch im sogenannten Mercer-Ranking immer als lebenswerteste Stadt der Welt an erster Stelle gereiht wurde, wenn wir stolz darauf sind, dass internationale Delegationen kommen, um in Wien sozialen Wohnbau oder Kommunalpolitik zu studieren, so sind wir stolz auf Dinge, die in diesen Jahren der Neugründung erarbeitet wurden und wofür in diesen Jahren der Grundstein gelegt wurde. Wir sind jetzt am Beginn des 21. Jahrhunderts und trotz dieser historischen Stränge, die bis heute weiterwirken, hat sich die Situation natürlich grundsätzlich verändert. Wien ist heute die fünftgrößte Stadt Europas, entspricht in allen Aspekten den sogenannten drei Ws - Wohlfahrt, Wohlstand, Wohlbefinden in der Stadt - und ist für die neuen Herausforderungen und für die Anforderungen gut gerüstet, die sich für große Städte stellen. Das ist eigentlich das Thema unserer Tage. 3,9 Milliarden Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren, leben weltweit in Städten. Bis 2050 werden weitere 2,5 Milliarden Menschen prognostiziert, das sind 70 Prozent der Weltbevölkerung, die im urbanen Raum leben. Wien ist Gott sei Dank nicht ein Spieler in dieser ganz großen Liga und ich glaube, Sie werden mir zustimmen, dass der Charme von Wien eigentlich darin liegt, dass wir uns in einer bedeutenden internationalen Stadt befinden, die sich aber trotzdem das Wesen und den Charakter von kleineren Einheiten - einem Miteinander - bewahrt hat und dieser Atmosphäre der Anonymität von wirklichen Großstädten entkommen ist. Tokio ist heute eine Stadt mit 38 Millionen Einwohnern, Jakarta 34 Millionen, Delhi 29 Millionen, Manila 23 Millionen, Mumbai 23 Millionen, Chongqing - eine Stadt, von der man kaum etwas weiß - 30 Millionen Einwohner, Schanghai 22 Millionen Einwohner. Das sind Größenordnungen, die einen schon sehr nachdenklich machen, die deutlich unter Beweis stellen, mit welchen neuen Herausforderungen wir es hier zu tun haben und wie sich das städtische Leben und die Gestaltung des urbanen Raums in den nächsten Jahren verändern werden. Wir haben es hier mit völlig neuen Begriffen zu tun - den Begriffen der Megastadt, des megaurbanen Raums -, sie betreffen uns nicht wirklich, aber dennoch stellen sich einige Probleme auch im kleineren Rahmen. Es sind Probleme der Nachhaltigkeit, der Grundversorgung, des Verkehrs, der Bildung, Probleme der Segregation, der Armut, der Auswirkungen massiver Wanderungsbewegungen. Im Rahmen der Europäischen Union ist Wien nicht nur die fünftgrößte Stadt, sondern auch ein starker politischer Akteur. Wien agiert nicht nur als Stadt in allen relevanten Programmen, sondern auch als Land im Ausschuss der Regionen. Wien ist gleichzeitig auch eine der diversesten Städte der Europäischen Union: 13 Prozent unserer Bevölkerung sind EU-Bürgerinnen und -Bürger, 17 Prozent Drittstaatsangehörige. Das ist ein demographischer Faktor, widerspiegelt aber auch wirtschaftliche und kulturelle Vernetzungen, Diversität und Vielfalt als Reichtum und Bereicherung unserer Gesellschaft und unserer Kulturen. Seit 1995 ist Wien auch Mitglied von Eurocities, dem größten Netzwerk europäischer Großstädte. Es ist ein ganz wichtiges Werkzeug zur Positionierung und zur Vertretung der Städte auf europäischer Ebene, aber auch zur Erarbeitung gemeinsamer Programme, gemeinsamer Projekte und gemeinsamer Strategien. Wien ist in diesem Zusammenhang besonders aktiv in den Bereichen Public Services, Housing and Homelessness, also Wohnbau, und in der Nachbarschaftspolitik. Das entspricht der Geschichte, der Gegenwart und auch unserer Geographie. Insgesamt zählt die Europäische Union zu den am stärksten verstädterten Regionen der Welt. Über 70 Prozent der europäischen Bürger leben in einem städtischen Gebiet und der globale Trend spiegelt sich daher auch auf der europäischen Ebene wider. Die Entwicklung städtischer Gebiete hat daher einen wesentlichen Einfluss auf die zukünftige nachhaltige Entwicklung der Union selbst und ihrer Bürger, wirtschaftlich, ökologisch und eben auch sozial. Die immer komplexeren Herausforderungen brauchen lokale, aber auch regionale Strategien und sie brauchen überregionale, das heißt, europäische Strategien. Daraus resultiert die Notwendigkeit einer Städteagenda für die Europäische Union, die sich im sogenannten Pakt von Amsterdam von 2016 niedergeschlagen hat. Der Pakt von Amsterdam verbrieft eine stärkere Verankerung der städtischen Dimension in der Politik der Europäischen Union und wird als fortlaufender Prozess definiert, der sich ununterbrochen ändert und an neue Gegebenheiten anpasst. Ich weiß, dass es im Moment ein bisschen heikel ist: Auch die UNESCO hat sich sehr mit den Problemen der Städte beschäftigt, und der Herr Landtagsvorsitzende hat mir gerade sein UNESCO-Archiv in seinem Büro gezeigt, das schon gewaltige Dimensionen angenommen hat. Ich erlaube mir aber trotzdem den Hinweis, dass eben nicht nur die EU, sondern auch die UNESCO sich dieses Themas angenommen hat. Es gibt eine eigene UNESCO Cities Platform mit einer New Urban Agenda, die sich besonders mit dem Problem der Nachhaltigkeit beschäftigt, wofür ja die UNESCO als die Lead-Organisation in der Umsetzung der Entwicklungsziele verantwortlich ist. Sie hat auch, und das ist ein sehr interessanter Aspekt, den Begriff der Urban Landscape geprägt und beschäftigt sich unter diesem Titel mit der Vereinbarkeit von großen urbanen Konglomerationen mit historischen Kernen und mit der besonderen Verantwortung gegenüber den historischen Zentren. Ich erlaube mir zu guter Letzt noch einen Hinweis: Es ist die Donau fast ein Synonym für Wien, Wien ist ohne die Donau eigentlich nicht zu denken und Donau und Wien gehören zusammen, ein quasi automatisches Begriffspaar. Ich selbst habe noch in meiner Tätigkeit im Außenministerium, als ich als Sektionsleiterin für europäische Integration zuständig war, eine Donauraumkooperation ins Leben gerufen und ich freue mich sehr, dass diese Donaustrategie, die wir damals im Jahr 2000 begonnen haben, jetzt eine EU-Strategie geworden ist. Sie betrifft den Lebensraum von 118 Millionen Menschen in 14 Staaten, und Wien kommt in diesem Prozess eine bedeutende Koordinationsrolle zu. Ich erinnere an die Worte von Bürgermeister Seitz, die ich eingangs zitiert habe, über die historische Verantwortung Wiens auch gegenüber dem europäischen Osten und Südosten als kulturelles und politisches Zentrum und als Einfallstor für die Kontakte zum westlichen Europa. In diesem Sinne, einen herzlichen Glückwunsch zu dieser denkwürdigen Entscheidung. Herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben, und ich wünsche der Stadt Wien für die kommenden Herausforderungen alles, alles Gute. Danke. (Allgemeiner Beifall.) (Die Bundeshymne wird gespielt.) (Die Europahymne wird gespielt.) (Allgemeiner Beifall.) Präsident Ernst Woller: Ich danke für Ihre Teilnahme. Normalerweise würden wir heute vielleicht mit einem Glas anstoßen, das ist aber leider nicht möglich. Ich darf Ihnen jedoch beim Hinausgehen ein kleines Präsent überreichen. Danke schön. (Allgemeiner Beifall.) (Schluss um 12.03 Uhr.) Landtag, 20. WP 25. September 2020 48. Sitzung / 2 Landtag, 20. WP 10. November 2020 51. Sitzung / 9 Landtag, 20. WP 10. November 2020 51. Sitzung / 3