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Landtag, 36. Sitzung vom 29.03.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 40 von 52

 

Und gerade Sie, da rede ich die GRÜNEN an und da rede ich die Sozialdemokratie an, die immer von Pluralität sprechen, die immer von Diversity sprechen, da wird den Kindern die Diversity nämlich genommen. Da wird ganz genau denen von klein an aufoktroyiert, was sie zu tragen haben, was sie zu sagen haben. Und das halten wir für falsch.

 

Dann ist das Argument gekommen, das halte ich ja für ganz besonders skurril, dass Kinder in dem Alter, und deswegen wäre die Bestimmung in Ordnung, quasi überhaupt keine Autonomie hätten und daher jedes Kopftuch im Kindergarten einen impliziten Zwang mit sich brächte. Das ist als Argument vorgebracht worden, und das halte ich als Vater von zwei Kindern, die dreieihalb sind, für vollkommen absurd. Natürlich haben Kinder eine Autonomie in dem Bereich, aber Kinder haben auch die Tendenz nachzuahmen. Kinder haben die Tendenz, gerade Mädchen, ich kann Ihnen Entwicklungspsychologen wahrscheinlich aufstellen von hier bis zur Felderstraße, die sagen, dass kleine Mädchen gerne so sein wollen wie ihre Mutter. Und wenn jetzt die Mutter zu Hause Kopftuch trägt, dann wird das Kind auch im Kindergarten Kopftuch tragen wollen. Und genau da sind wir bei dem Punkt mit der Freiwilligkeit. Das wird von Ihnen eben nicht abgedreht. Hier werden soziale Schemata reproduziert, hier werden Stereotype reproduziert. Und gerade Sie von der Sozialdemokratie, die sich dann immer für Empowerment aussprechen - und die Kollegin Frauenvorsitzende hat ja am SPÖ-Parteitag schon gesagt, ja, wir sind kritisch dem Kopftuch gegenüber. Aber Sie brauchen ewig, bis Sie zu einer Lösung kommen, und irgendwann wird das Problem Sie abschaffen, bevor Sie das Problem abgeschafft haben. (Beifall bei der FPÖ.) Das halten wir eben für nicht gut.

 

Wie gesagt, das mit der Freiwilligkeit können wir eben daher nicht ganz so stehen lassen. Und ja, das Problem ist grundsätzlich inhärent. Man kann natürlich sagen, es gibt jetzt eine Tendenz zum Reformislam. Nur, den sehe ich nicht, und vor allem sehe ich es in der gelebten Praxis nicht. Wir haben, der Kollege Al-Rawi wird mich dann vielleicht eines Besseren belehren, im Koran selber zwei Suren. Das ist die Sure 33 Vers 59, er wird sie kennen, und auch die Sure 24 Vers 60. Die eine gebietet eben die Verhüllung, aber auch hier mit einer ganz bestimmten Konnotation, nämlich nicht nur die Verhüllung an und für sich, sondern es steht dann drinnen: „Damit ihr nicht belästigt werdet. Damit ihr nicht behelligt werdet.“ Also es ist eine Konnotation zwischen Verhüllung und Nichtbelästigung. Und Juristen nennen das dann argumentum e contrario, also einen Umkehrschluss. Was ist dann mit den Frauen, die nicht verhüllt sind, mit den Mädchen, die nicht verhüllt sind? Das ist eine gefährliche Sache, und daher haben wir auch ein Problem mit dieser Verhüllung und mit dieser Tendenz. Es ist eben nicht so, dass jeder religiöse Brauch, jedes religiöse Gebot ausgelebt werden kann. Das geht nicht. Sondern eine demokratische, liberale, eine offene Gesellschaft hat auch den Auftrag, Kindern eine liberale, offene und eine Gesellschaft zu vermitteln, in der man sich frei entfalten kann. Und genau das schaffen Sie nicht! Sie schaffen es wieder einmal, dieses sozialistische Paradoxon herzustellen, nämlich genau jene Kräfte zu unterstützen, die Sie vorgeben, bekämpfen zu wollen, sei es aus schlichtem Unvermögen, sei es aus einem strategischen Kniefall vor dem politischen Islam. Man kann jetzt sagen, beides ist moralisch unterschiedlich verwerflich. Im Ergebnis ist es jedoch egal.

 

Wir sind auf jedem Fall der Meinung, dass das, was Sie hier vorgelegt haben, nicht nur politisch hochproblematisch ist, sondern wir sind der Meinung, was den 15a-Vertrag betrifft, vertragsrechtswidrig ist, dass Sie sich nicht an die Vereinbarung mit dem Bund gehalten haben. Sie führen eben entgegen der Vereinbarung kein Kopftuchverbot in elementaren Bildungseinrichtungen ein, wie jeder, der lesen kann und lesen will, erkennen kann. Und man muss sich dann auch sicherlich die Frage stellen, Verträge beurteilt man ja nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit - also ich tue, weil du tust -, welche Konsequenzen der Bund daran knüpfen werden wird. Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Präsident Dipl.-Ing. Martin Margulies: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Gremel, bitte sehr.

 

13.05.33

Abg. Mag. Marcus Gremel (SPÖ)|: Herzlichen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Landesrat! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Ich fange vielleicht so an: Kollege Blind, herzlichen Dank für die Art und Weise der Auseinandersetzung. Sie haben es eingangs gesagt, Sie machen das vielleicht in einer Art, die wir auch nehmen können. Ich muss wirklich sagen, es war eine ruhige Argumentation Ihres Standpunkts. Das bin ich bei dem Thema leider nicht immer gewöhnt, würde ich mir öfter wünschen, ist eine angenehme Abwechslung. Ich werde versuchen, auf Ihre Argumente, aber auch auf einige Anträge, die von den KollegInnen vor Ihnen genannt worden sind, in meiner Wortmeldung einzugehen.

 

Ich fange vielleicht trotzdem mit etwas Grundsätzlichem an, weil Sie jetzt sehr lange das Kopftuchverbot in den Kindergärten ausgeführt haben. Es ist mir noch einmal wichtig, klarzustellen, dass natürlich niemand von uns will, dass ein Kind in einem Kindergarten Kopftuch trägt. Egal, ob es gezwungen wird oder nicht, das wollen wir nicht. Und ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Ich persönlich will auch nicht, dass ein Kindergartenkind außerhalb vom Kindergarten ein Kopftuch trägt. Was hat es jetzt mit dieser 15a-Vereinbarung auf sich? Wir haben natürlich, da haben Sie recht, vollkommen recht, vereinbart, dass wir das auch in Wien gesetzlich verankern werden. Dabei ist mir aber noch wichtig, was dem zugrunde liegt, nämlich, das sage ich Ihnen auch jedes Mal, dass es mir auch wichtig ist, sozusagen auf die Evidenz dahinter, auf das Problem, auf das tatsächliche Ausmaß eines Problems hinzuweisen, damit wir nicht außer Augen verlieren, dass wir uns eben mit gesicherten Basisinformationen einem Problem annähern sollten. Da möchte ich schon noch einmal darauf hinweisen, dass es nicht einmal einen Fall pro Jahr gibt. Wenn Sie von mehr wissen, na bitte, dann legen Sie uns einmal Zahlen vor. Uns sind unsere eigenen bekannt, die wir

 

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