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Gemeinderat, 15. Sitzung vom 21.11.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 96 von 150

 

GRin Ing Isabella Leeb (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien)|: Ja, sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Jetzt kommen wir zu einem Schwerpunkt des Wiener Budgets, wie wir heute am Vormittag gehört haben.

 

Ja, es ist richtig, ein Schwerpunkt liegt auch heuer wieder im Bereich der Bildung. Die Ausgaben für diesen Bereich werden einen Wert von 1,13 Milliarden EUR erreichen. Das ist eine Menge Geld, beweist aber gleichzeitig auch, dass Geld alleine nicht alles ist und dass man vor allem mit Geld Qualität nicht kaufen kann, denn das haben wir in den vergangenen Wochen hier in Wien auch erleben dürfen. Es war Wien, wo die Beteiligung am Bildungsvolksbegehren am höchsten war. Es war Wien, wo eigentlich, und das ist das wirkliche Erschütternde, nicht das Thema Bildungsvolksbegehren, weil es so wahnsinnig tolle Inhalte hat - ja, es ist wichtig, über Bildung muss man reden, es ist viel zu tun. Aber es war in Wien vor allem das, dass es hier den Bürgern am meisten unter den Nägeln brennt, was hier an Bildung alles schiefläuft, im Bildungssystem, in den Schulen. Denn die Bürger unterscheiden nicht, ob die Schulen jetzt in Bundes- oder in Landeszuständigkeit sind, sie merken nur, mit der Bildung in Wien ist vieles nicht in Ordnung. Wenn wir in Wien weiter so verfahren für viel Geld, dann wird auch in Zukunft unseren jungen Menschen die Perspektive genommen werden, so wie es jetzt für viele schon passiert. Dann ist der Wirtschaftsstandort gefährdet und die Lebensqualität und der soziale Frieden in dieser Stadt. Wien bekämpft mit der Menge an Geld Symptome, nicht Ursachen, greift erst dann ein, wenn es lichterloh brennt und ist in Bildungsfragen permanent, das muss man leider sagen, zu spät dran. Statt in Bildung ernsthaft und richtig und zielorientiert zu investieren, investiert man in PR-Kampagnen, setzt Beruhigungsplacebos in Form von Scheinmaßnahmen und glaubt, damit kann man die Bürger belügen. Nur, die Bürger lassen sich nicht belügen!

 

Lassen Sie mich als Scheinplacebo eine Maßnahme der Stadt Wien explizit nennen, und das ist die Schulsozialarbeit. Die Schulsozialarbeit ist vor zwei Jahren eingeführt worden. Wir haben derzeit in Wien 31 Schulsozialarbeiter für 697 Schulstandorte. Auch dort wird mit der Gießkanne dort eingesetzt, wo es lichterloh brennt. Und anstatt ein System einzusetzen, das für alle Betroffenen gleichmäßig da ist, unabhängig, ist die Schulsozialarbeit weisungsgebunden dem Stadtschulrat unterstellt. Aber noch einmal die Zahlen: 697 Schulstandorte, 31 Schulsozialarbeiter mit viel zu wenig Mitteln, teilweise ohne Handy, teilweise ohne Computer, am Rande des Nervenzusammenbruchs. Viele haben auch schon das Handtuch geworfen.

 

In der letzten Woche oder vor 14 Tagen dann eine ganz neue Qualität. Offensichtlich geht uns das Geld wirklich aus und zwar das Bargeld, denn da hat man in den städtischen Kindergärten einfach Konten geplündert, Konten, auf denen Bastelgeld gespart wurde, in einer Nacht- und Nebelaktion, ohne jemanden zu informieren. Und dann sind die Argumente auf den Tisch gekommen: Ja, man möchte jetzt über einen Zentraleinkauf billiger einkaufen. Ja, das ist interessant, das muss erst einmal bewiesen werden. Aber alleine von der Umsetzung: Wie darf ich mir das vorstellen, welcher bürokratische Mehraufwand da jetzt passiert? Muss ich mir jetzt im Jänner überlegen, was ich vielleicht mit den Kindern zu Ostern basteln will, das Antragsformular für das Antragsformular im Rathaus einbringen und hoffen, dass die Ostereier zu Ostern kommen und nicht erst zur Weihnachts- oder zur Nikolo-Feier? Was man aber auch nicht bedacht hat, ist ein Aspekt, der vielleicht auch nicht ganz so unspannend ist in Zeiten, wo die Krise auch die Realwirtschaft betrifft: Diese Kindergärten haben vor Ort in den Bezirken bei den Nahversorgern, beim Einzelhandel eingekauft, und das wird jetzt nicht mehr möglich sein. Der Einzelhandel, die Nahversorgung, etwas, das wir gerne haben in dieser Stadt - nein das wird jetzt alles zentral hier vom Rathaus aus gesteuert. Das, wie gesagt, meine Damen und Herren, hat eine ganz neue Qualität, denn dass wir Erwachsene ausgenommen werden, das sind wir mittlerweile eh schon gewöhnt, aber dass man jetzt den Kleinsten auch noch das Geld wegnimmt, ist sehr spannend.

 

Was aber dann besonders interessant war und ich möchte fast sagen, etwas unklug und sicher auch nicht überlegt, ist, man hat die Konten leer geräumt und in der Woche darauf hat man im Bildungsausschuss eine Inseratenkampagne bewilligt. Also relativ zeitgleich räumt man Konten leer, zieht das Geld ab und bewilligt sich im gleichen Ressort eine Inseratenkampagne, um Weihnachten und Silvester zu bewerben. Das ist wirklich sehr schön und wir bedanken uns alle, dass wir dann ein paar Tage später diese Festschrift über ein Gratisblatt erhalten haben. Aber besonders perfid ist, dass man da drinnen dann lesen kann, wie toll man in Wien in der Adventszeit basteln kann. Also das schlagt einem Fass fast wirklich den Boden aus!

 

In den Volksschulen geht das Sparen dann natürlich weiter. Wir wissen es, 300 Lehrer wurden in Wien eingespart. Meine Damen und Herren, verfährt man so mit unserer Zukunft? Ich würde das Zukunftsraub nennen, denn ein klares Zeichen, welchen Stellenwert Bildung in Wien tatsächlich genießt, setzen Sie nicht. Sie setzen ein klares Zeichen mit Werbekampagnen und in der PR-Maschinerie. Dass gerade jetzt in der Bildung noch immer nicht die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden, irritiert jedoch besonders dadurch, dass das Jahr 2011 vom Herrn Bürgermeister zum Jahr der Bildung erklärt wurde. Davon ist mittlerweile leider nichts mehr zu bemerken. Vielmehr droht ein weiteres Jahr, in dem es mit der Bildung in Wien steil bergab geht.

 

Der Wiener Lesetest hat dies besonders deutlich gezeigt, denn nicht irgendwo, nein, hier in dieser Stadt in der gerühmten Gesamtschulform Volksschule kann knapp ein Viertel der Absolventen kaum oder nicht lesen! Und das sind Defizite, die sind fast nicht mehr aufzuholen, und wenn, dann nur mit wirklich immenser Kraftanstrengung. Ganze 4 Millionen EUR würde es die Stadt Wien beispielsweise kosten, wenn man sich die

 

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