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Gemeinderat, 52. Sitzung vom 27.01.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 68

 

Wien ist so, wie es ist. Aber ich glaube, Wien könnte noch besser sein, wenn man auch immer wieder innovativ Ideen zum Durchbruch verhilft. Eine solche innovative Idee darf ich Ihnen in diesem Zusammenhang vorstellen. Ich glaube, wir müssen, so wie im Gesundheitsbereich, dazu übergehen, Vorsorge zu betreiben, nicht erst dann zum Arzt gehen, wenn es schon weh tut, nicht erst dann einen Kurs besuchen, wenn die Arbeitslosigkeit schon da ist, sondern sich bereits im Vorfeld zu überlegen, wie man Arbeitslosigkeit verhindern kann. Da sind alle gefordert. Da kann man nicht ein Pingpongspiel zwischen Bund, Land, dem Einzelnen und den Unternehmen betreiben, sondern die Verhinderung von Arbeitslosigkeit muss das Anliegen aller sein, der Bundesregierung, der Landesregierung, jedes Einzelnen für sich und natürlich der Unternehmen, weil es gibt eigentlich nichts Schrecklicheres in einer Leistungsgesellschaft als das Phänomen der Arbeitslosigkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Wie stellen wir uns nun diese große Arbeitslosigkeitsverhinderungsoffensive vor? Zuerst einmal ist es wichtig, eine Analyse zu treffen. Wo sind die Lernfelder des Einzelnen? Deswegen sollte am Anfang dieser Entwicklung ein so genannter Qualifikationscheck stehen. Da muss ein professioneller Berufsberater her. Eine Berufsbegleitung muss feststellen, wie sich die verschiedenen Berufsfelder entwickeln. Hier ist die Berufsfeldforschung in die tägliche Arbeit einzubeziehen, weil viele Berufe in kürzester Zeit aus dem Arbeitsmarkt verschwinden und die Betroffenen erst dann reagieren können, wenn der Beruf schon weg und das Kündigungsschreiben im Postfach ist. Das ist nicht positiv. Jeder sollte nach der Ausbildung ständig daraufhin untersucht werden, welche Möglichkeiten der Weiterbildung er nutzen sollte. Man kann im Prinzip von einer Gesundenuntersuchung oder einer Berufsvorsorgeuntersuchung oder, wenn wir die Sprache der Kraftfahrzeugwirtschaft hernehmen, von einem Bildungspickerl sprechen.

 

Defizite hat jeder. Der Lehrling, der Facharbeiter, aber auch der Akademiker muss sich ständig weiterbilden. Das einmal festzustellen, glaube ich, ist eine wichtige Funktion des so genannten Qualifikationschecks. Dafür muss es einen äußeren Rahmen geben. Dafür muss etwas da sein, die Menschen dorthin zu bringen. Dass das nichts ist, was kurzfristig geht, ist ganz klar, aber das soll uns nicht daran hindern, einmal eine Initiative zu setzen.

 

Wien bietet sich für diese Initiative deshalb sehr gut an, weil in Wien sehr viele Arbeitnehmer konzentriert sind und weil Wien eine erfreuliche Fülle an Weiterbildungseinrichtungen hat. Wir beschließen gerade die Subvention an die Volkshochschulen. Wir haben das BFI, wir haben den WAFF, wir haben die Institute des Wirtschaftsförderungsinstitutes, wir haben die Fachhochschulen, auch das ein ganz wichtiger Zweig der postuniversitären Weiterbildung von Menschen, die bereits im Berufsleben stehen. Als jemand, der selbst an einer berufsbegleitenden Fachhochschule als Lektor tätig ist, weiß ich, wovon ich spreche.

 

Dieser Check als Analyse ist aber nur der erste Schritt und soll dann weiterführen, dass dann die entsprechenden Kursangebote zielorientiert genutzt werden. Es ist weniger ein Mangel an Weiterbildungsmöglichkeiten als ein Mangel an Individualismus und Zielorientierung.

 

Ich habe doch manchmal den Eindruck - und die von mir dann im Weiteren noch vorgestellte Studie der OECD bestätigt meinen Befund -, dass bei uns die Menschen, wenn sie arbeitslos werden, dann relativ lieblos von einem überforderten Sachbearbeiter im AMS in einen Kurs gesteckt werden. Der sitzt dann in dem Kurs. In dem Kurs muss er auch sitzen, weil sonst wird ihm das Arbeitslosengeld wegen Nichtannahme eines Kursangebots gekürzt. Dann werden dort Chefsekretärinnen zum fünften Mal zu einem Bewerbungstraining geschickt und das kann nicht wirklich sinnvoll sein. Wenn man also nicht die Vorgeschichte eines Menschen kennt, und die kann man nicht kennen, wenn man sich erst dann mit ihm beschäftigt, wenn er schon arbeitslos ist, dann kann man den Menschen nicht in die richtigen Weiterbildungseinrichtungen weiterleiten. Deswegen ist der Check eine notwendige Voraussetzung dafür, dass dann entsprechend berufsbegleitend Kurse angeboten werden. Der Check soll zu einem Scheck führen. Das ist ein Anreiz seitens der öffentlichen Hand.

 

Die Eigeninitiative soll man dadurch nicht abdrehen. Wir müssen auch das Bewusstsein schaffen, dass im Endeffekt für den eigenen Erfolg am Arbeitsmarkt jeder für sich selbst verantwortlich ist. Wir dürfen es auch nicht ausschließlich den Unternehmern überlassen, ihre Mitarbeiter weiterzubilden, weil dann kommen nur die Arbeitnehmer in den Großbetrieben, die sich das leisten können und wollen, in den Genuss. Wir brauchen auch die Arbeitnehmer in den Klein- und Mittelunternehmen und da ist es oft gar nicht möglich, eigene Fortbildungsveranstaltungen anzubieten. Das heißt, dieses Zusammenwirken öffentlicher Rahmen, Bewusstseinsschaffung auf der einen Seite, Eigeninitiative und das In-die-Pflicht-Nehmen der Unternehmen sollte dafür sorgen, dass die wichtigste Ressource, die wir als Stadt mit einem Gott sei Dank hohen Lohnniveau haben, zu einem Erfolg führen, nämlich das Wissen, die Ausbildung und die Fertigkeiten der Menschen.

 

Ich habe schon mehrfach davon gesprochen, dass es eine aktuelle OECD-Studie dazu gibt. Diese Studie wurde vom so genannten Education Committee and Employment Labour and Social Affairs Committee der OECD nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt. Man hat, so wie es halt heute üblich ist, einen Länderhintergrundbericht über den Status der Erwachsenenbildung in den einzelnen Mitgliedsländern der OECD erstellt. Der Bericht allein basiert auf dem Besuch von OECD-Prüfern, also von Menschen, die von außen kommen. Es hat dann Diskussionen mit Regierungsvertretern, Sozialpartnern und Fachleuten gegeben. Zu guter Letzt wurden dann auch die relevanten Einrichtungen im Bereich der Erwachsenenaus- und -weiterbildung besucht.

 

Das Ziel der OECD deckt sich eigentlich genau mit dem Ziel, das wir alle verfolgen sollten, nämlich das

 

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